Im Spielplanheft der Burg ist eine durchaus konventionelle Inhaltsangabe abgedruckt: Die „Lebemänner“ Algernon und Jack würden „das Vergnügen“ lieben; um dieses mit den gesellschaftlichen Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen, hätten sie sich Lügen ausgedacht: Algernon besucht immer wieder seinen fiktiven Freund Bunbury auf dem Land – und Jack seinen Bruder Ernst.
Sie verlieben sich in Frauen, die partout einen Ernst heiraten wollen. Und weil sich beide Männer als Jacks Bruder Ernst ausgeben, nimmt „eine wilde Komödie um Mehrdeutigkeit der Sprache, Ernsthaftigkeit, Wahrheit und Lüge ihren Lauf“.
Doch die Vorfreude auf „The Importance of Being Earnest“, unter dem Titel „Ernst sein ist alles oder Bunbury“ angekündigt, war unangebracht. Ein Hinweis hätte unlängst das Interview im Burgtheater Magazin mit Mavie Hörbiger sein müssen. Die Schauspielerin bezeichnete die Idee, das Stück als „banale, flotte Tür-auf-Tür-zu-Verwechslungskomödie zu begreifen“, als die „schwere Immoralität unserer Zeit“.
Bitterböse Bonmots
Wegen „schwerer Immoralität“ war Oscar Wilde 1895, kurz nach der Uraufführung von „Bunbury“, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Doch bereits 2005 machte das Burgtheater die homosexuellen Anspielungen im Stück mehr als kenntlich – mit Elfriede Jelineks eindeutiger Fassung „Ernst ist das Leben (Bunbury)“.
Warum also nicht einfach die geschliffene Sprache von Wilde, die geistreichen Sätze wie bitterbösen Bonmots feiern? Und warum nicht lauthals und befreiend Lachen – nach einer Schließzeit von mehr als einem halben Jahr? Immerhin sagt ja auch Antonio Latella, der Regisseur, im Programmheft zu „Bunbury“, dass sich das Theater die Zeit nehme, „um Worte, um Sprache hörbar und sichtbar zu machen“, dass es „um gegebene, geschenkte Worte, um Geschichten“ gehe – das finde er „besonders schön“.
Für Schmunzeln bei der ersten Vorstellung – sie hätte bereits im November sein sollen – sorgte der Hinweis, „dass aufgrund der kurzfristigen Verschiebung des Premierentermins“ das italienische Leadingteam nicht zum Applaus erscheinen könne.
Der Rest war am Sonntag im Akademietheater schlicht deprimierend. Denn Latella wollte keine Geschichte erzählen; er wollte sie nur zerstören. Wenn es wenigstens einen Erkenntnisgewinn abgesehen von den „gay moments“ gegeben hätte. Aber nicht einmal das. Entdecken eben nun die jungen Frauen ihre Zuneigung zueinander. Andrea Wenzl zeigt als Cecily, wie durchtrainiert sie ist; und die Gwendolen der Mavie Hörbiger, ein grimassierendes Nervenbündel, rebelliert gegen ihre – Huch, wie Britisch! – Schreckschrauben-Mutter (Regina Fritsch).
Brillanter Butler
Im Gegensatz zu Tim Werths (Algernon) versucht sich Florian Teichtmeister (Jack) dem Konzept der schrillen Übertreibung mit ernsthaftem Spiel zu entziehen. Mehmet Ateşçi darf als Miss Prism eine tatsächlich hinreißende Gefühlsoperette intonieren, Marcel Heuperman brilliert als Butler im Frack, der die Szenenanweisungen von Wilde vorträgt. Denn auf Bühnenbilder und Requisiten verzichtet die Inszenierung im Großen und Ganzen: Geradezu ein Highlight ist die ferngesteuerte Maus (zu der sich später eine zweite gesellt), die natürlich Panik auslösen muss. Sie demonstriert die wahre Dimension.
Tatsächlich: Diese Produktion ist bloß eine schrille Nummernrevue – mit Glitzerkostümen, mit Charleston, Rave und Rockmusik, mit Tanz- und Gesangseinlagen. Mit affektiertem Geschrei und breit ausgewalzten Einfällen. Wirklich gefallen hat sie nur den im Publikum sitzenden Burgtheaterangestellten. Allen anderen blieb eher der Dialog im Gedächtnis: „Was machen wir nach dem Essen? Gehen wir ins Theater?“ – „Nein! Zuhören ist mir ein Gräuel.“
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