Verfassungsrechtler gibt Doskozils Klage gegen ORF-Gesetz Chancen

Wenn sich ein Landeshauptmann berufen fühlt, die „Unabhängigkeit des ORF zu sichern“, ist das erfahrungsgemäß selten auf das „eigene“ Landesstudio gemünzt.
So auch beim jüngsten Vorstoß von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der von einem zu starken „Einfluss der Bundesregierung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ spricht und deshalb das Höchstgericht einschalten will. Die rote Landesregierung wird am heutigen Dienstag einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einbringen.
Das zentrale Argument Doskozils: „Wenn das wichtigste Organ des ORF, der Stiftungsrat, nach dem geltenden Gesetz mehrheitlich von der Regierung besetzt wird, ist die Unabhängigkeit des ORF nicht gewährleistet“.
Denn diese Bestellpraxis stünde beispielsweise in eklatantem Widerspruch zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), ist der gelernte Jurist Doskozil überzeugt.
Unterstützung erhält der Politiker von einem Verfassungsrechtler. Heinz Mayer, emeritierter Universitätsprofessor der Uni Wien, hält einen Erfolg der Verfassungsklage für „möglich“, wie er am Montag auf KURIER-Anfrage meinte. Sei doch die gegenwärtige Zusammensetzung des Stiftungsrates als oberstem ORF-Kontrollgremium schwerlich mit der geforderten Unabhängigkeit des ORF in Einklang zu bringen.
Bund am Zug
Die Diskussion um die Unabhängigkeit des größten heimischen Medienunternehmens von parteipolitischer Einflussnahme ist nicht neu. Zuletzt ist sie im März geführt worden, als geheime Nebenvereinbarungen von ÖVP, FPÖ und Grünen über Postenbesetzungen im ORF ans Licht gekommen sind. Diese Sideletter nennt auch Doskozil als Grund für die aktuelle Verfassungsklage. Diese „Grenzüberschreitungen“ seien „demokratiepolitisch und verfassungsrechtlich schwer bedenklich“.
Aber wie und von wem sollten die wichtigsten ORF-Gremien künftig besetzt werden? Eine konkrete Antwort gibt es aus dem Doskozil-Büro nicht: Der VfGH werde entscheiden, ob das derzeitige ORF-Gesetz (etwa § 20, der Bestellung der Stiftungsräte regelt) verfassungskonform sei. Wenn nicht, „ist der Bund am Zug und muss aufgrund seiner Zuständigkeit eine verfassungskonforme Lösung präsentieren“.
Zurück zum Landesstudio: Das ORF-Gesetz regelt auch die Bestellung der Landesdirektoren. Der ORF-Generaldirektor muss die Stellungnahme des Landes einholen. In der Praxis heißt das meist, dass gegen den Willen eines Landesfürsten kein ORF-Landesdirektor bestellt wird. Bei der bis dato letzten Kür 2021 konnte sich Doskozil mit seinem Wunschkandidaten aber nicht durchsetzen, Landesdirektor Werner Herics wurde wiederbestellt. Sollte auch diese „Stellungnahme“ entfallen? Sie sei „nicht mehr als ein Konsultationsmechanismus“, so eine Doskozil-Sprecherin. Bei einer Novellierung des Gesetzes stehe sie aber „eventuell zur Disposition“.
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