Neujahrskonzert-Dirigent Barenboim: "Wir müssen diese Depression überwinden“

Neujahrskonzert-Dirigent Barenboim: "Wir müssen diese Depression überwinden“
Der Stardirigent über das Neujahrskonzert, seinen bevorstehenden 80. Geburtstag, den Konflikt zwischen Israel und Palästina und die Pandemie.

Er zählt zu den bedeutendsten Dirigenten und Pianisten der Gegenwart, leitet als Generalmusikdirektor die Berliner Staatsoper Unter den Linden, hat einst mit dem West-Eastern Divan Orchester ein Friedensprojekt zwischen Israel und den arabischen Staaten gestartet und wird am 1. Jänner 2022 zum dritten Mal (nach 2009 und 2014) das traditionelle Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker leiten. Zuletzt aber musste der bald 80-jährige Ausnahmekünstler Auftritte absagen. Der KURIER hat nachgefragt.

KURIER: Maestro Barenboim, Sie mussten zuletzt auch in Wien aus gesundheitlichen Gründen Konzerte absagen. Wie geht es Ihnen und was war der Grund dafür?

Daniel Barenboim: Danke, mir geht es gut, sehr gut sogar. Ich bin wieder völlig in Ordnung. Aber es war sehr schmerzhaft. Ein einziger kleiner Nerv hatte sich eingeklemmt, ich konnte daher weder dirigieren noch einen Klavierabend geben. Es hat lange gedauert, bis wir gewusst haben, was der Grund für meine Rückenschmerzen waren. Aber jetzt ist alles wieder gut verheilt, und ich freue mich schon auf das Neujahrskonzert mit den Wiener Philharmonikern im Musikverein.

Sie leiten dieses „Konzert der Konzerte“ nach 2009 und 2014 nun zum dritten Mal. Stellt sich da nicht auch etwas Routine ein? Oder sind Sie nach wie vor aufgeregt?

Ich bin nach wie vor freudig aufgeregt. Denn der größte Feind aller Musiker ist die Routine. Jedes Mal, wenn wir ein scheinbar noch so vertrautes Werk interpretieren, können wir noch etwas lernen. Wenn ich zum Beispiel an einem Abend ein Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart spiele und es am nächsten Tag eine zweite Aufführung gibt, fange ich wieder bei null an. Wir Künstler sind in dieser Hinsicht privilegiert, weil wir immer neu anfangen dürfen. Es gibt ja keine allgemeingültigen Interpretationen. Vor allem nicht bei Mozart oder bei Beethoven. Das ist eine ewige Suche nach etwas, das einer Allgemeingültigkeit vielleicht ein bisschen nahe kommt.

Neujahrskonzert-Dirigent Barenboim: "Wir müssen diese Depression überwinden“

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