Quer durch den Führersalon zum Eisbären mit den roten Augen
Jetzt hat sich, nach der Staatsoper, auch das Volkstheater zum Museum erklärt – und Direktor Kay Voges lädt zum logistisch aufwendigen Rundgang durch das frisch ertüchtigte Hauptgebäude. Tief unten im Keller stößt man u.a. auf den Stern, der einst, von Michael Schottenberg gehisst, für Erregung sorgte.
Museale Exponate oder eine Zeitreise in die glorreiche Vergangenheit stehen allerdings nicht im Zentrum: „Black Box“ von Stefan Kaegi, Mitbegründer der Gruppe Rimini Protokoll, ist definitiv eine Inszenierung. Eine ziemlich ausgetüftelte, ja sogar raffinierte. Und auch eine, die zum Nachdenken anregt.
Denn man folgt – erschreckenderweise – bedingungslos allen Anweisungen, die man von Bettina Lieder über Kopfhörer erhält. Und man redet sich alsbald die Sache schön. Denn wenn man sich nicht fügte, brächte man die anderen „Mitwirkenden“ um ihren Genuss. Der Untertitel „Phantomtheater für 1 Person“ führt daher völlig in die Irre: Diese 90-minütige Inszenierung braucht, wie jede herkömmliche, den Zuschauer und auch den Akteur. Nur dann kann sie funktionieren.
Den Audio-Guide und weiße Handschuhe – man muss andauernd Klinken drücken – erhält man hinter dem Foyer an der nagelneuen, kipferlförmigen Garderobe. Im Fünfminutentakt werden die Erlebnishungrigen auf die Expedition geschickt. Pro Spieltag macht das etwa 50 Besucher. Und 18 sind zeitgleich unterwegs; manche von ihnen sieht man in der Ferne um die Ecke biegen. Treppauf und treppab geht es zur Anprobe und in den Kühlraum, zum Inspizientenpult und in den Souffleurkasten. Die „Requisite“ wurde eigens eingerichtet. Man lernt zu schauen – und freut sich wie ein Kind, wenn plötzlich eine künstliche Blume erblüht oder, wie in der Geisterbahn, die Augen des mächtigen Eisbären zu leuchten beginnen.
Doch die „Black Box“ ist nicht bloß eine Aneinanderreihung von Stationen, bei denen man, wie früher in den Kopfhörer-Reportagen, semidokumentarisch Wissenswertes erfährt: Quasi nebenbei verfolgt man die Entstehung einer Produktion. So hört man zunächst im vertäfelten Führersalon, heute „Sitzungszimmer“ genannt, einen Dialog zwischen einer Dramaturgin und einem Mann, möglicherweise Kaegi, über das Modell für ein Bühnenbild, das auf dem Tisch steht. Es wird für einen Aha-Effekt sorgen. Später, in die Rolle des Schauspielers, geht man in die Maske – und noch schnell aufs Klo. Ein Tschick im Raucherzimmer nebenan ist allerdings nicht vorgesehen.
Den Schlusspunkt bildet die Rote Bar. Man konstatiert, dass sie ihren Charakter ziemlich geändert hat. Und hofft, dass sie bald einmal in Betrieb geht.
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