„Sie ist eine Wiederentdeckung“, sagt Stella Rollig. Dass der Name „Kazuko Miyamoto“ hierzulande eher wenigen Personen etwas sagen würde, ist der Direktorin des Belvederes wohl bewusst.
Doch man muss sich nicht lange in der sinnlich äußerst ansprechenden Werkschau der japanisch-amerikanischen Künstlerin, die heute 82-jährig in New York lebt, aufhalten, um verblüffende Verbindungen zu entdecken: Sie führen von Japan in die Keimzelle der minimalistischen Avantgarde im New York der 1970er und von dort ausgerechnet nach Linz. Genauer gesagt ins Lentos Museum, das Rollig vor ihrem Antritt in Wien leitete, und in die „Stadtwerkstatt“, in der wiederum der Zeichner Peter Hauenschild – heute der Partner der Museumsdirektorin – über viele Jahre aktiv war.
Dennoch kam die Schau nicht direkt über diese Verbindungen zustande, sondern nahm einen Umweg über das Museum MADRE in Neapel, von wo es das Belvedere übernahm.
Die Metapher von Netzwerken und Verbindungssträngen ist im Werk Miyamotos „aufgelegt“, wie man so sagt – gründet ihr Ruf doch auf wundersamen Skulpturen und Rauminstallationen, die durch gespannte Fäden gebildet werden.
Diese Werke, die ab den frühen 1970er Jahren entstanden – eines wurde vom Belvedere nun für die Sammlung erworben – stehen in enger Verbindung zum US-Künstler Sol LeWitt, als dessen Assistentin Miyamoto ab 1968 arbeitete.
LeWitts Werk bestand im Wesentlichen darin, genaue Konzepte für eine modulare Anordnung und Wiederholung bestimmter Muster zu entwerfen – wer die Rezepte dann im Ausstellungsraum ausführte, war zweitrangig. Seine Wandzeichnungen oder Würfel-Konstruktionen sind heute dennoch Ikonen der jüngeren Kunstgeschichte, legten sie doch die Rutsche für all das, was man „Konzeptkunst“ nennt.
Verbindungen überall
Dass diese als streng und trocken verschriene Kunstpraxis auch einen sehr starken sozialen Aspekt hat, wird gern übersehen: Denn jede Installation brachte LeWitt und sein Team weltweit in Kontakt mit jungen Kunstschaffenden, die vor Ort bei der Realisierung mithalfen.
Auf diese Weise kam Miyamoto 1980 auch nach Linz, wo sie beim „Forum Design“ eine LeWitt-Arbeit ausführte – aber auch darüber hinaus Freundschaften zur lokalen Szene knüpfte. 1987 richtete ihr dann Peter Baum in der „Neuen Galerie“ – der Vorgänger-Institution des Lentos - eine Solo-Schau aus, ein Werk verblieb in der Sammlung.
Miyamoto hatte zu diesem Zeitpunkt ihre künstlerische Sprache schon erweitert – weg von den strengen Fadenkonstruktionen und Raumzeichnungen, hin zu Gebilden, die sie aus einfachen Materialien wie gedrehten Papiersträngen und Zweigen flocht und in öffentlichen Parks aufhängte.
Kimono-Collagen
Auch der Kimono, die traditionelle Kleidung ihres Herkunftslandes, wurde der Künstlerin zum Ausdrucksmittel – die Schau zeigt etwa einen, der aus tagesaktuellen Zeitungen collagiert ist und Auskunft über die Entstehungszeit, aber auch über soziale Kontakte der Künstlerin gibt: Die Visitkarte einer Mitarbeiterin der Kunstmeile Krems ist darin ebenfalls verarbeitet.
Dass Miyamoto nicht so sehr mit dem Nimbus einer Meisterin umgeben ist, entpuppt sich für Besucherinnen und Besucher der Ausstellung als Vorteil: Die Werke, deren Entstehungszeit einen Zeitraum von den 1960er bis in die 2000er Jahre umspannt, ermöglichen es, der Künstlerin gleichsam über die Schulter zu schauen. Von dort gibt es einen Blick auf eine Szene zu erhaschen, die mit Namen wie LeWitt, Carl André, Ana Mendieta oder Jean-Michel Basquiat mittlerweile zum Kanon der Avantgarde gehört. Miyamoto war mit all den Größen befreundet, als Betreiberin einer eigenen Galerie spann sie auch ohne Fäden ein umfassendes Netzwerk.
Die umgesetzten Arbeiten zeigen wiederum ganz klar und nachvollziehbar, wie sich zu jener Zeit das Spektrum dessen, was Zeichnung, Skulptur oder Malerei genannt wurde, erweiterte. Miyamotos Werk ist dabei im besten Sinn niedrigschwellig und schulklassentauglich – ein willkommener Einstiegspunkt in eine Kunst, die noch immer viel zu vielen Menschen als spröde gilt.
Kommentare