Monument und Häuslschmäh: Im Kaleidoskop des Künstlers Franz West
Bis in den letzten Winkel füllen die Werke die Wände: Bleistiftzeichnungen im Postkartenformat, die einen verlorenen Mann auf dem Weg durch die Stadt zeigen; tragbare Namensschilder mit seltsamen Körperformen, aus bemaltem Papiermaschee gefertigt; zahllose Collagen, oft aus „Herrenmagazinen“ zusammengestellt, mit einer Häufung von zotigen Szenen in mit Aquarellfarbe gemalten Räumlichkeiten.
Wer sich für das Werk des Künstlers Franz West (1947 – 2012) interessiert, kommt an der Ausstellung nicht vorbei, die noch bis 22. April in der Weihburggasse 26 in der Wiener Innenstadt in den ehemaligen Räumen der Galerie Mauroner zu sehen ist (Do-Sa 12-18 Uhr oder nach Vereinbarung).
Private Initiative
Vier Sammler, angeführt vom Galeristen/Sammler Philipp Konzett, haben ihre gesamten West-Schätze aus dem Privatbereich hervorgeräumt, um einen Über- und Einblick in das Werk des Querkopfs zu geben. Dessen globaler Ruhm ist in den Jahren seit seinem Tod nur noch angewachsen: Angefeuert wurde dies etwa durch eine Schau im Pariser Centre Pompidou und der Londoner Tate Modern, die in der Fülle der Werke aber noch hinter der vorliegenden Zusammenstellung zurückblieb.
Die Galerie David Zwirner, ein globales Schwergewicht des Kunstbetriebs, hat ebenfalls gerade zwei West-Ausstellungen eröffnet: In Paris kann das Publikum Wests „Passstücke“ und Möbel bewundern, in New York zwischen enormen Papiermache-Skulpturen wandeln, die West 2010, inspiriert von den Sprechversuchen seines damals dreijährigen Sohns, schuf.
Angesichts dieser Häufung wird allerdings deutlich, dass die Idee vom „Weltkünstler“ West nur eines von vielen Bildern in einem Kaleidoskop ist, das sich nach wie vor unablässig dreht.
Im Pressetext zur Wiener Schau mit dem Titel „Gebrauchsanweisung im Aktionismusgeschmack“, die sonst weitgehend ohne erklärendes Beiwerk auskommt, bezeichnet Sammler Konzett Franz West als „legitimen Nachfolger der Wiener Aktionisten“. Es ist eine keineswegs unumstrittene Einordnung, wenn man bedenkt, dass sich West über die im Wien der 1970er Jahre so dominante Gruppierung oft mit beißendem Spott erhob.
Mehr Deix als Donatello
Viele Werke der Wiener Sammler sind mehr Deix als Donatello – insbesondere, wenn sie vom verklemmten Sexualverständnis der 1970er Jahre erzählen. Da ejakulieren Männerfiguren enorme Fontänen, Frauen mit Riesenbrüsten werden aus dem Heftl-Trash in die Kunstsphäre transponiert. Die Werke sind meilenweit entfernt von den im Werkstattbetrieb angefertigten Großskulpturen, die Außenbereiche von Superreichen-Museen wie der Roche-Erbin Maya Hoffmann in Arles/Frankreich zieren.
Disput um Deutungshoheit
Bei anderen Künstlernachlässen – von Frida Kahlo bis Maria Lassnig – wachen oft Stiftungen und Galerien darüber, wie ein Werk der Nachwelt präsentiert wird. Bei West wird dies nicht zuletzt durch Streitigkeiten erschwert, die seit mittlerweile elf Jahren die Gerichte beschäftigen. Sind die Kinder Franz Wests die Erbberechtigten – oder doch die Schwester, die ihren Anspruch erst relativ spät geltend machte? Soll die von West vor dem Tod eingerichtete Stiftung im Erbfall über die nachgelassenen Werke verfügen – auch wenn die Übertragung der Werke an sie wegen formaler Fehler juristisch ausgehebelt wurde?
Was zwischenzeitlich gelöst schien, ist nach wie vor gerichtsanhängig – mit der Galerien Zwirner und Gagosian warten zwei der potentesten Unternehmen im Kunstbetrieb auf eine Entscheidung, die die unbeschwerte Arbeit mit West am globalen Kunstmarkt freimachen sollen. Neben der Verlassenschaft und der Stiftung gibt es dabei auch noch den Verein "Archiv Franz West", der über Authentifizierungen und Bildrechte wacht.
„Im Laufe des Jahres“ rechne man mit einem Entscheid, sagte Wests Neffe Roland Grassberger, Vorstand der Privatstiftung, zuletzt zum KURIER, als vor dem einstigen Atelier des Künstlers am Wiener Esteplatz einige Skulpturen aufgestellt wurden. Für die Aktion, ermöglicht von der Wiener Kunst im Öffentlichen Raum GmbH, hatten sich die verschiedenen Akteure geeinigt, im Sinne Wests einander gegenseitig nicht zu behindern.
Eine ähnliche Vorgehensweise hatte auch schon die Ausstellungen in Paris und London ermöglicht. Private wie Zwirner, Gagosian oder Konzett agieren indes weiter mit Werken, die sich in ihrem Eigentum befinden. Vor dem einstigen Atelier des Künstlers scheinen die neuen Skulpturen Franz West nun wie „Pins“ auf der Google-Landkarte im Wiener Ortsbild zu verankern. Festnageln können auch sie ihn nicht.
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