Opernsänger Groissböck findet Vorwürfe gegen Domingo "einfach absurd"
Günther Groissböck ist der Wassermann in Dvoráks „Rusalka“ am Theater an der Wien. Ein Gespräch über die Seele der Musik, den „Fall Domingo“ und sein Rollendebüt als Wotan in Bayreuth.
KURIER: Was verbindet Sie mit dem Wassermann?
Diese Rolle begleitet mich fast schicksalshaft. Ich habe ganz tolle Produktionen damit erlebt. Die wohl spektakulärste davon war gleich die allererste 2010 in München. Eine Neuproduktion in der Regie von Martin Kušej, die mir auch in Bezug auf meine Karriere sehr geholfen hat. Und je öfter ich diese Rolle singe, desto mehr lerne ich diese großartige Musik, aber auch diese faszinierende, tschechische Sprache lieben. Man neigt oft dazu, manche Vokale etwas zu dunkel einzufärben – um das zu verhindern habe ich mir, Sie werden lachen, Karel Gott angehört. Das hat geholfen. Diese ist nun meine vierte Produktion und sie geht mir richtig unter die Haut.
Was empfinden Sie als Wassermann?
Bei Rusalka ist die Frage nach einer menschlichen Seele essenziell. Denn die Wassernixe will eine solche. Es war in München, als ich das erste Mal eine Art unsterblicher Seele in der Musik empfand. Ich spürte, wie mein Gesang die Menschen im Saal berührte. Auch die Souffleuse fragte mich, ob ich diese besondere Präsenz gespürt hätte. Danach kam ich zu dem Schluss, dass es tatsächlich so etwas wie eine Seele geben muss. Ähnliches kann man auch bei Beethovens „Eroica“, Wagners „Tristan“ und Bruckners „Siebter“ erleben. Musik transportiert gewisse Schwingungen, die diese unsterbliche Seele des Komponisten ewig weitertragen. Für mich ist dies Zeugnis dafür, dass es so etwas wie eine Seele gibt. Und das behaupte ich als konfessionsloser Freigeist.
Wie halten Sie die Balance zwischen Bodenhaftung und Poesie?
Wenn man langsam das Instrument zu beherrschen beginnt und ein gewisses Urvertrauen hat, wird es immer leichter, sich dem hinzugeben, was einfach da ist. Ganz ego-frei. Bei Rollen wie etwa dem Gurnemanz (aus Richard Wagners „Parsifal“, Anm.) spürt man diese Art der Balance intensiver. Musik wird dann sogar noch mehr als Kunst. Fast möchte man Gurnemanz mit „...zum Raum wird hier die Zeit...“ zitieren.
Bewahrt Sie dieses Urvertrauen vor Nervosität?
Meine Nervosität ist mittlerweile zum Glück eher einer gewissen freudigen Erregung und Neugierde auf den Abend gewichen. Das brauche ich. Und ich finde es toll, dass das auch große Kollegen wie der so unsäglich diffamierte Placido Domingo ähnlich empfinden. Der sprüht trotz seines Alters und seiner über 50-jährigen Bühnenkarriere so voller Neugierde. Er ist eines meiner großen Vorbilder. Diese Art der Neugierde und des unstillbaren Hungers nach Musik möglichst lang zu halten, wäre mein Lebensziel.
Wie sehen Sie den Fall Domingo?
Das ist doch im konkreten Fall alles völliger Schwachsinn. Ein Symptom für den Wahnsinn unserer Zeit. Wo sind wir denn hingekommen? Man kann inzwischen jeden nur durch Gerüchte aus dem Berufsleben kippen. Vielleicht bin ich da etwas konservativ, aber solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, ist er für mich unschuldig! Wo soll bei Domingo ein strafrechtlicher Tatbestand sein? Er ist ein Jahrhundertkünstler, dem die Frauen zu Füßen lagen, ein Charmeur mit unglaublichem Charisma. Man lädt ihn nun aus und ermittelt gegen ihn, weil er vielleicht vor 30 Jahren einer Ballerina, die sich in unserer narzisstisch völlig gestörten Zeit medial wichtig machen will, aufs Knie gegriffen hat, oder wie? Einfach absurd! Die Frage kann doch da für mündige Menschen nur lauten, wer will ihn warum weg haben oder wovon soll gerade wieder mal abgelenkt werden.
Wird man durch #MeToo als Sänger vorsichtiger?
Klar, wird man im Beruf in Zeiten wie diesen wachsamer und überlegt sich jede noch so kumpelhaft gemeinte Berührung bei Damen zweimal. Allerdings sind es nicht immer nur die ach so bösen Männer, die oft die ersten, eindeutigen Schritte setzen. Ich weiß als wohl wirklich sehr anständiger Kollege, wovon ich spreche. Aber wirklichen, sexuellen Missbrauch muss man strafrechtlich verfolgen. Ich wehre mich nur gegen eine immer hysterischer werdende Gesellschaft der Denunzianten und gutmenschlichen Blockwarte. Bei allem Respekt den wirklichen Opfern gegenüber irritieren mich daher auch diese oft sehr späten Anschuldigen, speziell dann, wenn Dinge nicht ganz so liefen wie vielleicht erhofft.
Zurück zu Schönerem: Ihrem Debüt als Wotan bei Wagners „Ring“ in Bayreuth.
Das ist eine gewaltige Aufgabe, fast so wie mein Debüt als Ochs (in Richard Strauss’ „Rosenkavalier“,bei den Salzburger Festspielen 2014, Anm.), aber hoch drei. Denn der Wotan sind ja drei Debüts. Ich treffe demnächst Regisseur Valentin Schwarz. Wir werden schauen, dass wir eine coole Inszenierung schaffen. Und für mich gilt auch dabei: Geht nicht, gibt’s nicht.
Kommentare