Als das Lentos 2003 eröffnet wurde, war seine Handschrift überall zu sehen. Peter Baum war der erste Direktor des neuen Linzer Kunstmuseums, das aus der Neuen Galerie Linz entstanden ist. Im KURIER-Interview erinnert sich der 84-Jährige an die Anfänge und hat Ideen für die Zukunft.
KURIER: Sie leben ja in Wien: Wann waren Sie zuletzt im Lentos?
Peter Baum: Bei einer kleinen Feier Ende April anlässlich des Jubiläums.
Wie ist es nach Ihnen mit dem Lentos weitergegangen?
Bis Mai 2004 habe ich das Lentos geleitet, danach habe ich mich mit einer großen Paris-Ausstellung über die Aufbruchsjahre der 1950er- und ’60er-Jahre verabschiedet. Die Anfangsjahre, als Stella Rollig übernahm, waren nicht leicht. Stella wollte unbedingt ein Avantgarde-Programm machen, später auch mit feministischem Einschlag. Dagegen ist ja nichts zu sagen. Sie hat aber übersehen, dass der eigentliche Motor für das große Museum die beachtliche Sammlung war. Dadurch war eine Öffnung für ein breiteres, auswärtiges Publikum angedacht.
Ein Bruch mit Problemen
Das Programm von Stella Rollig war anfangs sehr stark die unmittelbare Gegenwart ausgerichtet. Das war ein Bruch, der einige Zeit Probleme brachte. Es kam nicht zu den Besucherzahlen, die man sich erwartet hatte. Ich will aber nicht polemisieren, jeder Intendant soll ja dem Institut seinen Stempel aufdrücken.
Aber es ist eben nicht so weitergegangen, wie es hätte weitergehen können. Das Lentos hat dann im Laufe der Jahre noch viele sehr gute und wichtige Ausstellungen gemacht, etwa jene mit den Werken von Herbert Bayer.
Wie ergab sich damals der aktuelle Standort an der Donaulände für das Museum?
Drei, vier Jahre vor der Eröffnung rief mich der damalige Bürgermeister Franz Dobusch an und sagte: „Herr Baum, wir haben den richtigen Platz.“ Die Neue Galerie war damals im Lentia 2000 beheimatet, alles war schon viel zu eng und zu klein.
Ein Teil des Grundstücks an der Donaulände gehörte der Stadt, ein Teil den Bundesbahnen. Dieser konnte zu einem fairen Preis abgekauft werden. Am internationalen Architektur-Wettbewerb gab es 219 Beteiligungen. Gewonnen hat der Entwurf des Schweizer Büros Weber+Hofer, weil er so zwingend und städtebaulich so angepasst wie ein Maßanzug war.
Anfangs gab es natürlich Stänkereien in der Bevölkerung, es haben sich aber alle schnell daran gewöhnt, auch aufgrund des auswärtigen Echos. Dann kam zunehmend der Stolz. Heute ist das Lentos nicht mehr wegzudenken. Mit dem Ars Electronica und Brucknerhaus ist dieses Karree ein Glücksfall für die Stadt.
Wie bewerten Sie die Entwicklung der Lentos-Sammlung in den vergangenen zwanzig Jahren?
Ich will meine Tätigkeit nicht über das bestehende Tun stellen, aber es ist in Summe viel weniger international gesammelt worden, es gibt keine großen Schwerpunkte. Das kann man den Leuten vor Ort gar nicht vorhalten, sondern eher der Politik, der Leitung.
Alle müssen die Wünsche gegeneinander ausspielen, man muss gewichten, die Vor- und Nachteile abwägen. Und die meisten Sachen haben sich auch ganz entscheidend im Preis entwickelt. Ein Beispiel: Als ich in den 1970er-Jahren nach Linz kam, konnte ich für die Sammlung einen Marilyn-Druck von Andy Warhol in Deutschland ankaufen, um 1.800 Mark. Diese Blätter kosten seit Langem mindestens 100.000, eher 120.000 Euro. Das ist das Nonplusultra einer Wertsteigerung und geht in diesem Ausmaß auch selten auf.
Wie sehen Sie den Status quo des Lentos?
Hemma Schmutz, die aktuelle Direktorin, macht das ordentlich, ich will das nicht kritisieren. Insgesamt hat sich die Freiheit für Museumsleiter verbessert, der Staat redet nicht mehr mit. Die Museumsleitung bestimmt das Programm, natürlich im Rahmen des Budgets. Und die Rotation in der Leitung der Museen ist auch deswegen eingeführt worden, um nicht zu versteinern und einseitig zu sein.
Wobei: Ein Wechsel nach fünf Jahren hat viele Nachteile. Die Menschen haben keine Zeit, ihre eigenen Programme umzusetzen. In der Regel wird man, wenn man nichts verbrochen hat, ein zweites Mal bestellt. Eine Sammlung kann aber nicht in fünf, zehn Jahren entscheidend geprägt werden, das ist nicht zu machen.
Ich war ja 30 Jahre lang Gastarbeiter aus Wien in Linz. Um jemanden einigermaßen beurteilen zu können, sollte er oder sie 10 Jahre an einem Haus sein, das ist ein vernünftiges Minimum.
Was kann, soll, muss ein Museum für die Allgemeinheit leisten?
Im Prinzip ist es offen für alle. Aber wenn man das durchsetzen will, muss man klug und systematisch mit nachvollziehbarer Taktik da rangehen. Ich kam zur Kunst durch starke Anregungen in der Schulzeit. Anfangs hat mich der Sport interessiert, ich wollte auch Sportreporter werden. Dann kamen über den Unterricht Impulse, die sehr richtig und wichtig waren, etwa Theaterbesuche und Schauspieler an den Schulen. Das Heranführen an die Kunst muss schon früh, in den Schulen, beginnen. Das passiert auch vermehrt.
Sammeln Sie auch selbst?
Nur wenig, ab 1960 begannen manche Künstler, Grafiken zu günstigen Preisen, also um 160, 180 Schilling, aufzulegen. Da habe ich manches gekauft, nach Motivliebe. Das hat sich durch meine Interessen und die meiner Frau weiterentwickelt. 1962 hab ich zum Beispiel eine Zeichnung von Gironcoli gesehen, die kostete damals 1.800 Schilling, das waren zwei Monatseinkünfte aus meiner damaligen Tätigkeit. Meine Frau hat auf eine Waschmaschine verzichtet und wir haben uns die Grafik gekauft.
Welche Schwerpunkte würden Sie aktuell im Lentos setzen?
Mir ist aufgefallen, dass Fotografie zum Beispiel eher vernachlässigt wurde in den letzten Jahren. Man kann aber auch nicht alles machen. Man muss ein Programm anbieten, das die Leute ins Haus bringt und auf Trab hält. Die Anstrengungen der meisten Museen sind diesbezüglich enorm.
Mein Fazit nach so einem langen Museumsleben: Das schönste Museum ist das meiner Versäumnisse. Man kann nie alles erreichen und nie alles bekommen.
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