Klubobfrau Sigrid Maurer wird der Volkspartei wohl noch länger die Mauer machen. Denn Andrea Mayer, die von den Grünen nominierte Kulturstaatssekretärin, ist tatsächlich gewillt, die 2020 im Koalitionsabkommen formulierten, von Ulrike Lunacek geerbten Aufgaben im Bereich Kunst abzuarbeiten. Und zu diesen gehört auch das Projekt, „unter Einbeziehung aller Gebietskörperschaften und mit Partizipation der Kulturinitiativen, Künstlerinnen bzw. Künstler sowie Kulturarbeiterinnen und Kulturarbeiter (...) in einem strukturierten Verfahren, eine Kunst- und Kulturstrategie“ zu entwickeln.
Am Freitag gab die Staatssekretärin den „Startschuss“. Der Zeitpunkt sei schließlich günstig: Man stehe, sagte Mayer hoffnungsfroh und ohne Blick auf die internationale Entwicklung, „an den Ausläufern“ der Pandemie.
Und sie gab ihn nicht irgendwo: Sie wählte den Malersaal der Bundestheater im Arsenal, „im größten Künstleratelier Europas“. Dort gab vor etlichen Jahren, im April 2009, Matthias Hartmann seine erste Spielplanpressekonferenz als Burgtheaterdirektor, inszeniert als pompöse Show. Bei Mayer lief es bescheidener ab: Für die vielleicht zehn Journalistinnen und Journalisten (der Rest waren Mitarbeiter) hätte es auch der Veranstaltungssaal am Concordiaplatz getan.
Aber es galt, Wichtiges zu verkünden – auch in Gebärdensprache. So versicherte sich Mayer der Unterstützung der Musikerin Yasmin Hafedh (Yasmo), des Filmregisseurs David Schalko und der Salzburger Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler. Hinter ihnen hingen drei bedruckte Stoffbahnen, die an Werbeplakate für eine hippe Design-Ausstellung erinnerten.
An harten Fakten gibt es nicht viel zu berichten: Die Kulturstrategie, erst 2022 ausformuliert, solle keine Hochglanzbroschüre werden, die bereits am Tag ihres Erscheinens veraltet ist. Um man wolle einen „zeitlich unbegrenzten“ Austausch mit allen im Kulturbereich tätigen Menschen. Beim Gendern schoss man übereifrig übers Ziel: Man hängte auch an das englische Wort „Stakeholder“ ein „:innen“ an. Ihr Tratschpartner fragte sich, während er lauschte, wann er das erste Mal das Wort „Star:in“ lesen müssen wird.
Inhaltlich gebe es keine Vorgaben: Die Themen – von Partizipation über Digitalisierung und Diversität bis Fair Pay – sollen von der Künstlerschaft und der Zivilgesellschaft selbst eingebracht werden. Ein Projektteam unter der Leitung von Lorenz Birklbauer wird Vorschläge sammeln, die auf der Website www.bmkoes.gv.at/KunstKulturStrategie22 hochgeladen werden können. Im Sinne von Fair Pay – „unter dem Motto ,Leaving no one behind‘ wird die Kunst- und Kulturstrategie des Bundes vom Fairness-Prozess flankiert, der bereits im Herbst 2020 gestartet wurde“ – gibt es zwar Geld für die Agentur, die das Projekt begleitet, aber nicht für jene, die konstruktive Vorschläge machen.
Im Herbst werde es eine „Kick-off-Veranstaltung“ geben, daran soll sich die „intensive Dialogphase“ anschließen: Die Themen der „Dialoggruppen“ würden in „das große Dialogforum 2022 mit einfließen“.
Gerhard Ruiss, Sprecher der IG Autorinnen Autoren, erkannte sogleich „die Chance zu einem großen Wurf“. Falls man, wie angekündigt, auch die Förderpraxis von Bund und Ländern evaluieren will, will man gerne einmal daran glauben.
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