Noah Baumbach, Regisseur von so exquisiten Milieuporträts wie „Greenberg“ und „Francis Ha“, hat die zeitgenössische Variante eines Scheidungsdramas wie „Kramer gegen Kramer“ mit einer Leichtigkeit entworfen, als hätte er es einfach so aus dem Ärmel geschüttelt. Scarlett Johansson als frustrierte Ehefrau ist von entwaffnender Aufrichtigkeit und erzählt auch feindlichen Anwälten, dass sie abends gern ein Glas Wein trinkt. Adam Driver wiederum vibriert vor kreativer Energie und macht spürbar, wie sein grenzenloser Ehrgeiz eine Lebenspartnerschaft ermüden kann.
Als der Streit um das Sorgerecht losbricht, bringt er in allen Beteiligten das Schlechtestes zum Vorschein; aber Baumbach denunziert keine seiner Figuren. Stattdessen verfugt er das auseinanderbrechende Beziehungsgefüge mit pointiertem Witz. Den Vogel an Komik schießt überhaupt Laura Dern als erboste Scheidungsanwältin ab. In einer Wutrede beschwert sie sich darüber, dass eine Frau perfekt sein müsse wie die Jungfrau Maria. Der Mann hingegen sei wie Gott: (meist) abwesend.
Das Festival von Venedig hat in den letzten Jahren den Ruf erworben, Filme mit großen Oscar-Chancen im Programm zu bieten. Baumbachs Netflix-Produktion „Marriage Story“ wird jetzt schon als heiße Oscar-Ware gehandelt. Der Streaming-Dienst brennt darauf, einen Oscar für den besten Film einzuheimsen und Hollywood zu beweisen, dass er ein genauso potenter Player im Filmbiz ist wie die eingesessenen Studios.
Letztes Jahr kam Netflix mit Alfonso Cuaróns „Roma“ seinem Ziel schon ganz nahe. Doch den Oscar für den besten Film bekam das Online-Portal dann doch nicht. Mit „Marriage Story“ nimmt es jedenfalls einen starken, neuen Anlauf.
Auch Brad Pitt lieferte eine Performance ab, die eindeutig auf einen Oscargewinn schielt: In dem US-Wettbewerbsbeitrag „Ad Astra“ (Kinostart: 20. September) spielt Hollywoods Golden Boy einen melancholischen Astronauten auf Vatersuche. Wie ein Traumtänzer taumelt er durch die Galaxien und denkt über das Schicksal der Menschheit nach. Auf der Tonspur begleiten seine traurigen Gedanken sein somnabules, zeitzerdehntes Weltraumabenteuer, das sich wie ein philosophischer Essay im Astronautenanzug anfühlt. Hauptdarsteller Brad Pitt ist in fast jeder Einstellung zu sehen – und tatsächlich ein Oscar würdiger Anblick.
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