Mit Block und Blei bei den Tudors

"Falken": Alte "Schinken" können so frisch sein – wenn die zweifache Booker-Preisträgerin analysiert.

In historischen Romanen ist’s fast immer finster; in den Verfilmungen sowieso. Da brauchen sich die Autoren nicht so anzustrengen, die Dunkelheit vermag das Unvermögen zu kaschieren.
In Hilary Mantels „Falken“ aber hat man das Gefühl, das England des 16. Jahrhunderts sei frisch tapeziert worden. Weiß. Damit man im Vordergrund alles besser sehen kann, sogar die großen nackten Füße des Königs.
Und die Klöster, in denen man mit verbogenen Nägel des Gekreuzigten Geld scheffelt.
Und den Henker, der dreiundzwanzig Pfund einsteckt, während der triefende Kopf von Anne Boleyn neben ihre Füße gelegt wird ...

Zwei Mal

„Falken“ ist ein Tudor-Roman, der zweite in Hilary Mantels geplanter Trilogie. Er hat 2012 den angesehenen britischen „Booker“-Preis gewonnen – ebenso wie Teil eins, „Wölfe“ (2009).
Die Geschichte um Heinrich VIII. mit der Gründung der Anglikanischen Kirche und den sechs Ehefrauen ist ja nicht gerade etwas Neues, Unbekanntes. Sie ist trotzdem neu, weil die 60-Jährige in der unmittelbaren Gegenwartsform erzählt und sich vor allem in den Köpfen der Familienmitglieder, Höflinge und Staatsbeamten aufhält. Hilary Mantel sitzt gewissermaßen unter der Großhirnrinde mit Bleistift und Block und manchmal mit Skalpell.
Und unbekannt ist die Geschichte, denn es geht gar nicht so sehr um Heinrich VIII. Sondern um Thomas Cromwell (1485–1540): Sohn eines Schmieds, der als rechte Hand des Königs zu einem großen Staatsmann aufstieg – ehe ihn dieser als Ketzer hinrichten ließ; was er danach bitter bereute: Die Minister seien halt schuld gewesen. In „Falken“ lebt Cromwell, es wird Anne Boleyn geköpft. Jane Seymour wird die nächste Königin sein.

Mit Block und Blei bei den Tudors
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Hilary Mantel bleibt bei der Wahrheit. Die koste nichts, hat sie einmal gesagt, und sei interessanter. Die Wahrheit über die toten Tudors hält England aus. Aber in einem mitfühlenden Vortrag über das Schicksal königlicher Frauen – da sagte sie über Prinz Williams Kate:
„Es scheint, als ob Kate für die Rolle der Prinzessin ausgewählt wurde, weil sie untadelig ist: Sie ist so schrecklich dünn, wie man es sich nur wünschen kann, es gibt keine Eigenarten, keine Merkwürdigkeiten – es besteht nicht die Gefahr, dass ihr Charakter sichtbar wird.“
... und dafür wurde sie von Premierminister David Cameron gerügt: Ihre Rede sei „töricht“ gewesen.
Gott schütze die kostbaren Deppen.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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