"Safari": Menschenfilm mit Tieren

Szenenfoto aus Ulrich Seidls neuem Film "Safari".
Der österreichische Regisseur Ulrich Seidl über Hobby-Jagdtouristen in Afrika.

Familienfoto mit totem Tier. Zuerst wird das Blut weggewischt, dann der Kopf des Zebras formschön drapiert. Mama und Papa gratulieren ihren Kindern. Guter Schuss, Waidmanns Heil.

"Safari" nennt Ulrich Seidl seine Doku, die Mittwoch Abend ihre KURIER-Premiere hat (Kinostart: Freitag). Darin beobachtet Seidl Jagdtouristen in Südafrika und Namibia, wie sie auf Jagdfarmen Tiere schießen.

Ein Gespräch über Jagdlust, Jagdtrieb und Pinkeln im Stehen.

KURIER:War es schwierig, Menschen zu finden, die vor laufender Kamera über ihr Hobby der Großwildjagd sprechen und in Afrika Tiere schießen?

Ulrich Seidl: Jagd und Jägerei haben in der medialen Öffentlichkeit ein schlechtes Image, doch Jagdfarmen und Trophäenherstellung sind ein weltweites Geschäft. Natürlich ist es nicht leicht, Leute zu finden, die offen darüber reden. Doch es gibt Menschen, die voll davon überzeugt sind – anders würde es nicht gehen.

Es gab bereits im Vorfeld Ihres Films Kontroversen.

Es gibt extreme Jagdgegner und Tierschützer, und es gibt Jäger, die zu dem, was sie tun, stehen und es auch vertreten. Insofern ist eine öffentliche Diskussion sehr gut vorstellbar. Aber dazu ist der Film ja da – dass man sich selber fragt: "Wo stehe ich?"

Und wo stehen Sie?

Ich habe keine vorgefasste Meinung, wenn ich an ein Projekt herangehe. Ich sage nicht: "Ich mache als Jagdgegner einen Film über die Jagd." Das fände ich falsch. Meine Position ist die, dass ich mich dafür interessiere. Für mich ist die Jagd ein Thema, um über das Menschliche Fragen zu stellen. Ich wollte wissen: Warum fahren Menschen nach Afrika und erlegen Tiere im Urlaub? Was empfinden sie, welche Überzeugung haben sie? Ich glaube, es ist dem Film gelungen, das zu zeigen.

Haben Sie Antworten auf all diese Fragen gefunden?

Keine schlüssigen, und es gibt auch nicht nur eine Antwort. Aber der Jagdtrieb ist sicherlich im Menschen angelegt. Nicht in allen, aber vor allem in Männern. Die Jagdlust ist etwas, was Menschen antreibt. Für mich ist immer die Frage, zu welchem Zweck man Tiere tötet. Ich bin nicht prinzipiell dagegen. Wenn es zur Ernährung verwendet wird, wird ein Tier getötet, ein Fisch gefangen. Aber wenn man ein Jagdgegner ist, muss man im selben Atemzug auch ein Gegner der Massentierhaltung und der Massenschlachtung sein. Sonst ist man einseitig und verlogen, denn das ist die ärgste Tierquälerei, die man sich vorstellen kann. Dagegen ist die Jägerei harmlos.

Die Hobbyjäger empfinden starke Gefühle bei der Jagd ...

Ich wusste auch nicht, was in einem vorgeht, wenn man die Absicht hat, ein Tier zu schießen. Da ist zuerst diese unglaubliche Anspannung, bis man schießt, und danach folgt eine Art Erlösung. Das war schon eigenartig. Und dass man sich gegenseitig gratuliert und als Sieger fühlt, wo es doch gar keinen Zweikampf gegeben hat ... das alles war für mich neu. Ja, es ist offensichtlich so ein Trieb, ein Instinkt, als Mensch seine Macht auszuüben.

Im Film wird auch angesprochen, dass ein Tier "erlegt" und nicht "getötet" wird.

Es gibt im Deutschen – und zwar eigenartigerweise nur im deutschen Sprachraum – eine Art Jägersprache, die die Dinge nicht beim Namen nennt. Das Tier ist das "Stück", das Blut ist der "Schweiß". Wie das entstanden ist, weiß ich nicht, aber es soll offensichtlich versachlichen, damit man keine Nähe zu dem Tier verspürt.

In "Safari" jagen sowohl Männer als auch Frauen. Haben Sie einen Unterschied bemerkt?

Die Emotionen der beiden Frauen, die vorkommen, unterscheiden sich nicht von den Männern. Ich weiß natürlich, dass die Jägerei hauptsächlich ein männliches Handwerk ist. In Österreich gibt es den Spruch: "Was nicht beim Stehen pinkeln kann, hat im Wald nichts zu suchen." Das sagen manche Jäger zum Thema Frauen. Aber für mich gibt es keinen Unterschied – und es hat mich nicht überrascht. Ich glaube nicht, dass Frauen die besseren Menschen auf der Welt sind (lacht). Aber es wäre gut, wenn Frauen mehr auf der Welt mitreden könnten ...

Sie sagen immer, dass Sie zu Ihren Protagonisten eine Form der Nähe spüren. Hier auch?

Das ist immer sehr unterschiedlich. Nähe heißt nicht unbedingt Sympathie, sondern dass man eine Verbindung zu ihnen hat, in irgendeiner Form. Weil ich will ja niemanden hinters Licht führen. Aber nicht alles ist mir sympathisch. Ich selbst würde keine Tiere schießen, aber ich muss nicht die Meinung der Protagonisten teilen. Man dreht nicht nur mit Menschen, die man gern hat.

In Ihrem Film kommen ausschließlich weiße Menschen zu Wort – die Farmbetreiber und die Touristen. Warum fragen Sie nicht auch die Schwarzen?

Warum sollte ich das tun?

Weil es interessant gewesen wäre zu hören, was sie zu sagen haben.

Sie haben nichts zu sagen.

Woher wissen Sie das, wenn Sie sie nicht fragen?

Ich kenne Afrika, und vor allem Kenia, und ich kenne die Verhältnisse dort. Es sind Geldverhältnisse: Die weißen "Herren" besitzen das Geld, die anderen nichts. Und der Film zeigt das Verhältnis genauso, wie es ist: Die einen schaffen an, die anderen haben nichts zu sagen. So ist das. Und ich finde, dem werde ich gerecht. Ich finde nicht, dass ich Gegenüberstellungen machen muss. Das habe ich noch nie gemacht, und das finde ich als Film auch nicht interessant. Im übrigen würden die schwarzen Arbeiter auch nichts sagen, selbst wenn man sie fragt. Sie sind viel zu eingeschüchtert.

Wenn man den Menschen keine Stimme gibt, dann haben sie auch keine. Man bildet die Welt nicht nur ab, man konstruiert sie im Film ja auch – finden Sie nicht?

Ich mache das so, weil ich die Welt so begreife, wie ich sie selbst erlebe. Nicht, weil ich ein Konzept habe. Wenn ich das Gefühl hätte, die Schwarzen müssten etwas sagen, dann hätte ich es so gemacht. In meiner Doku "Die letzten Männer" kommen auch asiatische Frauen vor, die nichts sagen. Es reden nur die Männer. Das ist ein filmisches Mittel, und ich bin nicht verpflichtet, eine Reportage zu machen, in der Leute abwechselnd reden.

Unterscheiden sich die Reaktionen der Europäer von denen der Amerikaner auf "Safari"?

Ich habe noch keinen Vergleich, aber bis jetzt hat kein US-Verleiher den Film gekauft. Offensichtlich haben sich die Verleiher den Film nicht mal bis zu Ende angesehen und sagen "Hände weg". In Europa passiert das nicht, und diese Reaktion der Amerikaner hat mich überrascht. Ein Land voller Gewalt ...(lacht) ... versteht man das?

Was ist das Argument? Dass man das den Zusehern nicht zumuten kann?

Ja, und das finde ich lächerlich. Der Zuschauer hat selbst Verantwortung, und ich verstehe nicht, warum beispielsweise Fernsehredakteure eine Art Vorzensur ausüben. Man will Dinge gar nicht wissen, also schaut man nicht hin. So wird man auch nie etwas ändern.

Sie haben auch schon einen Film über "Tierische Liebe" gemacht, jetzt "Safari". Was ist Ihr Interesse am Verhältnis der Menschen zu den Tieren?

An dem Verhalten der Menschen zum Tier kann man viel über Menschen erzählen. Das interessiert mich. Es sind ja beides keine Tierfilme, sondern Menschenfilme.

Kommentare