Auftakt mit „Rheingold“. Und im Gegensatz zum Vortag fliegen bei diesem Vorabend keine Bienen oder Schwerter durchs Haus, das Theater findet ausschließlich auf der Bühne statt, wie klassisch und doch aufregend. Und nicht minder zeitgemäß als das augmentierte Spektakel, weil Schwarz die Geschichte wie eine moderne Familiensaga im Streaming-Zeitalter entwickelt. Bei den Göttern sieht es aus, als wäre „Derrick“ neu aufgelegt, stundenlang wird im Wohnzimmer von Wotan verhandelt. Die Riesen könnten direkt aus den „4 Blocks“ kommen, Berliner Kriminellenmilieu. Und Alberich stiehlt das Gold aus einem Pool, der vor einer Kulisse wie in „Breaking Bad“ steht.
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Der Sündenfall
Streng genommen stiehlt er kein Gold, sondern wesentlich Wertvolleres, er entführt nämlich ein Kind, das sich später als Hagen herausstellen wird. Der Mini-Hagen ist aber auch schon böse und wird auf Waffennarr gedrillt.
Wotan und Alberich sind Zwillinge, schon im Uterus balgen sie sich, und der Göttervater wird am Auge verletzt – eine weitere Neudeutung. Was die Personenführung betrifft (tags zuvor kaum vorhanden), arbeitet Valentin Schwarz noch präziser als im Vorjahr. Wotan ist ein gelangweilter Patron im Tennis-Outfit, Donner spielt Golf, Loge ist der überdrehte, outrierende Familienanwalt, die Rheintöchter sind Dienstmädchen, die auf die Kinder aufpassen.
Diametral anders als bei „Parsifal“ ist aber leider auch die orchestrale Gestaltung, was zeigt, dass es bei Oper immer noch primär um die Musik geht. Wenn die nämlich schon beim Pilot-Film wie diesmal derart abfällt, ist es sehr traurig. Im vergangenen Jahr war Cornelius Meister als Dirigent eingesprungen und hatte nach nur kurzer Probenzeit heftige Schelte einstecken müssen.
Diesmal steht der schon für die Premiere geplant gewesene Dirigent am Pult, der Finne Pietari Inkinen. Er hetzt durch die Partitur, teils im Chaos, teils respektlos, eine einzige Szene (jene mit der exzellenten Okka von der Damerau als Erda) ist schön zelebriert. Während des restlichen Abends blüht der Klang des so tollen Orchesters nie auf, die Zwischenspiele sind kaum existent, die Koordination ist ein Problem. Eines derart stichhaltigen Beweises, dass ein Opernabend mit der Musik steht und fällt, hätte es gar nicht bedurft.
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Die Sänger
Gesungen wird mächtig und erstklassig von Olafur Sigurdarson als Alberich und von Tomasz Konieczny als Wotan. Christa Mayer ist eine gute Fricka, Hailey Clark eine weit weniger präsente Freia, Arnold Bezuyen ein schriller Mime, Raimund Nolte ein solider Donner, Attilio Glaser ein Froh mit viel Luft nach oben und Daniel Kirch ein Loge, der durchgehend wie eine Parodie wirkt. Auch die Riesen (Jens-Erik Aasbø als Fasolt und Tobias Kehrer als Fasolt) könnten kräftiger besetzt sein. Schön singen die Rheintöchter.
2024 mit Philippe Jordan am Pult wird’s wohl wesentlich besser.
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