ORF-Stiftungsrat: Die Regierung schafft an

Lothar Lockl drohen mögliche Interessenskonflikte
Die politische Feinmechanik ist ORF-technisch wieder in vollem Gange: Die Bundesregierung hat am Mittwoch turnusmäßig die Vertreter für das oberste ORF-Gremium, den Stiftungsrat, bestellt. 35 formal unabhängige Mitglieder sitzen darin, wer sie sind, ist aber stets ein Politikum.
Fix ist, dass sich die Bundesregierung im Stiftungsrat eine fette Mehrheit sichert. Die ist vor allem dann wichtig, wenn es um die Bestellung der ORF-Führung geht: 18 Stimmen sind notwendig, um die Chefs zu bestimmen.
Aktuell hat die ÖVP einen "Freundeskreis" von 16 Personen, die Grünen haben sechs. Sofern die Koalition weiter an einem Strang zieht, ist also auch im ORF alles in der Komfortzone.Der kleinere Regierungspartner hat damit nicht nur die größte Machtfülle aller Zeiten im ORF, sondern auch eine bemerkenswerte strategische Weiche gestellt: Wie in einem geheimen Regierungsabkommen steht, soll der Vorsitz des Stiftungsrats von den Grünen bestimmt werden. Als gesetzt galt in den vergangenen Monaten dafür Gremienvertreter Lothar Lockl. Nachdem dieser auch potenzieller Wahlkampfmanager bei einem Neuantritt von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist, bahnt sich ein Interessenskonflikt an.
Die berufliche Rolle von Lobbyisten und PR-Unternehmern lässt sich mit der Aufgabe als Aufsichtsorgan in Österreichs größtem Medium ohnehin schwer vereinbaren – als Vorsitzender wäre der Spagat zum Wahlkampfmanager wohl zu groß.
Van der Bellen hat sich noch nicht zu einer Festlegung entschlossen, insofern ist auch Lockls potenzielle Unvereinbarkeit eine Möglichkeit. Für diese wurde nun offenkundig aber schon Vorsorge getroffen, denn die Grünen haben auch Oekostrom-Vorständin Hildegard Aichberger in den Stiftungsrat nominiert. Sie zieht auf einem Regierungsticket ein, Lockl wechselt auf das grüne Parteiticket.

Hildegard Aichberger gilt als mögliche Vorsitzende
In diesem Kreis der Vertreterinnen und Vertreter der Parlamentsparteien gibt es ansonsten wenig Bewegung: So schickt die ÖVP erneut Thomas Zach, der zuletzt den ÖVP-"Freundeskreis" im obersten ORF-Gremium leitete, und Ewald Aschauer in den Stiftungsrat. Die SPÖ setzt weiter auf Heinz Lederer, der wohl wieder den SPÖ-„Freundeskreis“ leiten wird. Die Neos halten an Anita Zielina fest.
FPÖ mit neuem Namen
Eine Änderung gibt es nach dem Ausscheiden von Norbert Steger bei der FPÖ: Die Freiheitlichen entsenden den Anwalt Niki Haas, der etwa schon Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder FPÖ-Chef Herbert Kickl vor Gericht vertreten hat.
Ländervertreter fix
Auch die von den Landesregierungen entsandten Stiftungsräte sind fixiert. Die Tiroler Landesregierung hat den Geschäftsführer der Innsbrucker PR-Agentur ProMedia, Stefan Kröll, zum Nachfolger von Josef Resch im Stiftungsrat bestimmt. Siegfried Neuschitzer bleibt für eine weitere Periode Kärntner ORF-Stiftungsrat. Vorarlberg vertraut weiterhin auf Alfred Geismayr, die Steiermark auf Klaus Poier, Oberösterreich auf Katharina Hofer, Niederösterreich auf Helmut Miernicki, Salzburg auf Ulrike Domany-Funtan und Wien auf Norbert Kettner. Im Burgenland folgt Musiker Christian Kolonovits auf Werner Dax.
Abzuwarten bleibt noch, welche sechs Personen aus dem ORF-Publikumsrat in den Stiftungsrat gewählt werden. Diese Entscheidung fällt bei der konstituierenden Publikumsratssitzung am 5. Mai.Dabei dürften je drei der ÖVP sowie den Grünen nahe stehende Mitglieder den Sprung ins oberste ORF-Gremium nehmen. In der Vorperiode schafften es die ÖVP-nahen Räte Petra Stolba, Sophie Matkovits und Andreas Kratschmar über diesen Weg in den Stiftungsrat. Sie sind allesamt wieder im Publikumsrat vertreten und stünden zur Verfügung, wie die APA erfuhr. Für Stolba spricht zudem, dass sie erst im März den Vorsitz einer im Stiftungsrat eingerichteten Arbeitsgruppe namens „Cultural Change, Diversity, Frauenförderung im ORF“ übernahm.
Zu ihrer Stellvertreterin wurde damals Andrea Danmayr ernannt. Sie wird ab Mai jedenfalls von der grünen Zukunftsakademie "Freda" in den Publikumsrat entsendet und böte sich somit erneut für den Stiftungsrat an.
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