Nicht nur ein "local hero"
Nach einer großen Ausstellung im MAK 2003 bietet die Galerie Giese & Schweiger nun nach langer Zeit wieder einen Anlass zur erneuten Entdeckung des Künstlers in Wien. Und es traf sich gut, dass der mittlerweile 90-Jährige kurz zuvor noch einmal einen ganz neuen Werkblock geschaffen hatte, der mit seinen langjährigen Markenzeichen, der unbedingten Präzision und der Anbindung an industrielle Fertigungstechniken, bricht.
„Ich habe vor mehr als 30 Jahren einmal aus Spaß über so ein Porit-Modell Linien gezeichnet“, erzählt Gsöllpointner dem KURIER. „Diese Zeichnungen sind dann viele Jahre gelegen, und vergangenes Jahr habe ich damit zu spielen begonnen. Und ich bin förmlich überrannt worden, mit einem Prozess, über den man sagt: Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen. Ich habe dann Stäbe zu diesen neuen Objekten geklebt, die eigentlich Hauptinhalt dieser Ausstellung sind. Die sind alle innerhalb von vier Monaten entstanden, ich war Tag und Nacht wie besessen!“
Gedachte Architekturen
„Stabräume“ heißen die aus Modellkarton geklebten Skulpturen, die die Galerie nun neben Gsöllpointners „Variablen Objekten“ aus verschiedenen Werkphasen präsentiert. Sie erinnern an zweckfreie Raummodelle, wie man sie etwa von russischen Konstruktivisten wie El Lissitzky kennt, aber auch an Fantasiearchitekturen wie jene der Gruppe „Haus-Rucker-Co“, deren Linz-Wahrzeichen, die „Nike“ am Dach der Kunstuniversität, 1977 im Rahmen des von Gsöllpointner und Peter Baum organisierten „Forum Metall“ ermöglicht wurde.
Thomas Redl, Kurator der Ausstellung und Herausgeber einer großen Monografie über Gsöllpointners Werk und Wirken, sieht den Künstler ebenso in der „Klassischen Moderne“ und ihrem Purismus der Form verankert. Und wie bei anderen Größen – man denkt an den für seine Stahlwand-Skulpturen bekannten, vor kurzem verstorbenen US-Amerikaner Richard Serra – ist der Künstler auch ein Produkt der seine Epoche dominierenden Industrie: Gsöllpointners Linz-Regionalismus war in diesem Sinn nie Provinzialismus, sondern stets motiviert von der Idee, die „Stahlstadt“ auch als internationale Kunstmetropole zu verankern.
Moderne Visionen für Linz
Gsöllpointner gelang dies u.a. mit Großausstellungen wie dem „Forum Metall“ und dem „Forum Design“ 1980. Auch als Wegbereiter der Kunstuniversität Linz (ehemals "Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung"), wo er Professor und von 1977-1981 auch Rektor war, ist der Einfluss des Gestalters auf die Identität der der späteren Kulturhauptstadt, die sich in einem nächsten Schritt durch die Ars Electronica auch als Medienkunststadt definierte, nicht zu unterschätzen.
Die Wurzeln dafür liegen wiederum in Gsöllpointners Tätigkeit für die VOEST, für die er ab den 1960ern edle Stahlobjekte schuf, die die Erzeugnisse des Konzerns aufwerten sollten. „Ich bin ein Kind der VOEST, ich treffe mich noch monatlich mit Voestlern – erst waren das Lehrlinge, dann Meister, dann Obermeister, jetzt sind’s auch Pensionisten“, erzählt Gsöllpointner, der weiterhin höchst gegenwärtig und aktiv wirkt, wenngleich seine Sehfähigkeit inzwischen stark eingeschränkt ist. „Ich sage immer: „Ich möchte noch eine Zeitlang den Stahl-Stallgeruch der VOEST haben.“
Die Idee, über auftragsgebundene Gestaltungen hinauszudenken, hat den Künstler aber letztlich nie losgelassen, wie auch die „Stabräume“ zeigen. „Ich war selber überrascht: Der alte Blinde macht jetzt auf einmal diese Plastiken!“, sagt er. „Aber ich hab‘ auch meiner Frau gesagt: Ich mach jetzt Schluss.“
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