"Star Trek: Picard": Stewart sieht eine "Welt voll düsterer Probleme“
- Es ist einer der großen Fernseh-Events des Jahres: Ab Freitag gibt es auf Amazon Prime die Rückkehr von Jean-Luc Picard. Patrick Stewart spielt in "Picard" wieder den Sternenflotten-Kapitän aus "The Next Generation".
- Aber Picard ist ein anderer geworden: Der 94-Jährige ist nun Außenseiter in der Föderation.
- Diese Entwicklung und was dazu geführt hat spiegelt auch die Probleme unserer heutigen Welt wieder, sagen Stewart, die Produzenten und weitere Schauspieler zum KURIER im folgenden Artikel.
- Und Patrick Stewart erklärt, warum er "dunkle Zeiten" sieht - und Fan von Greta Thunberg ist.
- Dazu gibt es noch den brandneuen "Picard"-Trailer.
Es gibt Momente, auf die die „Star Trek“-Fans lange warten mussten. Und wenn sie dann da sind, sind sie anders als gedacht.
„Earl Grey, heiß“, sagt Captain Picard, und diese oft gehörte Anweisung an die Essensherbeizaubermaschine bringt wohlige Erinnerungen an „Star Trek: The Next Generation“. Der Fan darf sich freuen – und dann ins Freudenschmunzeln gleich Überraschung hineinmischen.
Denn Picard ergänzt: „Entkoffeiniert“.
Serienstart am Freitag bei Amazon Prime
Ja, Jean-Luc Picard, der Kapitän der Enterprise-Raumschiffe D und E, ist wieder da. Am Freitag startet bei Amazon Prime die neue Serie mit Sir Patrick Stewart. Stewart ist, das sagt er zum KURIER, „extrem glücklich, wieder da zu sein“.
Ganz lange hat es so ausgesehen, dass Picard trotz der allgemein verbreiteten Sucht, bekannte Stoffe wiederaufzuwärmen, nicht zurückkehrt.
Stewart weigerte sich.
So lange, dass Picard – einst der handelnde Philosoph, der Moralist, der Meinungsstarke unter den „Enterprise“-Kapitänen – nun ein anderer ist; ein älterer, ein ausgestoßener, ein zorniger.
Und einer, der kein Koffein mehr trinken darf.
Endliche Weiten
Dass Picard – der beste aller „Star Trek“-Kapitäne, Widerspruch ist zwecklos – nun wieder das Ruder übernimmt, kommt dem ganzen Enterprise-Universum entgegen. Denn so mächtig Kirk, Spock, Worf, Data, aber auch Phaser, Beamen und die Sternenflotten-Uniformen im popkulturellen Bewusstsein verankert sind – der letzte große Erfolg einer „Enterprise“-Produktion ist lange her.
Die jüngste Serie, „Star Trek: Discovery“ (Netflix) hat schwere Kursprobleme. Die Kinofilme, die Kirk und Spock für ein junges Publikum aufbereiten wollten, liefen so lala. Und die Marvel-Superhelden sowie „Star Wars“ traten den Siegeszug an den Kinokassen an.
Die Präsenz der Enterprise war schon größer. Fährt man mit Picard also nun das schwerste verfügbare Geschütz auf, um die Föderation auch finanziell zu verteidigen?
„Nein, nein!“, sagt Produzent Alex Kurtzman bei einem großen Interviewtermin zu „Picard“ in Berlin zum KURIER. „Wir haben ,Picard’ nicht aus so zynischen Gründen gemacht.“
Kurtzman will vielmehr, gemeinsam mit u.a. Autor Michael Chabon, die Crew der „nächsten Generation“ und deren Fernseherbe an die wunderbare Welt des neuen Fernsehens heranholen. „Picard“ nützt die geduldige Erzählform des Streamings. Die zehn Folgen der ersten Staffel (die zweite ist schon fix) sind „wie ein langer Film“, sagt Produzentin Kirsten Beyer.
Was dieser erzählt, soll und darf noch nicht verraten werden (die Kritik zu den ersten drei Folgen folgt am Freitag). Wie immer aber spiegelt „Star Trek“ die Gegenwart – und die färbt die Serie.„Unsere Welt ist voll düsterer Probleme“, sagt Stewart (79). „Und auch die Sternenflotte ist nicht mehr das, was sie einmal war." Picard "war immer der, der letztlich alle Entscheidungen treffen musste. Das hat er verloren. Und er wurde zornig, enttäuscht, grantig.“
Und "er fühlt intensive Schuld darüber, was mit seinem engsten Freund und Begleiter Data passiert ist“, sagt Stewart. „Er versteht, dass er Fehler in seiner Beziehung mit der Sternenflotte gemacht hat. Dass er zu stur war. Und zu sehr daran geglaubt hat, dass er immer überlebt. Das misslang ihm.“
Wen das an die Veränderung von Luke Skywalker (der aus „Star Wars“) und die brutal beleidigte Reaktion der Fans erinnert, der darf sich gleich die Frage stellen: Ist das nicht ein Risiko?
„Das Risiko wäre gewesen, es nicht zu machen“, sagt Produzent Akiva Goldsman zum KURIER. Es sind 20 Jahre seit Picards letztem Auftritt vergangenen. „Das zu leugnen, wäre unehrlich. Und Picard ist nun 94. Die Geschichten, die man über einen 94-Jährigen erzählen kann, sind bemerkenswerter Weise interessanter.“
„Picard“ sei jedoch keine „düstere Version“ von „Star Trek“, betont Kurtzman. Denn die von Gene Roddenberry ersonnene Serienwelt beinhalte immer eine „Botschaft der Hoffnung“.
Das Andere
Und zwar, wie immer, für die Jetztzeit. „Es gibt das Thema Migration in vielen Schattierungen“, sagt Kurtzman. „Und die Auseinandersetzung damit, wie es ist, ein ,Anderer’ zu sein, der außerhalb der ,Norm’ steht. Picard war immer der ultimative Insider. Nun ist er der ultimative Außenseiter.“
Bei einem Besuch der Sternenflotte, man sieht’s im Trailer oben, muss er sogar seinen Namen buchstabieren.
Und es geht um Menschlichkeit (wie auch immer man das bei Außerirdischen bezeichnen würde). So sieht man etwa die Borg, die allerbösesten der Sternenflotten-Feinde, in neuem Licht.
„Man entwickelt Mitgefühl mit ihnen“, sagt Jeri Ryan, die als Borg „Seven of Nine“ in Fankreisen Sonderstatus hat. „Das ist eine wichtige Botschaft. Denn es gibt weltweit soviel Angst vor denen, die anders sind.“
Und „Star Trek“-Neuzugang Michelle Hurd ergänzt: „Wenn man jemanden nur als ,anders’ sieht, ist es okay, ihn zu kreuzigen. Aber dazu haben wir kein Recht.“
„Man braucht Hoffnung genau dann, wenn alles schlecht ist“, sagt auch Jonathan Del Arco (der den Ex-Borg Hugh spielt).
Diese Hoffnung bekommt Picard, der die Zeit seit seinem Ausscheiden aus der Sternenflotte auf einem französischen Landsitz verbrachte, durch eine Begegnung, die eine alte Emotion weckt: Die mit der rätselhaften Dahj, gespielt von Isa Briones. „Sie braucht ihn“, sagt Stewart. „Und das war immer sein Leben an Bord der Enterprise."
Hoffnung, die auch im echten Leben willkommen ist. Der Grund für Picards Exil wird in den Gesprächen mit Darstellern und Produzenten nur angedeutet: Es geht demnach aber um Flüchtlinge beziehungsweise Migranten, natürlich Außerirdische.
Ein sehr heutiges Thema. Die Welt habe auch auf die Rückkehr Picards gewartet, wirft Jonathan Del Arco ein. „Ernsthaft: Zu wem kann man heute aufschauen, außer Greta und – im Fernsehen – Picard? Die Menschen brauchen das.“
„Ich bin ein großer Fan von Greta Thunberg“, sagt Stewart. „Sie ist eine bemerkenswerte junge Frau. Ihr Mut, ihre Zielgerichtetheit, ihre Hartnäckigkeit. Und ihr Humor. Wir leben in diesen dunklen Zeiten. Aber eine solche Person kann eine Kerze anzünden. Und dann beginnt das Licht zu flackern, obwohl man schon dachte, dass es für immer erlöschen würde.“
Nummer eins, sitz!
Aber neben den ernsten Untertönen – rot brennen die Laser im Trailer, düstertraumhaft ist die Begegnung Picards mit Data – gibt es auch viel Fan-Service, also augenzwinkernd verspielten Umgang mit den beliebten und bekannten Elementen.
So nennt Picard im Trailer seinen Hund „Nummer eins“ - wie einst seinen ersten Offizier Riker. „Sitz!“
„Der lustigste Moment für mich war“, sagt Stewart mit einem Lachen, „als Picard sagt: ,Ich habe Science Fiction nie wirklich gemocht’.“
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