Er ist ein technisches Wunderwerk: Er kann sich in alle Richtungen bewegen, die Augen schließen und rollen, den Mund mit Zähnen öffnen. Und was das Erstaunlichste ist, er kann, so scheint es, seine Mimik verändern. Er kann sein friedliches Gesicht in das eines lüsternen Frauenverächters und durch Lichteffekte sogar in eine grelle Fratze verwandeln.
Die riesige linke Hand umfasst einen Ballon, in dem Gilda total verliebt ihr "Caro nome" singt und dabei symbolhaft hoch in den Himmel schwebt, wobei der Clownkopf ihr verzückt nachblickt. Aus dem Ballon heraus wird sie waghalsig entführt und mit einem Stuntakt mittels Schwebeseil heruntergeholt.
Philipp Stölzl, er ist auch als Filmregisseur bekannt (etwa "Der Medicus" und aktuell "Die Schachnovelle"), hat dieses Wunderwerk als Bühnenbildner gemeinsam mit Heike Vollmer erdacht und ihm heuer noch einen Feinschliff verpasst, manches noch plastischer herausgearbeitet. Er lässt den Plot stets vibrierend, grotesk und grell im Zirkusmilieu spielen. Der Herzog mit Peitsche ist Zirkusdirektor, sein Hofstaat sind Artisten, teils mit Affen- und anderen Tierköpfen.
Wasser aus den Augen
Spektakulär, mit gruseligen Lichteffekten und Wasser, das aus den Augenhöhlen des Kopfes strömt, sieht man die nächtliche Gewitter- sowie vielen andere Stuntszenen (Wired Aerial Theatre). Aber es gelingen dem deutschen Regisseur auch durchaus Momente eines intimen Kammerspiels.
Long Long singt den Herzog mit etwas larmoyantem Tenor aber müheloser Höhe, bei dessen Ohrwurm "La donna è mobile" Frauen mit unzähligen Brüsten ziemlich plakativ zappelnd herumschweben. Vladimir Stoyanov in der Titelrolle im Clownkostüm singt mit kernigem Bariton, hat aber leider fallweise Intonationsprobleme.
Ekaterina Sadovnikova singt die Gilda mit glasklarer Höhe, großer Innigkeit und flexiblen Koloraturen. Katrin Wundsam ist eine dunkelgefärbte Maddalena, die Sparafucile anfänglich als Zielscheibe für seiner Messerwürfe verwendet. Dieser wird von Levente Páll, etwas plakativ mit einem Totengerippe-Kostüm ausgestattet, sehr profund gesungen. Auch die kleineren Rollen, wie auch der Prager und Bregenzer Festspielchor singen tadellos.
In guten Händen
Die überreichen, melodischen Erfindungen von eingängiger Schlagkraft sind bei den Wiener Symphonikern unter Julia Jones in guten Händen, wobei - abgesehen von einigen Unsicherheiten mit der Bühne - sehr kontrastreich musiziert wird. Bei manchen Szenen hätte man sich allerdings noch mehr Verve gewünscht. Trotz Wetterleuchten über dem Bodensee hielt das Wetter und der Abend blieb lau.
Stark war der Applaus. Für nächstes Jahr wird übrigens Puccinis "Madama Butterfly" auf der Seebühne sowie Giordanos Rarität "Sibirien" im Festspielhaus angekündigt.
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