Volkstheater startet in erste Voges-Spielzeit: Von Jandl bis Meese
Vier Uraufführungen, fünf Premieren, sieben Wien-Premieren, eine Österreichische Erstaufführung und eine "Universums-Uraufführung": Am 8. Jänner eröffnet das frisch sanierte Volkstheater Wien. Am heutigen Montag gab Neo-Direktor Kay Voges per Aussendung das Programm bis zum Sommer bekannt. Den Auftakt macht Ernst Jandl, Highlights sind u.a. neue Werke von Jonathan Meese und Lydia Haider sowie Wien-Premieren von Florentina Holzinger oder Susanne Kennedy.
Als künftige Spielstätte fungiert neben dem Haupthaus - wo auch Konzerte stattfinden werden - auch die "Dunkelkammer" unter dem Dach, im Volx Margareten ist nur eine Produktion geplant, während insgesamt vier Bezirks-Produktionen auf dem Programm stehen. "Ich lade Sie herzlich ein zu einer gemeinsamen Suche, durch gegenwärtige oder neu gelesene Dramatik, zu Grenzgängen zwischen Darstellender und Bildender Kunst, zu musikalischen und choreografischen Produktionen, zu diskursiven und partizipativen Formaten, zur lustvollen Auseinandersetzung mit unserer Zeit", so Kay Voges in der Presseunterlage.
Auftakt mit Ernst Jandl
Den Auftakt macht am 8. Jänner Ernst Jandls "Der Raum", ein "szenisches Gedicht für Beleuchter und Tontechniker". Laut Voges ist es "absolut Quarantäne-freundlich", wie er gegenüber der APA sagte. Der erste Abend werde "eine schöne Meditation zur Eröffnung des neuen Hauses", wobei Jandls kurzes Stück gleich mehrfach hintereinander zu erleben sein wird. In den daran anschließenden Tagen folgt ein Premierenreigen. Den Auftakt macht das Kollektiv Rimini Protokoll mit "Black Box. Phantomtheater für eine Person" am 9. Jänner, in der im Fünf-Minuten-Takt jeweils ein Zuschauer (mit einem Kopfhörer ausgerüstet) auf einen Rundgang geschickt wird. Tags darauf folgt die Wien-Premiere von Kay Voges' Dortmunder "Theatermacher"-Inszenierung aus dem Jahr 2018. Am 14. Jänner steht Susanne Kennedys Tschechow-Bearbeitung "Drei Schwestern" auf dem Plan, deren Gastspiel mit "Ultraworld" bei den heurigen Wiener Festwochen aufgrund der Reisebeschränkungen ausfallen musste und mit der eine längerfristige Zusammenarbeit geplant ist. Wie die Kennedy-Inszenierung kommt auch Florentina Holzingers für Mai geplante (und für Wien adaptierte) "Etude for an Emergency" von den Münchner Kammerspielen.
Erste Uraufführung von Lydia Haider
Die erste Uraufführung trägt den Titel "1. Kreuz brechen oder Also alle Arschlöcher abschlachten": Der Text ist der erste Teil eines mehrteiligen Werks der neuen Hausautorin Lydia Haider, die im Sommer den Publikumspreis beim Bachmann-Wettlesen gewann und deren Stück "Am Ball" im Dezember im Schauspielhaus Wien uraufgeführt wird. Die Inszenierung bestreitet Intendant Voges, Premiere ist am 16. Jänner. Eine Herausforderung, wie er zugibt: "Es ist ein Stück, das von den Regieanweisungen her einfach nicht spielbar ist. Da kommt Lydia Haider uns sehr in unserem Bestreben entgegen, herauszufinden, wie das unmögliche Theater möglich gemacht werden kann", sagt Voges im APA-Interview. Mit "Bliss. Mozarts finale Arie aus Die Hochzeit des Figaro als zwölfstündige Oper" von Ragnar Kjartansson im HD-Stream beschließt man dann am 17. Jänner die turbulente Eröffnungswoche.
Neues Ensemble
Das neue Ensemble umfasst in dieser Spielzeit 20 Schauspieler (und somit um fünf mehr als jenes von Anna Badora), ein überwiegender Teil ist dabei neu für das Wiener Publikum: Darunter findet sich mit Nick Romeo Reiman ein vor allem aus Filmen bekanntes Gesicht (u.a. "Türkisch für Anfänger"), Julia Franz Richter war zuletzt am Schauspielhaus Graz engagiert, Samouil Stoyanov an den Münchener Kammerspielen, er arbeitete aber in "Der Alte" oder "Soko München" auch fürs Fernsehen. Mit Anna Rieser kommt eine 2019 mit dem Nestroy als "bester Nachwuchs" ausgezeichnete Akteurin aus dem Landestheater Linz nach Wien. Sieben Schauspielerinnen und Schauspieler hat Voges aus Dortmund mitgebracht. Mit Claudia Sabitzer, Evi Kehrstephan, Stefan Suske und Günther Wiederschwinger bleiben dem Haus vier alte Bekannte erhalten, Doris Weiner ist nur noch dieses Jahr dabei. Für die kommende Saison hofft Voges, noch weitere vier neue Ensemblemitglieder aufzunehmen.
Importierte Arbeiten
Naturgemäß stehen in der ersten Spielzeit einige Voges-Arbeiten aus seiner früheren Wirkungsstätte, dem Schauspiel Dortmund, auf dem Plan. Nach dem "Theatermacher" in der Eröffnungswoche folgt im Februar Samuel Becketts "Endspiel", das Voges vor acht Jahren in Dortmund auf die Bühne gebracht hat. Eine frische Voges-Inszenierung gibt es dann im April, wenn der Intendant "Die Politiker" von Wolfram Lotz zur Österreichischen Erstaufführung bringt. "Seine Sprachkraft, seine Fantasie und sein Mut, das Kleinste mit dem Größten zu verknüpfen und das unmögliche Theater zu fordern, ist eine riesige Herausforderung für Theatermachende", freut sich der Direktor auf die Inszenierung.
Einen neuen Regisseur lernt das Volkstheater-Publikum am 30. Jänner bei der Premiere von "Einsame Menschen" von Gerhart Hauptmann kennen: Jan Friedrich studierte zeitgenössisches Puppenspiel in Berlin und arbeitet auch als Autor, Kostüm- und Bühnenbildner: "Es ist poppig, es ist queer, es ist sehr jung und gegenwärtig", verspricht Voges. Eine langjährige Zusammenarbeit mit Voges verbindet den Regisseur Sascha Hawemann, der im März eine Adaption von Dostojewskis Roman "Erniedrigte und Beleidigte" auf die Bühne bringen wird und in den kommenden Jahren noch weitere Dostojewski-Inszenierungen plant. Die Schweizer Regisseurin Claudia Bossard, die heuer schon "Das Werk" von Elfriede Jelinek im Kosmos Theater auf die Bühne gebracht hat, kommt ebenfalls im März mit "In den Alpen // Apres les Alpes (nach den Alpen)" mit einer Bearbeitung des Jelinek-Texts von Fiston Mwanza Mujila ("Tram 83") ans Volkstheater.
"KAMPF L.O.L.I.T.A. (EVOLUTION IST CHEF) oder L.O.L.I.T.A.D.Z.I.O. (Zardoz fliegt wieder!) oder L.O.L.I.T.A. DE LARGE (Das 3. Baby) oder DIE BARBARENLOLITAS (Kampf um Kunst) oder DR. ERZLOLITA DE L.O.L.I.T.A. (ZARDOZ LEBT) oder DIE ZARDOZLOLITAS (Keine Angst)"
Den verschwurbeltsten Titel liefert der bildende Künstler und Neo-Opernregisseur Jonathan Meese im März mit "KAMPF L.O.L.I.T.A. (EVOLUTION IST CHEF) oder L.O.L.I.T.A.D.Z.I.O. (Zardoz fliegt wieder!) oder L.O.L.I.T.A. DE LARGE (Das 3. Baby) oder DIE BARBARENLOLITAS (Kampf um Kunst) oder DR. ERZLOLITA DE L.O.L.I.T.A. (ZARDOZ LEBT) oder DIE ZARDOZLOLITAS (Keine Angst)", einer "Universums-Uraufführung". "Da können wir uns auf was gefasst machen", verspricht Voges.
Das Volx/Margareten wird im kommenden Jahr lediglich von einer neuen Produktion bespielt: Am 15. Jänner kommt dort "Humane Metholds [Exhale]" der Gruppe Fronte Vacuo zur Uraufführung, bei der der Mensch auf Algorithmen trifft. Die neue "Blackbox" unter dem Dach wird von zwei Wien-Premieren bespielt: Für das Frühjahr ist "Konstellationen" von Nick Payne angekündigt, im April steht "Uncanny Valley / Unheimliches Tal" von Thomas Melle und Stefan Kaegi und dem Rimini Protokoll auf dem Programm. Ansonsten soll die Spielstätte hauptsächlich als Probebühne genutzt werden.
Zwei Uraufführungen hält man für die Bezirke bereit, die Calle Fuhr als künstlerischer Produktionsleiter übernimmt und die in den Presseunterlagen als "der subversive Zwilling des Haupthauses" beschrieben werden. Auch in Zukunft sehe man die Aufgabe in den Bezirkstourneen darin, "mutig und zugänglich zu programmieren": Am 12. Februar feiert die "Die Recherche-Show" des Kreation Kollektivs in der Regie von Ed. Hauswirth Premiere, am 16. April folgt Fuhrs "Heldenplätze". Während es sich bei der Zusammenarbeit mit dem Theater im Bahnhof und der Rechercheplattform "Dossier" um eine "erlebbare Reportage" handelt, untersucht Fuhr in seinem neuen Stück anhand von Toni Sailer, was es für uns bedeutet, "wenn unsere Held*innen demaskiert werden?" Bevor Fuhr das Ruder übernimmt, soll aber noch die durch den aktuellen Lockdown verschobene Premiere von "Sechs Tanzstunden in sechs Wochen" in der Regie von Andy Hallwax mit Alexander Jagsch und Doris nachgeholt werden, die sich im Anschluss vom Volkstheater in die Pension verabschiedet.
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