Bad Ischl ohne Kaiser? Das geht nicht
Ach, wäre es schon Sommer und wären wir schon im lieblichen Bad Ischl“, schrieb Kaiser Franz Joseph an Katharina Schratt. Das ganze Jahr über hatte der Monarch Sehnsucht nach den Monaten Juli/August, in denen er auf seinem Landsitz im Salzkammergut weilte. Er hat nur drei von den 86 Sommern seines Lebens nicht in dem mondänen Kurort verbracht. Im Jahr 2024 wird Bad Ischl Europas Kulturhauptstadt sein.
Kulturprominenz
Kulturhauptstadt – das war Ischl eigentlich schon zu Kaisers Zeiten, nur hat man die Kurstadt an der Traun damals nicht so genannt. Im Sommer tummelte sich hier die Kulturprominenz – von Johann Strauss über Brahms bis Grillparzer, Nestroy, Adalbert Stifter und Nikolaus Lenau. Auch sonst kam, was Rang und Namen hatte – vor allem aus Adel und Industrie – denn es war schick, im Umfeld des Kaisers gesehen zu werden.
Ischl ist natürlich viel älter. Vor mehr als 1000 Jahren als Iscula gegründet, sorgte die Salzgewinnung für die Existenz der Bewohner des Salzkammergutes. Lange war das „weiße Gold“ die einzige Grundlage des Wohlstands, doch im 19. Jahrhundert setzte mit Hilfe der weltweiten Publicity um den kaiserlichen Dauergast Franz Joseph der Tourismus im Herzen des Salzkammerguts ein.
Die Salzprinzen
In der Monarchie nahm man an, dass es Franz Joseph ohne das Ischler Salz gar nicht gegeben hätte, da die Ehe seiner Eltern sechs Jahre lang kinderlos geblieben war und seine Mutter erst nach einer Ischler „Solekur“ schwanger wurde. Franz Joseph und seine drei Brüder wurden infolge der angeblich wundertätigen Wirkung des Salzes auch „Salzprinzen“ genannt. Und Ischl war über Nacht weltberühmt. Zum Vergleich: Ehe der Arzt Dr. Franz Wirer die Heilkraft des Salzes erkannte, kamen im Jahr 40 Kurgäste nach Bad Ischl, im Vorjahr wurden 400.000 Übernachtungen gezählt.
Seine liebste Sommerresidenz spielte auch sonst eine zentrale Rolle in Franz Josephs Leben. Hier hat er sich 1853 mit Elisabeth verlobt und hier sah er sie im Sommer 1898 zum letzten Mal, ehe sie nach Genf reiste, wo sie ermordet wurde. Von seinem Arbeitszimmer in der Kaiservilla aus wurde in den Sommermonaten die Monarchie regiert, hier hat er gekrönte Häupter empfangen, und schließlich wurde in Bad Ischl Geschichte geschrieben, als er am 28. Juli 1914 mit dem Ultimatum an Serbien die wohl folgenschwerste Unterschrift seines Lebens geleistet hat. Sie löste den Ersten Weltkrieg aus.
Die heutige Kaiservilla bekam Franz Joseph von seiner Mutter Sophie als Hochzeitsgeschenk. Sie bestand ursprünglich aus 14 Zimmern, später kaufte der Kaiser einige Nachbargrundstücke dazu und ließ aufwendige Vergrößerungs- und Umbauarbeiten durchführen. Da Erzherzogin Sophie die Villa aus dem Familienfonds erworben und der Kaiser die Umbauten aus seiner Privatschatulle bezahlt hat, blieb die Kaiservilla nach dem Ende der Monarchie im Besitz der Familie – und sie ist es heute noch: Markus Habsburg-Lothringen, ein Urenkel Franz Josephs und Elisabeths, führt die Kaiservilla als florierenden Tourismusbetrieb.
Hauptstadt der Operette
Bad Ischl war auch die Hauptstadt der Operette. Johann Strauss und Franz Lehár besaßen Villen und konnten sogar dem sonst wenig beliebten Schnürlregen Positives abgewinnen: „Mein Aufenthalt in Ischl ist ganz nach meinem Wunsch“, erklärte der Walzerkönig, „es komponiert sich so leicht bei Regenwetter“. Und der Tenor Richard Tauber meinte: „An einem Regentag im Salzkammergut erhol ich mich besser als bei zwei Wochen Sonne an der Riviera.“
Ohne Protokoll
Dem Kaiser war der Sommer in Ischl so lieb, weil er sich hier, fernab des strengen Wiener Protokolls, viel freier bewegen konnte. In den ersten Ehejahren erlebte er glückliche Stunden mit seiner Sisi, ab 1889 – dem Jahr, in dem Kronprinz Rudolf starb – traf er in der heimlichen Metropole der Monarchie alljährlich mit seiner „Seelenfreundin“ Katharina Schratt zusammen. Für die Schauspielerin wurde eigens die seiner Sommerresidenz benachbarte Villa Felicitas angemietet, und Franz Joseph ließ einen hölzernen Steg über die Ischl zimmern, den er jeden Morgen punkt 6.30 Uhr, von der Kaiservilla kommend, überschritt. In der Villa Schratt verbrachte er bei Kaffee und Guglhupf eigener Aussage zufolge, „die glücklichsten Stunden“.
Sowohl die Schratt als auch Publikumsliebling Alexander Girardi traten in den Sommermonaten im Ischler Kurtheater auf. Vorstellungen, die der Kaiser besuchte, waren immer gut besucht – schließlich wollte man ihn sehen und von ihm gesehen werden. Die Kurgäste waren stets genau informiert, ob Seine Majestät am Abend ins Theater gehen würde, weil in diesem Fall schon Stunden vor Beginn der Aufführung ein roter Teppich vor dem Entrée ausgelegt war. Als in einer Spielsaison die Geschäfte gar nicht gut gingen, kam der findige Ischler Theaterdirektor Wild auf die Idee, den roten Teppich auch dann auszulegen, wenn der Kaiser nicht kam. Die Vorstellungen waren von da an immer voll. Zumindest so lange bis das Publikum den Trick erkannt hatte.
Salz und Wasser
Das Projekt Kulturhauptstadt 2024 Bad Ischl–Salzkammergut steht unter dem modernen Arbeitstitel „Salz und Wasser als DNA“. Und doch wird man am alten Kaiser nicht ganz vorbeikommen.
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