Herr Drozda, hören Sie das gerne mit der Kindesweglegung? Sie waren ja in die Gestaltung der Ausgliederung federführend involviert.
Drozda: Es gab bei der Ausgliederung ein zentrales Problem: Es gab keine Bereitschaft des Finanzministeriums, eine jährliche Erhöhung der Subvention vorzusehen. Bei späteren Ausgliederungen – beispielsweise den Universitäten – war das selbstverständlich. Man sieht in dem Bericht recht deutlich, dass wir mit einem einnahmenseitigen Thema konfrontiert waren – die Subvention war Jahr für Jahr geringer. Ganz im Gegensatz zum Bericht danach, der weist auf ein massives ausgabenseitiges Problem hin. Das alles vor dem Hintergrund der Absurdität des Unterfangens, etwas zu untersuchen, das ein Vierteljahrhundert her ist. Die Belegaufbewahrungszeit ist sieben Jahre! Da kann ich nur sagen, man merkt die Absicht und ist verstimmt.
Die Absicht?
Drozda: Man hat das Oppositionsrecht, einen Rechnungshofbericht zu beauftragen, missbraucht, um einen Oppositionsabgeordneten zu beschädigen. Das ist wenig überraschend bei der Regierung unter türkiser Führung, aber ein Bruch einer parlamentarischen Usance. Und nach Lektüre des Berichts als gescheitert zu qualifizieren. Wir haben das Burgtheater mit einem Eigenkapital von 15 Millionen übergeben. Vier Jahre später war das Eigenkapital minus 15 Millionen.
Aber in dem Bericht steht, dass die Finanzlage der Burg zu Ihrer Zeit „kritisch“ war und das Burgtheater in den ersten drei Jahren 5,8 Millionen Euro an Liquidität eingebüßt hat – von einem Plus von 3,35 Millionen ging’s bei den Banken in ein Minus von 2,45 Millionen. Da lief doch irgendwo was schief.
Drozda: Das ist leicht erklärbar. Wir hatten die Notwendigkeit, ein Repertoire aufzubauen – aus dem Nichts. Und zweitens die Notwendigkeit, maßgebliche Investitionen vorzunehmen. Wir haben massiv in die Bühnentechnik in Burg- und Akademietheater investiert, das Cafe-Restaurant Vestibül gebaut. Das waren Millionen-Investitionen! Dass das die Liquidität beeinflusst, ist vollkommen klar. Die Eigenkapitalentwicklung und die GuV (Gewinn- und Verlustrechnung, Anm.) zeichnen ein ganz anderes Bild. Wir haben uns ausgabenseitig nach allen Regeln der Kunst bemüht, Budgets unter widrigen Umständen zu erstellen und einzuhalten. Bachler: Es ist fast sinnlos, die ersten drei Jahre herauszugreifen. Alles, was man ändern musste, musste natürlich zu Beginn passieren. Im Verlaufe schaut es ganz anders aus. Wir wurden ausgegliedert ohne jegliche Strukturveränderung. Zuvor hatte Herr Jungbluth (Robert Jungbluth, 1971–1988 Chef des Bundestheaterverbands) immer zu den Direktoren gesagt: „Das Geld, das Sie ausgeben, geht Sie nichts an. Sie müssen spielen.“
Drozda (lacht): Das waren noch Zeiten!
Bachler: Aus diesen Zeiten kam das alles, das darf man nicht vergessen! Und wir waren eigentlich die Ersten, die sich bemühen mussten und bemüht haben, eine Geschäftsgebarung zu machen, die auf eigenen Beinen steht. Ohne auf gewisse Strukturen Einfluss zu haben. Da gab es schon viele Probleme.
Aber der Auftrag, der den Bundestheatern implizit mitgegeben wurde, war doch ein Strukturbereinigungs- und Sparauftrag. Dass die Verwaltung professionalisiert wird. Nun gab es aber laut RH fast 22 Millionen Euro an Barauszahlungen. Es ist doch ein Versäumnis, dass man in den ersten Jahren Vieraugenprinzip und weitere Kontrollen nicht etabliert hat.
Bachler: Das ist ja passiert. Aber es war ein langsamer Prozess. Controlling hat es ja gegeben. Von Berichtswesen haben wir heute alle andere Vorstellungen. Die Veränderungsnotwendigkeit geht bis heute.
Drozda: Wir haben das Controlling sukzessive ausgebaut. Die Verantwortliche ist seit Jahren sehr erfolgreiche Geschäftsführerin und Intendantin eines Berliner Opernhauses. Und der Rechnungshof hat keinen Beweis dafür gefunden, dass es für Barauszahlungen keinen Beleg gegeben hat. So lange für die Barauszahlung ein Beleg in der Kasse liegt, ist diese an sich kein Tatbestand der Wirtschaftskriminalität.
Aber das Fehlen von Strukturen hat dem Missbrauch danach Tür und Tor geöffnet.
Bachler: Wir kommen aus einem Metier der Barauszahlungen. Ein Theatergesetz war, dass man nach der Pause nicht weiterspielen musste, wenn das Geld nicht dalag.
Als Finanzamt würde ich mich sorgen, was mit diesem Geld passiert.
Bachler: Natürlich hat sich da viel verändert. Und das heißt nicht, dass es dadurch Malversationen gab.
Sie haben Nichts vom Vorgänger Claus Peymann übernommen? Warum nicht?
Bachler: Weil es Herrn Peymanns Interesse war, eine Stunde Null auszurufen. Es war einfach nichts da.
Und Ihrem Nachfolger...
Bachler: Es war eine persönliche Absicht unseres Nachfolgers (Matthias Hartmann, Anm.) zu versuchen, etwas, das man nicht rechtfertigen kann, nämlich den Zustand nach vier Jahren, woanders hinzuschieben. Ich lasse mir nicht im Nachhinein eine wirtschaftlich und künstlerisch erfolgreiche Zeit anpatzen, nur weil jemand mit seiner eigenen Situation nicht zurechtkommt. Ich habe schon im Vorbereitungsjahr zur Frau Stantejsky (später Geschäftsführerin, Anm.) gesagt: Wie wollt ihr das eigentlich alles zahlen?
Apropos zahlen: Der Rechnungshof hält fest, dass die Burg eigentlich um 529.000 Euro pro Jahr zu wenig Subvention bekommen hat. Da hat sich Ioan Holender gut durchgesetzt.
Bachler: Herr Holender hat immer eine Trompete gebraucht. Es war lange Zeit sein Steckenpferd zu sagen, dass alle anderen Häuser von der Staatsoper leben.
Drozda: „Die Bankrotteure“, hat er geschrien. (lacht)
Bachler: Das war alles eher boulevardesk als sachlich. Österreich liebt, wie wir wissen, den Boulevard. Daher wurde das ernst genommen. Das ist so in Österreich, da ist auch der Kinderwagen des Herrn Blümel ein Thema. Das ist halt die Pittoreskheit unsers Landes. Jedenfalls: Es war in den ersten Jahren ein wirklicher Trennungsprozess, aber strukturell mit Handbremse.
Die Holding – der Mutterkonzern der Bühnen – hat den Prozess nicht gesteuert?
Bachler: Die Holding wurde in erster Linie gegründet, damit die Politik eine Ruhe hat. Diese Mutter war nur eine Nanny, die auf die Kinder aufpasst. Aber sie hat keinen aktiven Part der Gestaltung.
Drozda: Und alles, was unter dem Thema Rationalisierungen rund um die Bühnen stattgefunden hat, ist natürlich auch ein extremer Kulturverlust. Natürlich kann man Kostüme billiger einkaufen. Aber letztlich sind Kostüme, Bühnenbilder, Ausstattung Teil der Qualität des Ganzen. Man kann das um die Hälfte machen. Aber es ist dann ein anderes Theater. Österreich wird nicht mit international tätigen Unternehmen identifiziert, sondern mit Kunst- und Kulturinstitutionen von Weltrang. Diese Institutionen machen die internationale Reputation des Landes aus. Und das hat seinen Preis.
Also war die Ausgliederung ein politischer Fehler der SPÖ?
Drozda: Der entscheidende Fehler war, am Ende nicht für eine ausreichende Einnahmensituation zu sorgen.
Kommentare