Es gibt weniger überraschendere Paarungen: Clemens Hellsberg, langjähriger Philharmoniker-Vorstand, hat eine Biografie über Peter Schröcksnadel, den ehemaligen ÖSV-Präsidenten, geschrieben. Unterstützt hat ihn dabei Josef Metzger, jahrzehntelang Sportjournalist bei der Presse. Der KURIER hat den Künstler und den Ex-Ski-Präsidenten zum Interview getroffen. Gleich vorweg: Schröcksnadel hat das Buch vor der Drucklegung nicht gelesen. Er hat keinerlei Korrekturen angebracht.
KURIER:Herr Schröcksnadel, was sagen Sie zu dem Buch?
Peter Schröcksnadel: Ich hab’ Clemens meine Freundschaft angeboten.
Clemens Hellsberg: Und ich habe gesagt: Das ist mir eine Ehre.
Sie haben einander vor 16 Jahren anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Österreichischen Skiverbandes kennengelernt.
Hellsberg: Du hast gesagt: bester Alpinverband der Welt.
Schröcksnadel: Ja, und dass wir auch von der Kulturseite die Besten brauchen. Also die Philharmoniker.
Herr Hellsberg, Sie haben dort eine Rede gehalten. Über Bruckner und die Streif.
Hellsberg: Ja, ich wollte zuerst nicht, denn ich war nie ein guter Skifahrer. Aber Peter Schröcksnadels Hartnäckigkeit hat mich umgestimmt. Ich war ein bisschen verzweifelt. Er hat keine Ruhe gegeben.
Schröcksnadel: Geduld hab’ ich keine, aber ich bin sehr ausdauernd.
Wie war Ihre erste Begegnung? Hatten Sie das Gefühl, Sie kommen aus verschiedenen Welten?
Schröcksnadel: Na, i ned.
Hellsberg: Wir waren einander sofort vertraut. Unsere Metiers sind beide nonverbale Kommunikationsformen.
Eine sehr nüchterne Einschätzung von Kunst und Sport. Gibt’s auch eine emotionalere? Was ist mit Sex, Drugs und Rock’n ’Roll?
Hellsberg: Das nicht, aber beide stehen wir in der Öffentlichkeit, doch das ist nicht einmal ein Prozent der Arbeit. Der Großteil, das Training, das Proben, spielt sich hinter den Kulissen ab. Und beide versuchen wir, die eigenen Grenzen immer weiter zu verschieben.
Schröcksnadel. Rock ’n’ Roll passt bei mir aber schon auch.
Herr Schröcksnadel, Sie haben als Kind Geige gespielt.
Schröcksnadel: Ja, und Klavier und Schlagzeug. Rock ’n’ Roll.
Ihr Onkel, Josef Schröcksnadel, war Geiger und erster Konzertmeister des Mozarteum Orchesters.
Hellsberg: Und er hat mit 18 Jahren beim allerersten Konzert des damals 20-jährigen Karajan gespielt.
Schröcksnadel: Leider hat mich die klassische Musik nicht so begleitet, wie sich mein Vater, der selbst Cello gespielt hat, das gewünscht hätte. Jedes Mal, wenn klassische Musik im Radio gespielt wurde, hat er gerufen: Peter-Paul, hast du schon Geige geübt? Durch den Zwang wollt ich nimmer. Aber immerhin weiß ich heute, wie schwierig Geige ist. Wie im Skisport muss man, wenn man Weltklasse sein will, immer ans Limit gehen. Bei der Geige hab’ ich jedenfalls meine Grenzen erkannt. Ein Onkel Josef wäre nicht aus mir geworden.
Hellsberg: Ich habe meine Grenzen beim Skifahren erkannt, als ich einmal versehentlich auf eine FIS-Strecke geraten bin. Schrecklich.
Man hält selten Sportler-Biografien in der Hand, die dermaßen viel Kultur enthalten wie diese. Schiller, Goethe, Cervantes, Edgar Allen Poe ...
Schröcksnadel: Ich hab manche Stellen zweimal lesen müssen, um sie zu verstehen. Ich wusste nicht einmal, was ein Archetyp ist, als der ich da bezeichnet werde.
Ein Urbild, sind Sie das?
Schröcksnadel: Ich würd’ mich nicht so bezeichnen.
Hellsberg: Ich seh’ ihn so.
Herr Hellsberg attestiert Ihnen ja auch ein faustisches Gemüt. Einer, der immer auf der Suche ist. Passt das?
Schröcksnadel: Ich habe mich teilweise wiedererkannt.
Auch im Mephisto, der ja zum Faust dazugehört?
Schröcksnadel: Ja, schon.
Hellsberg: Insbesondere im Satz: Von allen Geistern, die verneinen, ist mir der Schalk am wenigsten zur Last. Aber vor allem ist Peter jemand, auf den man sich hundertprozentig verlassen kann. Er muss nicht immer alle Karten auf den Tisch legen, aber er spielt nie falsch. Auch wenn es Leute gibt, die das behaupten. Was er allerdings vor der Öffentlichkeit verbirgt, ist, dass er Empathie hat.
Herr Schröcksnadel, ist das so? Verbergen Sie Ihre Empathie? Aus Imagepflege?
Schröcksnadel: Na, mit Image hat das nix zu tun. Das ist halt ein modernes Wort, früher hat man Anteilnahme gesagt. Das hab’ ich seit dem Internat, das lernt man dort. Und weil ich das habe, schätzen mich die Sportler auch.
Schon im Kindergarten wurden Sie als Sonnenschein beschrieben, der empfindlich auf Kritik reagiert.
Schröcksnadel: Natürlich, das stimmt, aber ich zeig’s nicht.
Sie wissen, dass Sie in der Öffentlichkeit polarisieren?
Schröcksnadel: Ja. Des is mir wurscht.
Hellsberg: Da spricht der Mephistopheles.
Man hat Ihnen unter anderem vorgehalten, dass Sie viel Geld mit dem ÖSV gemacht haben. Dazu haben Sie gesagt: Ich war schon vorher reich.
Schröcksnadel: Ja, freilich. Als ich den Skiverband übernommen habe, war er pleite. Was hätte ich da profitieren sollen? Ich hatte selber genug Geld. Viele Kritiker sind zuerst einmal Neider.
Herr Hellsberg, ein Wort zu den Kritikern, etwa Nicola Werdenigg, die dem ÖSV Machtmissbrauch vorwarf.
Hellsberg: Ich habe mir das genau angeschaut. Das kommt ja auch alles vor im Buch.
Aber Herr Schröcksnadel kommt insgesamt gut weg.
Schröcksnadel: Ja, warum soll ich denn nicht gut wegkommen? Ich hab ja nix Böses gemacht!
Hellsberg: Ich habe mich sehr darum bemüht, das ganze Bild zu zeigen. Nicola Werdenigg kommt ausführlich in diesem Buch vor. In manchem habe ich ihr Recht gegeben, in manchem nicht. Ich habe mich als Philharmoniker-Vorstand viel mit der Vergangenheit des Orchesters auseinandergesetzt und viele Artikel über Herbert von Karajan geschrieben. Es wäre mir nicht eingefallen, seine NS-Vergangenheit unter den Tisch zu kehren. Denn er war eine derartige Größe, man wäre ihm nicht gerecht geworden, hätte man das nicht geschrieben.
Welche Absicht verfolgen Sie mit diesem Buch?
Hellsberg: Ich wollte nicht in erster Linie über den Präsidenten des Skiverbandes schreiben. Mich hat der Mensch Peter Schröcksnadel fasziniert. Es wurde ja viel Blödsinn über ihn geschrieben.
Zum Beispiel?
Hellsberg: Dass der Peter ein Machiavellist sei. Das stimmt nicht.
Schröcksnadel: Der Machiavelli schreibt ja, dass man die schlimmen Dinge immer gleich am Anfang machen muss. Ich habe die schlimmen Dinge gar nicht gemacht, ich habe immer nur versucht, zu verbessern.
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