Jan Bülow als Udo Lindenberg: "Mach’ nicht zu viel den Udo"
Jan Bülow ist gerade erst nach Wien übersiedelt. Eben noch war er am Schauspielhaus in Zürich engagiert, nun spielt er im Ensemble des Burgtheaters. Und außerdem hat er einen großen Film gedreht: In "Lindenberg! Mach dein Ding" (derzeit im Kino) ist Jan Bülow als junger deutscher Rocker Udo Lindenberg einfach umwerfend.
KURIER: Herr Bülow, Sie spielen Udo Lindenberg, einen deutschen Rockstar mit großen Bühnenauftritten. Erfüllen Sie sich damit einen geheimen Wunsch?
Jan Bülow: Ich pflege gerne zu behaupten, dass jeder Bühnenschauspieler ein verhinderter Rockstar ist. Es gibt sicher solche, die andere Träume haben, aber für mich ist es so: Wenn ich mir einen Live-Auftritt von Mick Jagger anschaue, ist das für mich die purste Form von Theater. Jemand kommt auf die Bühne, macht eine Bewegung, und 80.000 Leute schreien. Das ist reine Emotion. Also ja, in gewisserweise ist mir mit diesem Film ein Traum erfüllt worden. Besonders die Konzertszenen fühlten sich total real an. Ich würde zu so einer Karriere nicht Nein sagen.
Lindenberg! Mach Dein Ding
Was würden Sie für eine Musik machen?
Ich bin durch meinen Vater mit der Musik von Bruce Springsteen, den Rolling Stones, Beatles, Chuck Berry und Buddy Holly aufgewachsen. Die Rock’n’Roll-Musik seit den 60er Jahren wären mein Grundeinfluss.
Udo Lindenberg sagt im Film einmal, dass er sich an jemanden wie Hans-Joachim Kulenkampff orientiert. Sie sind Jahrgang 1996. Haben Sie seine Musik je gehört?
Ich war kein expliziter Fan und kannte nur zwei, drei Songs vom Hörensagen. Er war für mich einfach eine Figur, die man aus den Medien kennt. Mein Vater hatte ein paar Vinylplatten im Schrank, aber er war kein Die-Hard-Fan. Ich selbst bin aber mittlerweile ein Fan von Udo Lindenberg geworden. Ich kann mich erstaunlich gut mit seinen Texten identifizieren: Sie sind nahbar, intelligent, aber auf eine einfache Art und Weise. Er schreibt gute Geschichten von Bars, Partys und vom jungen Leben.
Haben Sie Lieblingssongs?
Während des Films war „Leider nur ein Vakuum“ mein Lieblingssong, denn er beginnt mit dem schönen Satz: "Freitags abends steckt er sich hundert Mark und ’ne Zahnbürste ein. Er zieht sich die schnellen Stiefel an. Das ist ein gutes Gefühl, frei zu sein...". Das ist einfach, aber gut. Dann finde ich "Cello" einen coolen Song. Man merkt manchmal bei Udo, wenn er singt, dass er eigentlich Schlagzeuger ist. Er ist total rhythmisch und hat eine eigene Rhythmisierung der Sprache. Ich finde auch die Songs, die wir im Film aufgenommen haben wie "Mädchen aus Ostberlin" klasse. Ich habe diese Lieder gefühlte 1.000 Mal gespielt, und sie sind mir nie zum Hals heraus gekommen. Ich höre die immer noch gerne. Ich entdecke ständig neue Udo-Lieblingssongs. Udo Lindenberg hat ja eine sehr prägnante Ausdrucksweise.
Hatten Sie Stress, ihn nachzumachen?
Ich hatte schon irgendwie Schiss. Ich habe seine Bewegungen und Gesten akribisch geübt, aber die Regisseurin Hermine Huntgeburth sagte dann zu mir: "Mach nicht zu viel den Udo." Damals hat er noch anders geredet als heute. Es gibt interessante Aufnahmen, wo man sieht, dass er eigentlich ein schüchterner Junge war – zum Beispiel ein Interview auf YouTube (mit Peter Rapp, Anm.) im österreichischen Fernsehen...
... da sieht er Ihnen tatsächlich sehr ähnlich...
...und das ist ganz interessant, weil der Film einen Typen zeigt, der erst so wird, wie man ihn dann später medienwirksam kennt.
Wie haben Sie sich konkret vorbereitet? Getanzt vor dem Spiegel? Ihn getroffen?
Es war so eine Mischung. Ich habe ihn oft getroffen. Wir haben immer noch Kontakt und mögen uns sehr gerne, was mich freut. Natürlich habe ich vor dem Spiegel geübt und dann für manche Auftritte mit einer Choreografin zusammen gearbeitet.
Sie singen im Film selbst und spielen Schlagzeug, richtig?
Ja, das war meine Bedingung, das habe ich mir erlaubt. Ich bin ja ein großer Fan von Musikfilmen wie "Ray" über Ray Charles oder "Walk the Line" über Johnny Cash, und ich finde, Selbst- Singen muss sein. Ich konnte davor nicht Schlagzeug spielen und habe einen Monat lang jeden Tag geübt, Unterricht genommen und gesungen. Am Ende konnte ich jeden Song zumindest in der Basic-Version durchspielen. Darauf bin ich sehr stolz.
War es schwierig, Udo Lindenberg davon zu überzeugen, dass Sie seine Songs singen dürfen?
Es ist natürlich nicht einfach, einen noch lebenden Künstler davon zu überzeugen, dass seine Kunst von jemand anders dargestellt wird. Aber Udo hat mitgemacht, und dafür bin ich ihm dankbar. Das war wichtig für den Film: Wenn man eine ganze Figur neu erfindet und ein Leben aus einer Perspektive erzählt, die die Leute nicht so kennen, muss man auch die Songs neu interpretieren. Ich hatte wahnsinnig Angst, dass etwas schief läuft, aber es ist dann doch relativ wenig schief gelaufen (lacht). Es hat gut funktioniert – und am Ende waren alle ganz begeistert. Auch Udo.
Apropos begeistert: Sie waren zuletzt im Schauspielhaus Zürich engagiert, und sind jetzt ans Burgtheater nach Wien übersiedelt.
Ja, ich wohne gleich hier um die Ecke (vom Cafe Landtmann, Anm.), tatsächlich im 1. Bezirk. Derzeit spiele ich in zwei Produktionen, in "Vögel" im Akademietheater und in "Die Edda" im Burgtheater.
Was steht als nächstes auf dem Spielplan?
Mitte Februar fangen wir mit den Proben zu "Peer Gynt" an, und ich spiele einen von mehreren Peer Gynts. Es ist eine Hauptrolle, aber mehr darf ich nicht sagen. Regie führt "Edda"-Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson.
Ist Zürich mit Wien vergleichbar?
Nein, es ist ganz anders. In der Schweiz ist man sehr zurückhaltend. Ich glaube, selbst wenn Roger Federer dort über die Straße geht, wird er nicht angesprochen. Aber Wien ist eine unfassbare Theaterstadt. Hier gehört das Theater – und das merkt man sofort, wenn man ankommt – zur Stadt wie nirgendwo sonst. In Berlin, wo ich herkomme, fragt man gerne: "Was wollen uns die vom Theater sagen?" Hier habe ich das Gefühl, dass es viel mehr zur Kultur gehört. Wo gibt es das sonst, dass am Bühneneingang Autogrammjäger warten? Das ist im gesamten deutschsprachigen Raum undenkbar. Hier ist es schon sehr besonders. Und das ist ja auch schön.
Es gefällt Ihnen also hier?
Ja, schon. Das ganze letzte Jahr war für mich sehr turbulent. Nach 21 Jahren in Berlin war ich plötzlich in Zürich. Dann habe ich diesen Film gemacht und war nur noch am Fliegen. Dann habe ich hier in Wien vorgeprobt – manchmal fühlt es sich so an, als hätte mir jemand eine Spritze gegeben und ich wäre ein Jahr lang in einem manischen Zustand mit Scheuklappen unterwegs gewesen. Und jetzt wache ich langsam auf. Ich muss mich erst einleben, aber ich werde eine Zeit lang bleiben. Und ich kann mir auch vorstellen, dass es länger sein könnte, als nur zwei Jahre. Ich freu mich sehr.
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