„Immer, wenn ich dachte, ich hätte etwas verstanden, kamen hunderte neue Fragen“, sagt Isabel Sauerzopf.
Das Enigma, mit dem sich die Studentin der Rechtswissenschaft und Wirtschaftsinformatik befasst, sind NFTs: Zertifikate, die ein digitales Element – das kann ein Bild, aber z. B. auch ein Zugangscode sein – als einzigartig festschreiben und es besitzbar und handelbar machen. Besonders am Kunstmarkt hat die Technologie Wellen geschlagen – oberflächliche Betrachter sehen sie gern als „Hype“, als Investmentvehikel oder schlicht als Möglichkeit, für lustige Bildchen absurde Summen zu verlangen.
In Wirklichkeit steckt freilich mehr dahinter, und Sauerzopf dröselte das Spektrum in einer Jus-Seminararbeit fein säuberlich auf: So galt es zu definieren, was NFTs im rechtlichen Sinn eigentlich sind (unkörperliche, verbrauchbare und schätzbare „Sachen“) und welche Probleme sich beim Verkauf und Erwerb auftun.
So ist etwa keineswegs klar, dass jemand, der einen „Non-fungible Token“ (die Langversion des Kürzels bedeutet etwa: „Nicht ersetzbares Objekt“) kauft, uneingeschränkt über das Werk verfügt, das mit diesem verbunden ist. Meist verbrieft das NFT nur den Erwerb eines „Originals“ mithilfe der Blockchain-Technologie. Das Bild selbst ist anderswo gespeichert und kann ohne spezielle Regelungen vom Urheber weiter verwendet werden – oder auch offline gehen.
„Irgendwann dachte ich: Jetzt schreib’ ich so viel darüber, jetzt kann ich es auch probieren“, sagt Sauerzopf. Sie fand eine günstige Ausgangslage vor: Imma Oberhuber, die Witwe des im Jänner 2020 verstorbenen Multi-Künstlers Oswald Oberhuber, stellte ihr dessen Werke aus ihrem persönlichen Eigentum zur Verfügung; ihre Freundin Stephanie Huber, eine Grafikerin (sämtliche -Hubers sind nicht mit dem Autor verwandt) gestaltete daraus eine Serie digitaler Bilder. Die ersten gingen im August auf der Plattform Opensea.io online.
Pioniergeist
„Das passt zum Ossi, das würde ihm richtig gut gefallen“, ist Imma Oberhuber im KURIER-Gespräch überzeugt. „Bei all den Dingen, die er gemacht hat, war er immer der Erste – später haben ihn dann die Leute kopiert, oft mit mehr Erfolg.“
Bei den NFT-Serien stützte sich Grafikerin Huber vorrangig auf Werke, die Oberhuber für eine Ausstellung im Belvedere 2009 angefertigt hatte – Tier- und Menschendarstellungen in einem freien Duktus. Die Konturen geben teilweise den Blick auf weitere Originalzeichnungen frei.
Als „Hommage“ an den Künstler, der als Lehrender und Uni-Rektor Generationen von Kunstschaffenden prägte und die „permanente Veränderung“ zur Maxime ausrief, wollen Sauerzopf und Huber ihre Arbeit verstanden wissen. Sie sehen aber auch das Potenzial, mit der Verknüpfung von NFT-Technologie mit einem etablierten Künstlernamen Generationen-Gräben zu überwinden: Denn das traditionelle Sammlerpublikum beäugt das Phänomen derzeit noch reserviert.
Auf der Kunstmesse Art Basel, wo die Galerie Nagel Draxler heuer erstmals NFTs anbot, kaufte die Galerie teils als Stellvertreterin ihrer Kunden, die über keine „Geldbörse“ für Kryptowährung verfügten. Ein Modell, das der NFT-Idee eigentlich zuwiderläuft, wie Sauerzopf erklärt: „NFTs wollen ja gerade Zwischenhändler ausschalten“.
Viele Player am Kunstmarkt wollen die neue Verbreitungsform freilich nicht ungenutzt lassen – allein schon, weil manche Erfolgsstories viel Geld verheißen. Tatsächlich aber bedeutet es viel Aufwand, aus dem Feld hervorzustechen, wie Sauerzopf und Huber wissen. Für ihre Fusion aus etablierter und digitaler Kunst sieht das Duo dennoch Potenzial: Ist der Markt doch in permanenter Veränderung begriffen.
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