Scarlett Johansson: "Ich fürchte um die Welt“
Sie ist ein Star, seit sie mit 12 ein Pferd ritt und Robert Redford und Kristin Scott Thomas in „Der Pferdeflüsterer“ begeisterte. Mit 35 hat Scarlett Johansson beachtliche 66 Filme auf ihrem Resumé und alle Genres durchgespielt.
Der neueste Film des neuseeländischen Regisseurs Taiki Waititi passt in gar kein Genre. In „Jojo Rabbit“ spielt sie die Mutter eines Hitlerjungen, die selbst heimlich im Widerstand ist. Der Film ist eine Komödie, so seltsam das klingen mag.
KURIER: Wie haben Sie das Drehbuch empfunden, als Sie es zum ersten Mal gelesen haben? Musste Taiki Waititi Sie überreden, die Rolle anzunehmen?
Scarlett Johansson: Ich habe das Drehbuch gefunden oder besser: Das Drehbuch hat mich gefunden. Chris Hemsworth, der Taikas „Ragnarok“ gedreht hat, hat mir davon erzählt, als wir „Infinity War“ filmten. Er hatte es gelesen, obwohl gar keine Rolle für ihn drin war. Ich wollte wissen, worum es geht, und er weigerte sich, mir irgendetwas zu erzählen. Er sagte nur: „Das ist ein ganz tolles Drehbuch, du musst es lesen“. Monate später hörte ich davon von meinem Agenten, der mir auch nichts über die Geschichte sagen wollte. Das war eine gute Strategie, denn es machte mich wahnsinnig und ich wollte es unbedingt in die Finger bekommen. Ich habe in meinem Leben genügend Drehbücher gelesen, um genau zu wissen, wenn ich ein echtes Juwel in Händen halte. Und „Jojo Rabbit“ war dieses Juwel. So etwas gab es noch nie. Es war bedeutend und herzzerreißend, kindlich und tiefgehend, witzig und traurig.
Taiki sagt, Chris Hemsworth war zu fesch für diesen Film.
Kein Kommentar, Chris Hemsworth braucht wirklich nicht noch mehr Komplimente über sein Aussehen! Er ist eingebildet genug (lacht).
Wie ist Waititi im Vergleich zu anderen Regisseuren?
Er ist irre kreativ. Und er lässt es dir offen, eigene Ideen einzubringen. Er hat den Dialog ständig neugeschrieben, weil ihm wieder was einfiel. Er wollte, dass wir improvisieren. Und das war nach „Marriage Story“ eine wunderbare Abwechslung für mich, denn Noah Baumbach erlaubt es niemanden, auch nur ein Wort zu verändern. Taika hat null Ego, was sein eigenes Schreiben betrifft.
75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind diese Themen leider noch immer relevant. Haben Sie den Film als zeitlose Geschichte empfunden?
Der Kern des Films ist die Beziehung zwischen meinem Sohn, der in der Hitlerjugend ist und dem jüdischen Mädchen, das ich – seine Mutter – zu Hause verstecke. Dass diese zwei Kinder ihre unterschiedlichen Herkünfte vergessen und eine Freundschaft entwickeln können, obwohl ihnen von den Erwachsenen eingetrichtert wurde, dass sie einander hassen müssen, ist ein Thema, das absolut zeitlos ist. Ich bin jüdisch und habe wie alle Juden Antisemitismus am eigenen Leib erlebt. Der Antisemitismus lebt. Leider mehr und stärker als man es für möglich halten sollte. So, als hätten wir nicht gelernt aus der Vergangenheit. Und einen Präsidenten zu haben, der das auch noch anfeuert ist unfassbar. Ich habe noch nie von einem amerikanischen Präsidenten gehört, der ständig Minderheiten runtermacht, rassistisch ist und sich nicht einmal dafür entschuldigen muss. Die ganze Welt hat Angst, weil diese Art von Benehmen und seine politischen Entscheidungen sich auf die Gesellschaft, die Umwelt, das Finanzsystem auswirken. Und zwar überall. Ich fürchte um die Welt, in der meine Tochter aufwächst. Und sie ist noch zu klein, um das zu kapieren.
Haben Sie gute oder schlechte Erinnerungen an Ihre Zeit als Kinderstar?
Vor allem gute. Ich erinnere mich besonders an „Der Pferdeflüsterer“. Da habe ich zum ersten Mal gespürt, was Schauspielen ist. Vorher war ich nur ein Kind, das jede Rolle als Spiel empfunden hat. Diese Entdeckung und Realisierung hat mein Leben verändert, weil ich in dem Moment wusste, dass ich diesen Job für den Rest meines Lebens machen möchte. Die Kehrseite davon war das ständige Reisen, die Abwesenheit meiner Familie. Da war dieses Loch, weil ich meine Familie so oft vermisste.
Würden Sie Ihrer Tochter erlauben, Kinderdarstellerin zu werden?
Ich würde meine Tochter in allem ermutigen, was sie machen will, auch darin. Denn am Ende machte ich mehr gute als schlechte Erfahrungen. Und heute liebe ich meine Arbeit mehr denn je. Sie wird nie langweilig. Ich bin unendlich dankbar für diesen Job.
Haben Sie Ambitionen Regie zu führen?
Vielleicht. Ich bin noch nicht soweit. Ich schaue mir Filme von Frauen an, die ich sehr bewundere wie Alma Ha’rels „Honey Boy“ oder Chloe Zhaos „The Rider“. Ich bin ein Fan von kleinen, gut gemachten Filmen. Wir haben sie mal Independent Movie genannt. Heute sagen wir wieder Kunstfilm dazu, weil es praktisch keine unabhängige Filmindustrie mehr gibt.
Sie sind mit „Saturday Night Live“-Star Colin Jost liiert. Haben Sie Pläne für eine gemeinsame Komödie?
Wir haben darüber gesprochen. Aber ich bin leider keine dieser Schauspielerinnen, denen eine Komödie das Leben erleichtert. Ich gehe nach einem Drehtag genauso panisch nach Hause wie wenn ich ein schweres Drama filme. Ich habe immer das Gefühl, dass ich nicht gut genug war.
Ist Ihnen Humor wichtig?
Ja, das auf alle Fälle. Ich könnte nie mit einem Mann zusammen sein, der nicht lustig ist. Ich bin mit witzigen Eltern aufgewachsen. Mein Vater ist Däne und sehr verschmitzt, meine Mutter ist eine jüdische New Yorkerin. Sie können sich also vorstellen mit welcher trockenen Ironie ich groß geworden bin. Für mich ist Lachen das Wichtigste im Leben. Es macht alles andere leichter.
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