Ofczarek: "Da würde keiner Nein sagen"

Ofczarek: "Da würde keiner Nein sagen"
Kommenden Samstag hat eines der populärsten Stücke starbesetzte Burgtheater-Premiere. Nicholas Ofczarek und Katharina Lorenz im KURIER-Interview.

Die Hauptdarsteller Nicholas Ofczarek (nominiert für die ROMY als bester Seriendarsteller) und Katharina Lorenz über ihr Ringen mit Ferenc Molnárs Stück.

KURIER: Wie laufen die Proben?
Nicholas
Ofczarek: Es ist ein Ringen. Denn es ist gar kein einfaches Stück. Es birgt viele Rätsel in sich. Vor allem der Schluss, der ist sehr komplex, sehr rätselhaft. Unsere Regisseurin Barbara Frey hat gesagt: Er ist wie Schmirgelpapier. Er bietet keine Erlösung, keine Katharsis. Das Stück bietet keine Wertung.

Katharina Lorenz: Damit beschäftigen wir uns und versuchen das auch in unserem Spiel zu finden.

Was macht es so schwierig?
Ofczarek: Oft heißt es „Ach Liliom, wie schön!“ Das verstehe ich nicht. Ja, das Stück hat Poesie, aber es ist eine sehr düstere, verschrobene, seltsame Poesie. Alle Figuren haben ein großes Herz, aber sie sind alle sehr ... wie sagt man?

Lorenz: Allein! Und man muss aufpassen, dass man nicht beginnt, das Stück zu verweichlichen. Es ist sehr hart, diese Sprache und dieses Aufeinanderprallen. Unsere beiden Figuren sind sehr stark, sie sind einander sehr ähnlich, aber auch sehr eigen. Sie ziehen einander an.

Und trotzdem gilt „Liliom“ als „gemütliches“ Stück.
Ofczarek: Ähnlich wie „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Die Tradition hat hier verklärend gewirkt. Ich habe aber keine andere Aufführung gesehen.

Sie haben auch Ihren Freund Robert Palfrader 2010 im Volkstheater nicht gesehen?
Ofczarek: Nein – damals war ich mit dem Robert noch nicht verlobt (lacht).

Sind das Traumrollen?
Lorenz: Für mich ist die Julie auf den ersten Blick keine Traumrolle – insofern es überhaupt Traumrollen gibt. Für mich sind eher die Regisseure ausschlaggebend. Wäre ich aber ein Mann, den Liliom würde ich schon gerne spielen.

Ofczarek: Klar: Liliom und Burgtheater – da würde keiner Nein sagen! Aber dann liest man es und denkt sich: Was ist daran so schön?

Lorenz: Es lässt einen ja auch nicht los. Es kriecht in einen rein, es hinterlässt Spuren.

Ofczarek: Es passiert so vieles willkürlich in dem Stück, und die Menschen können damit nicht adäquat umgehen – das macht sie ja auch zu Menschen. Wenn du schauspielerisch dauernd an deine Grenzen stößt und dir etwas für die Figur von dir selber holen musst – das macht etwas mit dir, das ist nicht so angenehm.

In dem Stück geht es ja auch um Sprachlosigkeit. Liliom hat keine Sprache, er kann sich nicht ...
Ofczarek: ... ausdrücken.

Daher tut er etwas.
Ofczarek: Und zwar meistens das Falsche.

Lorenz: Es geht um das Nicht-sprechen-Können und um das bewusst Nichtsprechen.

Eine Frau, die geschlagen wird und sagt, sie spürt die Schläge nicht: Das Stück ist für uns heute auch eine Zumutung.
Lorenz: Ja, daran arbeiten wir.

Ofczarek: Er schlägt ja nicht, um zu demütigen, sondern weil er nicht anders kann.

Lorenz: Wäre das Stück eine Zeitungsmeldung, könnte man ganz banal schreiben: Mann schlägt Frau und bringt sich um. Aber da ist so viel mehr, denn am Ende sagt sie: Ich bin nicht böse.

Ofczarek: Es gibt ja auch Frauen, die sich die Realität schönlügen und ihre Männer decken. Die Dunkelziffer ist enorm hoch.

Eine misshandelte Frau ist aus unserer Sicht ein Opfer. Aber Julie hat nichts Opfer-artiges. Warum lässt sie es sich gefallen?
Lorenz: Es ist natürlich so, dass sie ihn liebt. Sie weiß um sein Wesen, sie weiß etwas, dass tiefer geht, sie kennt seinen Menschen. Da ist ein tiefes Verständnis.

Ofczarek: Die bedingungslose Liebe ist stärker und größer als die Realität. Aber das bleibt so unerlösend – das Stück erlöst niemanden, weder beim Spielen, noch beim Zuschauen! Aber so kompliziert ist letztlich die Welt – du findest auf so vieles keine Antwort.

Die alte Frage bei „Liliom“: Hochdeutsch oder Wienerisch?
Lorenz: Ich spreche Hochdeutsch.

Ofczarek: Ich spreche Wienerisch.(beide lachen) Es gibt ja über die Jahre der Aufführungstradition eine aus vielen Aufführungen zusammen gestellte Wiener Fassung. Aber die ist nicht so scharf und musikalisch, wie die Polgar-Übersetzung. Daher sind wir wieder zum Polgar zurückgekehrt.

Liliom“ ist eine heilige Kuh.
Lorenz: Das muss man vergessen als Schauspieler.

Ofczarek: Viele wissen dann ganz genau, wie es gehen sollte ... Ich weiß nicht, wie es geht. Wir werden einige Erwartungshaltungen nicht erfüllen, andere Leute werden wir überraschen. Aber wir machen die Inszenierung ja nicht, um zu zeigen, wie es geht, das Stück. Denn das weiß eh keiner, und den Herrn Molnár können wir nicht mehr fragen.

Sie spielen in Salzburg in „Lumpazivagabundus“ – da weiß auch jeder, wie es gehört.
Ofczarek: Ja, das wird auch schön! Ich habe noch eineinhalb Monate Zeit, ich habe nicht darüber nachgedacht. Ich weiß zu Beginn ja nie, wie ein Stück geht. Aber ich weiß, wie es nicht geht.

Werden Sie den neuen „Jedermann“ sehen?
Ofczarek: Ich werde Conny Obonya fragen, wann es ihm recht ist, dass ich komme.

Aber Sie distanzieren sich nach wie vor nicht vom „Jedermann“?
Ofczarek: Auch das wollen alle Journalisten wissen.

Lorenz: Warum denn?

Weil Ex-Jedermänner oft sagen, das Stück sei schlecht.
Ofczarek: Warum machen wir es dann vier, fünf Jahre, würden wir es schlecht finden?

Liliom“ ist das berühmteste Theaterstück des ungarischen Dramatikers Ferenc Molnár, ins Deutsche übersetzt und bearbeitet von Alfred Polgar. Die Uraufführung fand 1909 in Budapest statt, die erste deutschsprachige Aufführung 1912 im Berliner Lessing-Theater. Beide fielen beim Publikum durch.

Erst die Wiener Aufführung am 28. Februar 1913 im Theater in der Josefstadt wurde ein Erfolg. Polgar hatte die Handlung von Budapest in den Prater verlegt, die Sprache österreichisch eingefärbt und einen Prolog dazugeschrieben. Danach trat das Stück einen Siegeszug rund um die Welt an, der bis heute andauert.

Vor allem in Österreich ist die „Vorstadtlegende“ enorm populär, obwohl die Handlung in Wahrheit wenig Gemütliches an sich hat.

Handlung

Der Karussell-Ausrufer Liliom und das Dienstmädchen Julie lieben einander, obwohl er sie immer wieder schlägt. Er ist arbeitslos, kommt mit dem Leben nicht zurecht und nimmt sich nach einem dilettantisch ausgeführten Raubüberfall das Leben. Im Jenseits wird er zu Fegefeuer verurteilt, darf aber nach 17 Jahren Buße für einen Tag auf die Erde zurück, um seine Tochter zu sehen. In Bettlerverkleidung erzählt er dem Mädchen nur Schlechtes über sich selbst und schlägt ihm schließlich auf die Hand. Doch für die Tochter fühlt der Schlag sich an wie ein Streicheln. Die himmlischen Vollzugsbeamten führen den offensichtlich nicht geläuterten Liliom wieder ab.

Im Laufe der Jahrzehnte spielten herausragende Schauspieler den Liliom: Hans Albers, Harald Juhnke, Paul Hörbiger, Curd Jürgens, Heinz Conrads, Josef Meinrad, Karlheinz Hackl, zuletzt Herbert Föttinger in der Josefstadt und Robert Palfrader im Volkstheater.

Im Burgtheater inszeniert jetzt Barbara Frey, Nicholas Ofczarek spielt den Liliom, Katharina Lorenz die Julie. Weiters: Mavie Hörbiger, Barbara Petritsch, Daniel Sträßer, Brigitta Furgler.

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