Willkommen im Mediensumpf: Die Verlegerin Eva Dichand (Heute) steht im Verdacht, beim ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium zahlreiche Gefallen eingefordert zu haben. Unter anderem soll ihr Thomas Schmidbeim Stiftungsrecht (siehe unten) geholfen und auch die Inseratenvergabe des Ministeriums in ihrem Sinne gelenkt haben.
Die Gegenleistung? Wohlwollende Berichterstattung für den damals aufsteigenden ÖVP-Star Sebastian Kurz. So sieht es die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA)
Ist es wirklich so, dass man in Österreich als Ministerium Inserate schaltet und dafür Berichterstattung bekommt? Schmid, der bei der WKStA als Kronzeuge fungieren möchte, sagt: Ja. Und zwar bei Eva Dichand. Deren Chefredaktion, die für die Inhalte zuständig ist, sagt: Nein.
BMF-Inserate waren nur ein Bruchteil
Sieht man sich die Inseratenvergabe des Finanzministeriums in den Jahren, in denen Schmid mit Dichand (und Österreich-Chef Wolfgang Fellner) Hinterzimmerpolitik betrieben haben soll, an, dann zeigt sich: Auch in fast allen anderen Medien wurden mehr Inserate geschaltet, wie sich in der Medientransparenzdatenbank ablesen lässt. Die APA hat dies in einer Grafik zusammengefasst:
Wie plausibel ist das?
Heißt das, dass alle Medien mit Inseraten gefügig gemacht wurden? Vordergründig wird jedes Medienhaus diesen Verdacht von sich weisen. Aber auch einem Plausibilitätscheck hält diese These nicht stand. Die Ausgaben eines Ministeriums machen nämlich nur einen Bruchteil jener Gelder aus, die Medien in ihren Anzeigeneinnahmen lukrieren. Nicht einmal in der Gesamtsumme der öffentlichen Inserate (von Gemeinden bis zu Regierung, hin zu staatsnahen Betrieben wie ÖBB oder Asfinag) fällt dieser Betrag groß ins Gewicht.
201 Millionen versus 8,9 Millionen Euro
Zum Vergleich: 2022 hat die öffentliche Hand um rund 201 Millionen Euro in Medien geworben. Da sollen 8,9 Millionen zu den besten Zeiten Schmids große Medientanker auf Spur bringen? In den 201 Millionen stecken auch so unterschiedlich ausgerichtete Körperschaften wie die von der SPÖ regierte Stadt Wien oder die Wirtschaftskammer Österreich. Anders herum: Warum sollte die Stadt Wien in Zeitungen inserieren, wenn die angeblich ohnehin von der ÖVP gekauft wären?
Die Faymann-Jahre
Das Thema Inserate begleitet Politik und Medien seit dem Aufstieg von Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann: Er hatte schon in seiner Zeit als Verkehrsminister 2007 dafür gesorgt, dass etwa die ÖBB massiv in der Kronen Zeitung schaltete. Was damals nicht vor dem Richter landete, schlug sich in U-Ausschuss-Befragungen nieder. Und in einer Debatte um mehr Hygiene in diesen Fragen. So ist die Medientransparenzdatenbank, die seit 2012 alle Kooperationen, Förderungen und Inserate öffentlicher Stellen erhebt, ein erster Schritt zur Nachvollziehbarkeit von öffentlichen Ausgaben in Medien.
Die Gutsherrenart wurde abgeschafft
Die krasse Bevorzugung Einzelner nach Gutsherrenart wurde damit eingedämmt, wenn auch immer wieder versucht wurde, das System zum eigenen Vorteil zu nutzen – was aktuell Dichand und Schmid vorgeworfen wird. Nachdem auch die ÖVP mittlerweile einen Korruptions-U-Ausschuss hinter sich hat, in denen führende Kommunikationsmitarbeiter unter Wahrheitspflicht Rede und Antwort stehen mussten, wie sie denn welche Kampagnen planten und schalteten, ist auch hier große Zurückhaltung eingekehrt. Bestechlichkeit ist kein Kavaliersdelikt.
Verschärfungen sind bereits beschlossen
Ende März wurden die Regelungen noch einmal in einem Gesetzesentwurf verschärft: Ab 2024 müssen alle Einschaltungen und Medienkooperationen der öffentlichen Hand unabhängig von der Erscheinungsfrequenz eines Mediums und ab dem ersten Euro an die Medienbehörde RTR gemeldet werden.
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