Regisseurin Spreitzhofer über #MeToo: "Es haben praktisch alle gewusst"

Regisseurin Eva Spreitzhofer
Die Filmemacherin bestätigt die drei #MeToo-Fälle von "Corsage"-Regisseurin Marie Kreutzer: "Das Wichtigste ist, dass wir nicht mehr relativieren."

Am Donnerstag hat Marie Kreutzer mit einem emotionalen Appell beim Österreichischen Filmpreis aufhorchen lassen. Die "Corsage"-Regisseurin mahnte eine Kultur der Offenheit in der Filmbranche im Umgang mit Übergriffigkeiten und Missbrauch ein. Sie nannte drei neue, anonymisierte #MeToo-Fälle. Filmemacherin Eva Spreitzhofer sprang der Kollegin am Freitagabend in der ORF-2-Diskussionsrunde "3 am Runden Tisch" bei.

"Das Schockierende war, dass nachher fast niemand gesagt hat: Wer war es? Weil es praktisch alle gewusst haben", berichtete Spreitzhofer vom Filmpreis, wo sie die Ehrung für den publikumsträchtigsten Film "Griechenland" entgegengenommen hatte. Kreutzer hatte in ihrer Rede drei anonyme Beispiele genannt. So habe ein Filmemacher als "Penisdouble" für einen Darsteller fungiert, der die Oralsexszene mit einer Kollegin nicht realistisch genug darstellen wollte.

"Diese Personen arbeiten alle noch"

Weiters soll in einem anderen Fall ein Darsteller vor der Maskenbildnerin onaniert haben sowie ein anderer Darsteller für eine Hauptrolle verpflichtet worden sein, obwohl eine gerichtliche Wegweisung gegen ihn vorgelegen habe. "Diese Personen arbeiten alle noch", beklagte Spreitzhofer. Die Reaktion von Produzentenseite sei eher, eine betroffene Garderobiere durch eine "robustere" zu ersetzen, als den Star zur Rechenschaft zu ziehen.

Anlass der von Patricia Pawlicki geleiteten Diskussionsrunde mit dem Musiker Christian Kolonovits als drittem Beteiligten war die aktuelle Debatte um die deutsche Band Rammstein, gegen deren Leadsänger Till Lindemann mehrere Frauen den Vorwurf der sexuellen Übergriffigkeit erheben. "Sie sind sicher eine Band, die dazu beiträgt, Gewalt an Frauen zu normalisieren und zur Akzeptanz zu bringen mit ihren Texten", zeigte sich Spreitzhofer überzeugt.

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Da gehe es dann letztlich auch nicht zwingend um Fragen der Straffälligkeit, sondern um eine gesellschaftliche Haltung gegen ein System. Und wenn man sich die Entwicklungen der vergangenen Jahre ansehe, seie es "umso erstaunlicher, dass der Aufschrei bei Rammstein nicht viel, viel größer ist." "Das Wichtigste ist, dass wir nicht mehr relativieren", so Spreitzhofers Conclusio.

Kolonovits pocht auf Unschuldsvermutung

Auf die Unschuldsvermutung auch für Rammstein pochte indes Kolonovits, der auf jahrzehntelange Erfahrung mit Konzerttourneen im Popbusiness verwies: "Ich habe nie erlebt, dass sich irgendwer hinter der Bühne einem Mädel sexuell genähert hätte." Gerade in der Austropopszene habe er dergleichen nie bemerkt. Zentral sei in der aktuellen Diskussion nun vor allem eines: "Es geht darum, dass man diesen Machtwahn einmal ausspricht."

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Dies will auch eine weitere Diskussionsrunde in ORF 2 tun, wenn am Sonntagabend Tarek Leitner ab 22.10 Uhr bei "Im Zentrum" eine illustre Runde zur Debatte über "Drogen, Sex und Machtmissbrauch - Starkult mit Abgründen?" begrüßt. Angekündigt sind der einstige Rammstein-Videoproduzent Rudi Dolezal, die Journalisten Samir Köck und Alexandra Stanić, der Ethiker und Theologe Ulrich Körtner sowie die Frauensprecherin der Grünen, Meri Disoski.

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