Rolling Stones mit neuem Album: Bluesmissionare

Mick Jagger
Mit dem Cover-Album "Blue & Lonesome" kehren sie zurück an ihre Anfänge.

Auf der Zielgeraden ihre Karriere werden die Rolling Stones – früher berüchtigt für ihre gemächliche Arbeitsweise – plötzlich fleißig. Eben ist der Live-Mitschnitt "Havanna Moon" von ihrem Kuba-Besuch erschienen. Am 2. Dezember kommt "Blue & Lonesome", das erste neue Studio-Album seit elf (!) Jahren – ein Cover-Werk, eine Hommage an den Chicago-Blues. Und kommendes Jahr soll endlich das sagenumwobene Album mit neuen Songs fertiggestellt werden.

Mit "Blue & Lonesome" kehren die Stones zu den Anfängen ihrer Karriere zurück. Sie arbeiteten wieder so wie damals – die Songs wurden weitgehend "live" eingespielt, die Sessions dauerten genau drei Tage.

"Das bringt uns zurück an den Beginn", sagt Keith Richards. "Es fühlt sich an wie ein Déjà-vu. Manche dieser Songs haben wir seit 1962 oder 1963 nicht mehr gespielt. Aber meine Finger können sich noch daran erinnern." Auch Mick Jagger erinnerte sich im Zuge der Aufnahmen wieder an die alten Tage: "Das war eine ganz andere Art von Musik als der süßliche Pop, der damals zu hören war." Jagger fühlte sich sofort zu dieser Musik hingezogen. "Für meine Generation war der Blues das, was für die weißen Jugendlichen von heute der Rap ist – sehr weit weg von deinem eigenen kulturellen Background."

Charlie Watts war damals ein Jazz-Schlagzeuger, aber dem Blues gegenüber aufgeschlossen: "Wenn du Jazz spielst, spielst du auch Blues." Das Album sei eine Hommage an ihre Helden, erklärt Mick Jagger. "Sie waren der Grund, warum wir eine Band gründeten. Wir waren Blues-Missionare. Im Grund genommen sind wir das immer noch."

Auffällig an den Stones-Aufnahmen der (eher weniger bekannten) Blues-Standards ist Mick Jaggers Mundharmonikaspiel. Jagger: "Ich spiele privat nicht oft Mundharmonika, ich bin eher faul. Hätte ich geahnt, dass ich jetzt so viel spielen musste, hätte ich geübt." Den Mangel an Übung hört man nicht – Jaggers Spiel ist beeindruckend. "Mick ist der letzte, der so Blues-Mundharmonika spielen kann", ergänzt Keith Richards. "Die Leute vergessen oft, was für ein ernst zu nehmender Musiker er ist." Und Produzent Don Was sagt: "Ich glaube, viele Menschen wissen gar nicht, dass er einer der ganz großen Blues-Harp-Spieler ist."

Neue Songs

Das Blues-Album entstand zufällig, als die Stones sich auf die Aufnahmen ihres nächsten Albums mit eigenen Songs vorbereiteten und zum Aufwärmen ein paar Standards spielten. Die Platte könnte 2017 fertig werden. "Aktuell werden die neuen Sachen von den Blues-Songs in den Hintergrund gedrängt", sagt Gitarrist Ron Wood gegenüber dem Magazin Classic Rock. "Aber wir werden den Faden auf jeden Fall wieder aufnehmen."

Das neue Rolling-Stones-Album erinnert an ihr allererstes: Es besteht nur als Blues-Covers. Geboten werden gar nicht einmal so bekannte Stücke von Howlin’ Wolf, Jimmy Reed oder Willie Dixon. Bemerkenswert: Die Stones klingen heute wesentlich dreckiger und ungehobelter als 1962. Die neuen Aufnahmen sind garstig und unfrisiert, die Gitarren krächzen und quietschen, Mick Jaggers Mundharmonika jault und bellt. Höhepunkte des Albums sind die drei langsamsten Stücke "Blue & Lonesome", "Little Rain" und "I Can’t Quit You Baby": Mick Jagger, gepeinigt von Liebesqual und Gamsigkeit, heult verzweifelt den Mond an, während sich die Gitarren waidwund dahinschleppen.

Das Live-Album "Havanna Moon" zeigt das historische Konzert der Stones in Kuba, die Hits rocken mächtig, Vergleiche mit YouTube-Mitschnitten legen aber den Schluss nahe: Hier wurde kräftig nachgebessert.

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