Schriftsteller Milan Kundera 94-jährig verstorben

Milan Kundera
Der große Milan Kundera ist tot. Der französisch-tschechische Weltbürger unter den Literaten des 20. Jahrhunderts verstarb im Alter von 94 Jahren.

Milan Kundera war ein Philosoph unter den Schriftstellern. In seinen Romanen spürte der französisch-tschechische Weltbürger den großen und kleinen Mysterien der menschlichen Existenz nach. Dabei liebte er es, den Leser mit Fragen zu konfrontieren. "Was also soll man wählen? Das Schwere oder das Leichte?", heißt es da. Oder: "Aber war es Liebe?" Nun ist Kundera 94-jährig gestorben.

Spätestens mit seinem internationalen Bestseller "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" (1984) schrieb sich der am 1. April 1929 in Brünn geborene Autor in die Weltliteratur ein. Zu diesem Zeitpunkt lebte Kundera bereits in Frankreich, wohin er 1975 aus der Tschechoslowakei emigriert war.

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Prager Frühling

Nachdem sowjetische Panzer 1968 die Demokratiebewegung Prager Frühling in der Tschechoslowakei niedergeschlagen haben, fliehen die beiden Protagonisten des Films in den Westen. Es ist ein Schicksal, das Kundera und seine Frau Vera, eine frühere Fernsehansagerin, mit ihnen im richtigen Leben teilten. 1975 packten sie in Prag ihre Koffer, um nach Rennes in der Bretagne zu gehen und den Eisernen Vorhang hinter sich zu lassen.

Paradoxerweise war es die Verfilmung von "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", die Kundera endgültig den Weg zu internationaler Berühmtheit bahnte. Der Regisseur Philip Kaufman machte sich nichts aus dessen Credo, Romane so zu schreiben, dass sie nicht adaptierbar sind. Er brachte "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" 1987 mit Daniel Day-Lewis und Juliette Binoche auf die Leinwand. Die erotische wie tragische Liebesgeschichte zwischen dem Chirurgen Tomas und der Kellnerin Teresa berührte viele Menschen. 

Romancier im Exil

Kundera merkte einmal an, den Opernautor Leos Janacek habe eine Frage immer begleitet: Ist er nur ein interessanter Komponist aus irgendeiner exotischen Ecke Europas oder ist er einer der weltweit anerkannten Schöpfer der modernen Musik? Es ist eine Frage, die Kundera in anderer Form im Exil umgetrieben haben dürfte. Jahrzehntelang kämpfte er darum, aus der Falle der politischen "Dissidenten-Ecke" zu entkommen und in Frankreich als großer Romancier und Homme de lettres anerkannt zu werden.

Es ist nicht die einzige Parallele zu dem Komponisten: Erst im Alter von 45 Jahren habe Janacek (1854-1928) seinen eigenen, unnachahmlichen Stil entdeckt, an dem man ihn sofort erkenne, so der Schriftsteller. Er selbst zieht eine Zäsur mit seinem Antistalinismus-Roman "Der Scherz", der 1967 erschien.

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Milan Kundera in jungen  Jahren.

Das Frühwerk, wie die intimen Gedichte der "Monologe" von 1957 oder das Theaterstück "Die Schlüsselbesitzer", 1963 mit dem Staatspreis ausgezeichnet, gehören nicht zum Kanon. Kunderas späterer Prosa-Stil ist geprägt von Klarheit. Kritiker nennen ihn antiromantisch und skeptisch, aber auch ironisch und humorvoll. Er hat einmal wie zu seiner Verteidigung gesagt, die Skepsis verwandele die Welt nicht in etwas Fragwürdiges; sie verwandele die Welt in Fragen.

"Das Fest der Bedeutungslosigkeit", einer seiner letzten Romane, erschien 2015 auch auf Deutsch. Der Autor blieb sich selbst treu: Der Leser beobachtet vier ältere Herren auf ihren Streifzügen durch Paris, während sie über den Philosophen Hegel nachdenken oder Theorien über die Erotik des weiblichen Bauchnabels aufstellen. Die Kritiken reichten vom "Alterswerk eines großen Autors" bis hin zu "langweilig, unlebendig, ausgedacht und leer".

Kunderas Persönlichkeit polarisiere, nicht nur in Tschechien, sondern auch in Frankreich, sagt der Romanistik-Professor Petr Kylousek von der Universität in Brünn (Brno). "Er hat große und treue Freunde und Bewunderer, aber es gibt auch solche, die ihn nicht mögen." Interviews gibt der Autor aus Prinzip nicht.

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Bibliothek in Brünn

Franz-Kafka-Literaturpreis und Bibliothek

Zuletzt war Kundera in den Schlagzeilen, als er 2020 den Franz-Kafka-Literaturpreis erhalten hat. Kundera war der 20. Preisträger und folgt damit auf Persönlichkeiten wie Vaclav Havel, Elfriede Jelinek, Philip Roth und Amos Oz. Kundera hatte sich selbst in seinen Schriften immer wieder mit Kafka (1883-1924) beschäftigt. 

In Brünn, der Geburtsstadt des Schriftstellers, wurde kürzlich eine Milan-Kundera-Bibliothek eingeweiht: Den Kern bildet die Privatbibliothek Kunderas mit rund 4.000 Bänden, darunter zahlreiche Übersetzungen seiner Werke in viele Sprachen. Kundera und seine Frau Vera hatten bereits 2020 beschlossen, die Sammlung der Landesbibliothek zu überlassen. Bei der Katalogisierung kamen einige seltene Stücke zum Vorschein, wie zum Beispiel eine Schrift des französischen Philosophen Michel de Montaigne aus dem 16. Jahrhundert. Dieser gilt als Begründer der Essayistik.

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