Opernstar Thomas Hampson: "Weltweite Polarisierung"
Wenn Thomas Hampson heute, Sonntag, auf dem Wiener Heldenplatz Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau" seine wohl unvergleichliche Stimme leiht, ist das für den amerikanischen Starbariton mit familiär starkem Österreich-Bezug mehr als nur ein Konzert. "Dieses ,Fest der Freude‘ ist auch ein sehr wichtiges politisches Statement", sagt Hampson im KURIER-Gespräch. Denn: "Wir gedenken an diesem Tag der Befreiung Europas von der NS-Herrschaft und wir denken an die Millionen Opfer, die dieses Terror-Regime auf dem Gewissen hat."
Zeitlose Mahnung
Geniale Aggressivität
Zur innovativen Musik des Beginns des vorigen Jahrhunderts hat Hampson überhaupt eine sehr innige Beziehung. "Komponisten wie Schönberg, Berg, Webern, Zemlinsky sind die logischen Nachfolger von Gustav Mahler, der mir bekanntlich sehr am Herzen liegt. Ihre Musik ist ebenso genial, nur ist sie teils viel aggressiver, weil sie in sehr aggressiven Zeit entstanden ist. Ich finde es erstaunlich, wie lebendig die gesamte Kunstszene damals war, welche Meisterwerke – nicht nur in der Musik – damals hervorgebracht wurden. Insofern müsste heutzutage die künstlerische Produktivität ebenso hoch sein, denn die Zeiten sind einander doch sehr ähnlich."
Ewiger Kampf
Zemlinsky, nämlich dessen "Lyrischer Symphonie", bleibt Hampson auch am 20. und 22. Mai im Wiener Konzerthaus treu, ehe er am 10. Juni im Burgtheater einer der vielen Stars beim traditionellen "Red Ribbon Celebration Concert" sein wird. "Das ist mit ein ganz großes Anliegen", so Hampson. "Ich kenne Gery Keszler schon seit Jahren und ich finde es beeindruckend, was er alles für die Bekämpfung von Aids getan hat. Der Life Ball war immer ein tolles Fest. Aber es geht um mehr. Es geht darum, diese Scheiß-Krankheit endlich zu besiegen. Das ist ein ewiger Kampf, und ich bin gern bereit, dafür zu kämpfen."
Falscher Weg
Hampson weiter: "Immerhin sind wir in den USA dank ObamaCare einen kleinen Schritt weiter. Aber die Konservativen wollen ja diese Errungenschaft, die Menschen aus allen sozialen Schichten ärztliche Hilfe garantiert, wieder kippen. Das ist ein gefährlicher, ein falscher Weg, den wir da einschlagen", meint der auch als Musikforscher tätige Künstler.
Und wie kommentiert Hampson das amerikanische Rennen um die Präsidentschaft? "Die Vorwahlen in den USA sind wie immer. Sie sind laut, hässlich und erinnern mich an den Karneval. Nur sind sie heuer noch lauter, noch hässlicher. Und ich kann dieser ,silly season‘ gar nichts abgewinnen. Statt Probleme zu lösen, geben Maulhelden den Ton an. Und dazu kommt, dass die Fremdenfeindlichkeit in den USA extrem zugenommen hat."
Gelebte Solidarität
Ist diese amerikanische Xenophobie größer als etwa in Europa? "Nein. Die Fremdenfeindlichkeit ist genauso groß wie in Europa, wie leider auch in Österreich. Sicher wegen der Flüchtlingskrise. Dabei heißt Toleranz doch nicht, jemand Fremden gönnerhaft ,auszuhalten‘. Toleranz bedeutet, miteinander zu sprechen, Solidarität zu leben. Ich glaube an eine Zivilgesellschaft der Toleranz und der Freiheit der Gedanken. Nur leider nimmt die Polarisierung zwischen ganz linken und ganz rechten Gedanken überall zu. Diese Polarisierung ist weltweit zu sehen."
Kann die Kunst, die Musik dem etwas entgegensetzen? "Wenn ich daran nicht glauben würde, müsste ich verzweifeln. Aber ich bin ein positiver Mensch und denke, dass man etwas ändern kann."
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