Kay Voges will ein „Volkstheater für die digitale Moderne“

Der Überraschungsmann machte mit Thomas Bernhards „Der Theatermacher“ das Rennen: Kay Voges wechselt von Dortmund nach Wien
Neue Intendanz: Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler bestellte Kay Voges zum Volkstheaterdirektor ab dem Herbst 2020

Für die Direktion des Wiener Volkstheaters ab dem Herbst 2020 waren 72 Bewerbungen eingegangen. Bestellt wurde schließlich jemand, der das Haus mehr oder weniger nur vom Hörensagen kennt – und sich auch keine großen Gedanken machte oder gar ein Konzept formulierte: Donnerstagfrüh stellte Veronika Kaup-Hasler, die parteifreie Kulturstadträtin, Kay Voges vor, der seit 2010 das im Vergleich kleine Schauspiel Dortmund (60.000 Besucher im Jahr) leitet.

Erst vor zweieinhalb Wochen sei er, so Voges, von der Bestellungsjury gefragt worden, ob er sich nicht bewerben wolle – Monate nach Ende der Frist. Das tat er. Und die Kulturstadträtin jettete nach Dortmund, um sich dessen Inszenierung von Thomas Bernhards „Theatermacher“ anzusehen. Was sie sah, gefiel ihr, dass sie auch in ihrer Presseaussendung über die Maßen (und nicht verifizierbar) jubelte: Unter der Leitung von Voges sei das Schauspiel Dortmund von „Theater Heute“ gleich „dreimal zum Theater des Jahres, er selbst mehrmals zum Regisseur des Jahres gewählt worden“. Was tatsächlich stimmt: Voges wurde mit seiner umjubelten Inszenierung „Die Borderline Prozession“ zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Riesengroßes Theater

Voges stellte sich mit den Worten vor, dass er ein bisschen aufgeregt sei. „Es ist schon etwas Besonderes, in eine so theaterverrückte Stadt berufen zu werden für ein riesengroßes Theater.“ Dass er Intendant gerade des Volkstheaters – im Sinne von Theater für das Volk – werden darf, komme seiner Idee von Theater entgegen. Zwischendurch geriet er ein wenig durcheinander, er nannte sein künftiges Haus „Volksbühne“, korrigierte sich sogleich und betonte, es „im Geiste der Volksbühne“ (gelegen im ehemaligen Ost-Berlin) entwickeln zu wollen.

Er nahm das Wort „Arbeitertheater“ in den Mund und ihm fiel ein „Bild“ ein: Es werde unter seiner Intendanz an der Bar weniger Sekt aus dem Glas, sondern mehr Bier aus der Flasche geben.

Für ihn „als Piefke“ gebe es viel zu lernen – auch, wie Wien funktioniert. Grundsätzlich aber wolle er das Volkstheater zu einer „Factory“ machen, es solle ein „Diskurs- und Erlebnisraum“ werden, ein „Volkstheater für die digitale Moderne“. Die Ausstattung dafür sei allerdings noch nicht auf der Höhe der Zeit. Ziel sei trotzdem: „Das Volkstheater soll das fortschrittlichste Theater in ganz Österreich werden.“

Bekanntlich beginnt im Dezember die Funktionssanierung, die im Oktober 2020 abgeschlossen sein soll. Die Stadträtin kündigte an, dass die erste Saison der neuen Direktion aber wohl erst im Jänner 2021 starten werde.

Voges, 1972 in Düsseldorf geboren, erhält einen Fünf-Jahres-Vertrag; seine Stellvertreterin Mirjam Beck werde mit im Leitungsteam sein – wie auch der Komponist Paul Wallfisch, mit dem er im Dezember an der Burg die Endzeit-Oper „Dies irae“ zur Uraufführung bringt.

Inhaltlich politischer

Der designierte Direktor kündigte an, das Ensemble vergrößern und das Volkstheater als Haus der Gegenwartsliteratur, auch der österreichischen, verankern zu wollen: Er bezeichnete sich als „großer Verehrer von Elfriede Jelinek“ und nannte Werner Schwab. Und: Das Theater in den Außenbezirken werde weitergehen. Anna Badora sorgte mit ihrer politischen Programmierung, wie mehrfach berichtet, für massenweise Abo-Kündigungen; man steuerte daher mit einem moderaten Spielplan gegen. Und nun versprach Voges, dass es „inhaltlich politischer werden“ müsse in den Außenbezirken ... Aber er sei siegessicher: „Wir werden die Herzen der Wiener erobern!“

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