Tanz die Medienpolitik: Warum das ORF-Projekt TikTok kein Like bekommt
Wenn Armin Wolf am Ende der ZiB 2 so tanzt, wie junge Menschen das auf der Videoplattform TikTok gerne tun (nachzusehen hier), dann finden das viele super, viele lustig, viele unerhört, viele peinlich – und einige problematisch.
Letztere „einige“ finden sich nicht zuletzt in der Medienbranche. Denn dort werden die jüngsten Bestrebungen des ORF, TikTok und weitere Online-Plattformen neu oder wieder vermehrt zu bespielen, mit einigem Missfallen gesehen.
Zwar ist es, im großen Zusammenhang der Dinge, eigentlich nicht besonders wichtig, ob der ORF die ZiB-Nachrichten des Tages auf TikTok an eine jüngere Zielgruppe heranträgt. Es ist aber auch eine Frage, die mitten ins Herz der komplizierten Medienlandschaft in Österreich trifft.
Diese Landschaft ist klein wie das Land, und ebenso uneben. Die Österreicher sind zum Glück zeitungsaffin. Deswegen gibt es vergleichsweise viele Titel, die bis vor einiger Zeit gut neben einem überdimensionalen Berg gelebt haben – dem ORF nämlich. Der hat einst nur Fernsehen und Radio gemacht, und man kam einander kaum in die Quere.
Überschneidungen
Nun aber, in der radikal veränderten Medienlandschaft der letzten eineinhalb Jahrzehnte, gibt es immer mehr Überschneidungen zwischen dem mit viel Gebührengeld versorgten ORF und den finanziell unter Druck stehenden privaten Printtiteln. Die natürlich längst keine reinen Printtitel mehr sind, sondern an allerlei Online-Orten nach neuem Publikum suchen.
TikTok ist eine dieser neuen Fronten, an der die Privaten und der Gebührengeförderte aufeinanderprallen: Hier erhoffen sich die privaten Medienhäuser, eine Ausspielfläche zu finden, die irgendwann zusätzliches Geld bringt.
Umso irritierter sind sie, wenn der ORF sich dort auch verdingt: Denn der braucht nicht Geld, sondern hat Geld. Nach der jüngst beschlossenen Erhöhung werden es gegen 700 Millionen Euro an Gebühren pro Jahr sein. Und er drückt mit seiner medialen Macht private Mitbewerber an die Wand.
Wie leicht sich diese eingeübte Macht des ORF nämlich in Online-Kanäle überträgt, sieht man alleine an den Twitter- und Facebook-Accounts der journalistischen Aushängeschilder. Die haben unverhältnismäßig große Followerzahlen und beeinflussen die dortigen Debatten über die Maßen. Hier spürt man das Gewicht des ORF; auch wenn ihre Inhaber gerne gegen jedes Indiz darauf pochen, dass diese Accounts privat sind.
Das Gleiche wie für TikTok gilt für den ORF auf Facebook, Instagram, gegenüber den TV-Angeboten der privaten Medienhäuser – und nicht zuletzt auch für die Webpräsenz: Die blaue Seite des ORF, die jene Nachrichten „gratis“ (eigentlich über Gebühren finanziert) abgibt, für die fast alle anderen Medien Abogebühren verlangen, ist vielen Medienmachern ein Dorn im Auge.
Und ist daher in jeder Debatte über das ORF-Gesetz ein Thema. So kam es auch zur Regelung, dass ORF-Sendungen nur sieben Tage lang online verfügbar sein sollen: um privaten Konkurrenten online Luft zum Atmen zu lassen. Das erscheint vielen Usern, die wiederum über die ORF-Gebühren ebendiese Sendungen mitfinanziert haben, mittlerweile als Relikt vergangener Tage.
Ein Relikt ist, mit Fernsehen und Radio, aber auch die gefühlte Aufgabenstellung des ORF: In diesen beiden Kanälen kann er seine Identifikationsaufgabe nämlich immer weniger erfüllen. Denn Fernsehen und Radio sehen sich immer älteren Publika gegenüber. Die Jungen sind anderswo – ja, auf TikTok und so weiter.
Kurzvideos für Kids
Der ORF wird künftig seine „Zeit im Bild“-Info auch auf TikTok verbreiten – in der dort adäquaten Form, also als ziemlich kurze Videos. Erfolgreich wurde die Plattform mit Tanzvideos junger Menschen im Handyformat; also hoch, nicht quer.
Diese Videos werden durch einen Algorithmus weiterverbreitet und durch Mitmach-„Challenges“ motiviert. Inzwischen ist TikTok eines der wichtigsten sozialen Medien – und wegen seiner chinesischen Eigentümer auch politisch umstritten.
Machtkampf
Welche Rolle der ORF künftig hier spielen kann und soll, und wie man ihn mit all diesen Aktivitäten von den Privaten weghält, damit setzt sich die Politik aber nur ungern auseinander.
Denn die übt am Küniglberg lieber Machtkampf. Und ist mehr damit beschäftigt, dem politischen Gegner dort keinen Millimeter Einfluss zu überlassen, als mit den Fragen, was ein öffentlich-rechtlicher Sender in 10, 20, 30 Jahren so leisten soll. Und kann.
Ebenso brach liegt die Debatte über die Medienförderung. Die gehört längst erhöht, und ihr Reformbedarf hat sich in jüngsten Debatten ebenso gezeigt wie die Notwendigkeit, hier objektive und sinnvolle Kriterien zu befolgen. Umso schärfer wird die Debatte über das Stückwerk an ORF-Aktivitäten in Richtung Internet geführt. Um diese Frage wird ein Tanz aufgeführt, der letztlich für TikTok ungeeignet ist.
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