Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins - von Milan Kundera

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins - von Milan Kundera
Ein mitreißendes Leseerlebnis von Sinnhaftigkeit, Unmoral und der Liebe in Prag zur Zeit des Kalten Krieges.

Milan Kundera ist wahrscheinlich der international erfolgreichste tschechische Schriftsteller unserer Zeit. Mit seinem 1984 im französischen Exil erschienenen Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" erlangte er Weltruhm, der sich mit Philip Kaufmanns kongenialer, sehr atmosphärischer Verfilmung von 1988 noch steigerte. Mittlerweile ist es still geworden um den Autor: Er lebt zurückgezogen mit seiner Frau in Frankreich, gibt seit 1985 nur noch schriftliche Interviews und veröffentlichte sein letztes Buch, "Die Unwissenheit", bereits im Jahr 2000. Gelesen wird er nach wie vor - vor allem "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" wurde zum Longseller. Den besonderen Reiz des Romans macht die Verquickung von erzählenden und reflektierenden, ja philosophischen Passagen aus.

Erzählt wird von Prag, der alten Stadt an der Moldau, in den 1960er-Jahren. Der Kalte Krieg erreicht seinen Höhepunkt, der Prager Frühling - die Bemühungen der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei um Liberalisierung und Demokratisierung - wird durch den Einmarsch russischer Truppen beendet. Vor diesem Hintergrund entwirft Milan Kundera die Liebesgeschichte von Tomas und Teresa: Er ist ein erfolgreicher Chirurg und Frauenheld, sie eine Kellnerin mit Begabung für die Fotografie. Tomas erlebt zum ersten Mal wirkliche Liebe, kann und will aber von Seitensprüngen nicht lassen. Teresa erträgt, so gut sie kann. Das Paar flieht angesichts der sowjetischen Besatzung nach Zürich, wo auf Tomas nicht nur eine lukrative Stellung als Arzt wartet, sondern auch eine ehemalige Geliebte: die Malerin Sabina. Wieder kann Tomas sich nicht zügeln, die "unerträgliche Leichtigkeit des Seins" im Westen zieht ihn in seinen Bann. Nicht so Teresa - sie erträgt dieses Leben und seine Eskapaden nicht und kehrt nach Prag zurück. Tomas folgt ihr, "erkrankt an Mitgefühl", wehrt sich gegen politische Repressalien, verliert seinen Job als Arzt, wird Fensterputzer und schließlich Landarbeiter. Dieser Weg hinaus aus der Stadt, hinaus aus Prag, öffnet endlich aber auch eine Tür für Tomas und Teresa. Sie erkennen die Harmonie, verstehen, dass der eine nicht stärker oder schwächer ist als der andere. In diesem Augenblick der Ausgeglichenheit sterben sie durch einen Autounfall.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins - von Milan Kundera

Die Handlung wird von Kundera souverän in Rückblende und Vorschau, in springenden Perspektiven und durchsetzt mit Reflexionen erzählt. Liebe, Sex, essayistische Passagen über Politik und Philosophie, magische Bilder wie die sowjetischen Panzer in Prag oder nächtliche, erotisch aufgeladene Traumpassagen - all das verbindet Kundera zu einem mitreißenden Leseerlebnis. Und der Autor weiß, wovon er schreibt. Nicht nur diverse amouröse Abenteuer sagt man ihm nach, auch die politische Diktatur erlebte er hautnah. Kundera gehört zu jenen Intellektuellen, die sich ab 1967 gegen das System auflehnten; er wurde erst aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen, dann nicht mehr verlegt und verlor schließlich seine Lehrtätigkeit an der Prager Filmhochschule. 1975 verließ er die Tschechoslowakei und emigrierte nach Frankreich - seit 1994 schreibt Kundera auch in der Sprache dieses Landes: Die Trennung von seiner Heimat geht bis zu den Wurzeln des Schriftstellers. Seinen Grundthemen aber blieb Milan Kundera treu: Die als sein französischer Zyklus bezeichneten Romane - "Die Langsamkeit" (1994), "Die Identität" (1998) und "Die Unwissenheit" (2000) - erzählen weiterhin von Sinnhaftigkeit, Unmoral, der Zerrissenheit des modernen Lebens und ... von der Liebe.

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