"Sprache ist Macht, immer schon"
Diesen Samstag hat Johann Nestroys Klassiker im Akademietheater Premiere, in einer Inszenierung von David Bösch. Die Hauptrollen spielen Johannes Krisch und Sarah Viktoria Frick.
KURIER: Sie als Titus Feuerfuchs bzw. Salome Pockerl, das klingt nach einer idealen Besetzung. Haben Sie selbst große Freude damit?
Johannes Krisch: Ja! Sehr große Freude!
Sarah Viktoria Frick: Ich freue mich sehr über dieses Team.
"Der Talisman" ist Nestroys bis heute meist gespieltes Stück, wie erklären Sie sich das?
Krisch: Das liegt vermutlich an der Komplexität und der ungeheuren Wortgewandtheit dieses Stückes ...
Frick: Und dann ist auch noch das Thema Rassismus... nach fast 200 Jahren immer noch aktuell.
Was bedeutet Ihnen beiden Nestroy, wie ist Ihr Zugang zu ihm? Vermutlich sehr unterschiedlich, Sie entstammen ja verschiedenen Generationen und verschiedenen Ländern?
Krisch: Generation? Na 25 Jahre sind wir nicht auseinander! Umgang: Der ergibt sich automatisch durch seine wunderbare Sprache und dem Rhythmus der Stücke ...
In Österreich lernt fast jedes Kind den „Talisman“ schon in der Schule kennen – wie war das bei Ihnen?
Krisch: Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das erste mal mit Nestroy konfrontiert wurde. Ich glaube, doch auch in der Schule. Aber mit „Lumpazi“ ... Na, da können wir ja dann im Sommer darüber reden! (Krisch spielt bei den Salzburger Festspielen mit Nicholas Ofczarek und Michael Maertens „Lumpazivagabundus“; Anm.).
Frick: Ich habe an der Schauspielschule Nestroy vorgesprochen. Also kam ich mit Nestroy das erste und bis jetzt das einzige Mal mit siebzehn Jahren in Berührung. Genauer gesagt: Zwei Wochen vor dem Vorsprechen.
Wie leicht oder schwierig zu spielen ist Nestroys Sprache?
Krisch: Genauso schwierig wie alle großen Dichter...
Frick: Ich tu des, was der Braumeister mir g’sagt hat; ich sag’s einfach so, wie’s dasteht (ein Zitat aus dem Stück; Anm.).
Zu den Figuren: Die Salome gilt als eine der wenigen Frauenfiguren bei Nestroy, die wirklich eigenständig ist, mehr als nur Beiwerk im Text. Stimmen Sie zu?
Frick: Wenn mit „eigenständig“ nicht mit dem Strom schwimmen gemeint ist, dann stimm ich zu.
Der Titus ist eigentlich ein sehr zwiespältiger Held. Er kann sehr kalt sein auf seinem Weg nach oben, er stößt ohne Skrupel andere aus dem Rettungsboot – und erst ganz am Ende bekennt er sich zu Salome. Wie „gut“ oder „böse“ ist er?
Krisch: So wie alle anderen auch. Er benutzt nur sein unheimliches Talent der Sprachgewandtheit, um als Außenseiter in der Welt zu reüssieren.
Was Titus Feuerfuchs auf dem Weg nach oben hilft, sind ja nicht nur die falschen Haare, sondern es ist, wie Sie sagen, seine Fähigkeit, seine Sprache anzupassen. Viele kennen das ja noch aus der Kindheit: Über die Sprache wurde die gesellschaftliche Zugehörigkeit definiert. Wie wichtig, wie mächtig ist Sprache heute?
Krisch: Sprache ist Macht. Immer schon gewesen. Und natürlich einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Besonders in der heutigen Zeit, wo die Sprache so multikulturell verwendet wird. Besonders Internet und Facebook beeinflussen unsere Sprache mit ihren Abkürzungen usw. Nicht immer zum Vorteil ...
Titus und Salome sind klassische Außenseiter, aufgrund der roten Haare. Haben Sie in Ihrem Leben auch schon Erfahrungen mit der Rolle als Außenseiter gemacht?
Krisch: Ja, sicher, diese Erfahrung macht doch jeder. Ob in der Schule, oder Urlaub oder sonst wo.
Frick: Immer mal wieder. Aber ehrlich gesagt, fühlt sich der Außenseiter immer besser an als der Mitläufer.
Wie ist Ihre Zusammenarbeit? Würden Sie so freundlich sein, den jeweils anderen kurz zu beschreiben?
Krisch: Wir kennen einander scheinbar schon aus einem anderen Leben ... Ich freue mich jedes Mal sehr, wenn wir uns auf der Bühne begegnen. Da ist so etwas wie ... ach, ich weiß ja auch nicht! Wir verstehen uns einfach blind!
Frick: Das letzte Leben mit dem Herrn Krisch war schon lebenswert... und das andere auch... und dieses... also nur her mit dem nächsten Leben. Und dann noch eines ...
Was macht die Arbeit mit Regisseur David Bösch aus? Frau Frick, Sie arbeiten ja seit vielen Jahren mit ihm?
Krisch: Gegenseitiges grenzenloses Vertrauen und seine unbändige Fantasie ...
Frick: Wenn ich in der Arbeit verheiratet wäre, dann wäre wohl David Bösch mein Theater-Ehemann; also wie in einer guten Ehe, wie ich sie mir halt vorstelle, kämpft man gemeinsam ... für die Liebe und gegen die Routine an, vertraut und enttäuscht sich, interessiert und streitet sich, lernt und arbeitet, verlernt und lernt neu, denkt selbstständig und versteht sich ...
Im Mittelpunkt von Nestroys „Der Talisman“, uraufgeführt 1840, steht der Vagabund Titus Feuerfuchs, der seiner roten Haare wegen ein Außenseiter ist. Als er einem Friseur das Leben rettet und zum Dank eine schwarze Perücke erhält, ändert sich sein Leben. Er wird zum Objekt der Begierde dreier Witwen und macht Karriere. Nicht nur wegen seiner neuen Haarfarbe, sondern wegen seiner sprachlichen Anpassungsfähigkeit – wie ein Chamäleon wechselt er die Identitäten.
Doch erst, als er auf seinen Talisman verzichtet und sich zu seiner Liebe zu der ebenfalls rothaarigen Gänsehirtin Salome bekennt, findet er sein Glück.
Nestroys Posse lässt sich unschwer als Sozialkritik dechiffrieren, als Parteinahme für Minderheiten und Außenseiter, als Kritik am Opportunismus, als Bekenntnis zum widersprüchlichen Wesen des Menschen. Und dieses Stück bietet eine wichtige Erkenntnis: Ob jemand „Erfolg“ und „Glück“ findet, hängt oft nur von Kleinigkeiten und Zufällen ab.
Der Regisseur David Bösch, 34, fiel am Burgtheater durch wunderbar kraftvolle und poetische Arbeiten auf: „Romeo und Julia“, „Adam Geist“, „Gespenster“ und „Stallerhof“ – mit Johannes Krisch und Sarah Viktoria Frick. Krisch, 47, ist gebürtiger Wiener, Frick, 31, stammt aus Liechtenstein.
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