KURIER: Wann wussten Sie, dass Sie Regie führen wollen?
Olivia Wilde: Als wir 2011 den Film „Drinking Buddies“ machten. Der Film hatte praktisch kein Drehbuch, wir improvisierten das Meiste. Ich war irgendwie meine eigene Regisseurin, weil alles, was ich machte, von mir selbst kam. Das gab mir das Selbstvertrauen, hinter der Kamera aktiv zu werden. Ich produzierte dann Reed Moranos ersten Film „Meadowlands“, ein paar Kurzdokus, wofür ich sogar eine Oscarnominierung bekam. Und das brachte mich an den Punkt, an dem ich dachte, okay, du musst den großen Schritt wagen.
Und wie war der Schritt?
Als ich für „Booksmart“ als Regisseurin engagiert wurde, warf ich mich voll hinein. Ich lernte diesen Job, ich konzentrierte mich auf alle Aspekte. Und ich kam drauf, dass ich es liebe. Ich liebe auch das Schauspielen. Aber die Energie, die ich beim Regieführen habe, ist ganz anders. Und zusätzlich bin ich nun Teil einer Bewegung, denn es gibt noch immer nicht genügend weibliche Regisseure. Ich verdanke meinen Job (Studiochefin, Anm.) Megan Ellison, die es sich als Frau zur Aufgabe gemacht hat, anderen Frauen eine Chance zu geben. Ich bin mir nicht sicher, ob Männer in denselben Positionen das schon kapiert haben.
Was haben Sie anders gemacht?
Ich habe nicht darauf gewartet, engagiert zu werden. Ich fand dieses Drehbuch, das seit Jahren auf irgendeinem Regal verstaubte, und brachte es zu Annapurna Pictures. Ich ließ die nicht in Ruhe, bis sie mir den Job gaben. Und dann bestand ich nicht nur auf kreative Freiheit, sondern auch darauf, dass ich alle Personalentscheidungen allein treffen kann. Ich besetzte die Hauptrollen mit Kaitlyn Dever und Beanie Feldstein, zwei junge Darstellerinnen, die keiner kannte. Ich gab Leuten hinter den Kulissen eine Chance. Meine Kameraleute, die Produktionsdesigner und andere, von denen ich wusste, dass sie brillant sind, hatten vorher noch nie so ein großes Projekt gemacht. Aber das inspirierte sie, und ich wusste, dass das zu einem besseren Endresultat führen würde.
Sie haben sich geweigert, die typischen, hübschen Mädchen in den Hauptrollen zu besetzen. War das ein Kampf?
Beanie Feldstein war Teil meines Originalplans. „Ladybird“ war noch nicht im Kino, und es war schwierig, die Geldgeber von ihr zu überzeugen. Sie ist nicht dünn, sie hatte noch keinen Namen. Aber ich ließ nicht locker.
War Ihre eigene Highschool-Erfahrung ähnlich wie die im Film?
Nein, ganz anders. Ich war im Internat. Es war eine sehr strenge akademische Schule. Ich kann mich erinnern, als ich das erste Mal „Ich glaub’, ich steh’ im Wald“ sah. Die surften, gingen an den Strand, und es war warm, weil es in L.A. spielte. Ich war an der Ostküste im Internat, und es war immer kalt. Irgendwie ist „Booksmart“ wohl meine Traumvorstellung, wie eine Schule sein sollte. Zusätzlich finde ich die derzeitige Highschool-Generation unglaublich inspirierend: Die sind offen, tolerant was sexuelle Orientierung betrifft, und politisch engagiert, weil wir – die ältere Generation – so viel verbockt haben, dass ihnen gar nichts anderes übrig bleibt. Ich wollte einen Film über die Welt machen, für die sie kämpfen.
Wie wichtig war Ihnen auch die Kontrolle über den Soundtrack?
Sehr wichtig. Gerade bei diesem Genre ist die Musikauswahl für die Geschichte ausschlaggebend. Wenn ich an „Fast Times“, „Dazed and Confused“, „Ferris macht blau“ und „Clueless“ denke, fallen mir immer die Songs ein. Die gaben den emotionalen Ton an. Ich hatte Glück, dass Leuten wie Salt-N-Pepa, LCD Soundsystem, Sanigold und Jurassic Five der Film gefiel, denn wir hätten uns solche Musiker nie leisten können. Und dann gab ich auch hier wieder Newcomern eine Chance. Wie Perfume G etwa.
Was für eine Schülerin waren Sie?
Ich habe in keine Kategorie gepasst. Ich war in erster Linie am Theater interessiert, habe Stücke gespielt und produziert und habe hinter und auf der Schulbühne rumgehangen, und war gleichzeitig mit allen möglichen Leuten befreundet. Den Athleten, den Außenseitern, den supersmarten Vorzugsschülern. Meine inneren Ängste stammen daher, dass mich jeder einzuordnen versuchte, ich das aber nicht wollte. Und darum geht es auch in meinem Film: Warum pressen wir andere in eine Kategorie? Warum ordnen wir uns ständig selbst ein? Das gibt uns null Komplexität und Nuance. In der Schule waren alle nur konfus: Ist sie ein Theaterkind, eine Außenseiteinr, populär oder eine Rebellin? Und damit war ich sehr isoliert.
Glauben Sie, dass Schauspieler die besseren Regisseure sind?
Nicht unbedingt, aber als Schauspielerin habe ich manchmal mit Regisseuren gearbeitet, die meinen Job nicht verstanden, nicht genug Empathie empfanden, emotionale Höhen und Tiefen einer Rolle nicht nachvollziehen konnten. Das führt dann zu chaotischen Dreharbeiten, die mehr wie eine Fabrik sind als ein kreativer Wirkungsort. Natürlich ist Schauspielen nicht Grundvoraussetzung für gutes Regieführen. Ich habe mit Martin Scorsese und Spike Jonze gearbeitet, die absolut genug Verständnis und Einfühlungsvermögen besitzen. Elisabeth Sereda
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