ORF im Fokus: Koalitionsverhandlungen starten und ein Budget mit Fragezeichen
Die heute, Montag, startenden Koalitionsverhandlungen zum Themenfeld Medien werden in der Branche mit einiger Skepsis verfolgt werden. Denn insbesondere die SPÖ setzt mit Ex-Generaldirektor Alexander Wrabetz, Gewerkschafter und Publikumsrat Willi Mernyi sowie Strategie-Berater und Stiftungsrat Heinz Lederer vor allem auf ORF-Knowhow.
Auf ÖVP-Seite ist mit PR-Mann Gregor Schütze zwar auch ein aktiver ORF-Stiftungsrat im Team, allerdings hat er mit ATV auch schon einen Privatsender geführt. Die Neos haben Helmut Brandstätter, der das gesamte Medienspektrum beruflich kennt sowie Veit Dengler. Der Neos-Mitbegründer hat u. a. als CEO die NZZ-Gruppe geführt. Nicht nur in deren Umfeld gibt die Befürchtungen, dass „ein Weiter-wie-bisher“ angesteuert werden könnte und sich alles auf den ORF und dessen Absicherung fokussiert.
Medienstandort ist unteilbar
Das versucht der SPÖ- Stiftungsrat Heinz Lederer im Vorfeld zu zerstreuen: „Es ist allen klar, dass es um den Medienstandort geht, der unteilbar ist. Der steht momentan sowohl ökonomisch als auch aufgrund der technologischen Entwicklung unter Druck und das fast schutzlos.“ Dass Milliarden an Werbegeldern jedes Jahr aus Österreich zu den Digital-Konzernen in die USA und China abfließen, sei katastrophal. „Deshalb ist der Medienstandort als gemeinschaftliches Anliegen zu sehen. Da wird der ORF noch stärker auf Konkurrenten zugehen müssen und mancher wird seine Vorbehalte zur Seite schieben müssen, damit wir einen zukunftsträchtigen Weg finden“, sagt Lederer.
Wegen der Koalitionsverhandlungen wird Lederer den Start in die Stiftungsratswoche verpassen. Der Finanzausschuss berät am Montag den mit einer schwarzen Null budgetierten ORF-Finanzplan 2025, der am Donnerstag im Plenum beschlossen werden soll.
„Ich mache mir um die wirtschaftliche Situation des ORF Sorgen und dass hier nicht rechtzeitig gegensteuert wird“, sagt Lederer. Eine Befürchtung ist, dass eine Verschlechterung der Wirtschaftslage die Werbekonjunktur bremst, „mit Folgen für alle Medien im Land.“ In der ORF-Radioflotte schwächelt zudem die Cashcow Ö3. „Das hat sich abgezeichnet und wurde wiederholt von mir kritisiert. Ich erwarte mir jetzt von der ORF-Führung schnell Maßnahmen zur Stabilisierung.“ Immerhin habe die Neuausrichtung von Ö1 und FM4 funktioniert.
Weniger Unternehmensbeiträge für ORF drohen
Erschwerend könnte sich zudem ein Ausfall von Unternehmenszahlungen beim ORF-Beitrag auswirken, der sich abzeichnet. „Offenbar sollen nun die Privathaushalte die Zeche für große Unternehmen zahlen. Wir als SPÖ haben von Anfang an die Haushaltsabgabe als zu wenig sozial kritisiert und unsere Befürchtungen treten nun offenbar ein. Da braucht es Gegenmaßnahmen vom ORF wie auch vom Gesetzgeber,“ sagt der Leiter des roten Freundeskreises.
Umsatz
Der ORF plant 2025 einen Umsatz von 1,088 Milliarden. Die Werbeerlöse liegen mit 198 Millionen leicht über den Planzahlen von 2024, aber deutlich unter dem Ist-Wert 2023.
Haushaltsabgabe
Die Einnahmen aus dem ORF-Beitrag (Haushalte + Unternehmen) sollen brutto 730 Millionen ausmachen. Dem ORF zur Verfügung stehen davon netto 686 Millionen, was unter den eigentlich geplanten Zahlen liegt. An Einsparungen sind 80 Millionen Euro eingepreist.
Befreiungen
Die Zahl der beitragsbefreiten Haushalte liegt bei 366.000, knapp zehn Prozent aller Haushalte. Das entspricht 67 Millionen, die der ORF nicht aus dem Bundesbudget refundiert bekommt. Als Ergebnis vor Steuern ist für 2025 eine schwarze Null budgetiert.
Eine „herausfordernde Situation“ für den ORF und das seit Jahren sieht auch der ÖVP-Vertreter im Stiftungsrat, Thomas Zach. Positiv wertet er deshalb, dass es Generaldirektor Roland Weißmann gelungen ist, einen ausgeglichenen Finanzplan 2025 vorzulegen. „Allein 2025 sind 80 Millionen Euro an Einsparungen budgetiert, also knapp 10 Prozent vom Umsatz. Das ist nicht nichts.“ Bemerkenswert sei da auch, was die Mitarbeiter beizutragen bereit seien und schon waren – Stichwort: geringste Lohnabschlüsse im Land.
Man habe nun „an der Spitze eine proaktive Geschäftsführung und das macht für mich einen großen Unterschied zur vorangegangenen aus“, meint Zach. Das ermögliche dem ORF eine Weiterentwicklung, vor allem auch im digitalen Bereich und eröffne Spielräume für Investitionen ins Programm.
Äquidistanz und spürbare Meinungsvielfalt
Hier sieht Zach noch Handlungsbedarf etwa in der ORF-Information. „Die Trennung von Bericht und Kommentar muss noch klarer werden. Wir müssen auch diese ganzen neuen Regeln, Stichwort Ethikkodex, noch mehr verinnerlichen. Die Menschen müssen noch stärker das Gefühl bekommen, das man sich äquidistant Sachverhalten annähert und wir brauchen mehr sichtbare und spürbare Meinungsvielfalt.“ Mit „Ein Ort am Wort“ sei ein erster wichtiger Schritt getan, dem weitere folgen müssten.
Kein Ja zum ORF-Budget wird es vom FPÖ-Vertreter im Stiftungsrat, Peter Westenthaler, geben. Sein Befund: Dem ORF galoppierten die Personalkosten davon. „Das wird die nächsten Jahre so weitergehen, wenn es keine Maßnahmen gibt. Die müssten eigentlich der Kernpunkt eines solchen Budgets sein.“ Das brauche nicht zu heißen, dass man Leute rausschmeißt, so Westenthaler, "sondern in erster Linie, dass Spitzengehälter gekürzt werden müssen.“ Noch immer scheffelten 66 Privilegien-Ritter im ORF ein Vielfaches des österreichischen Durchschnittseinkommens. „Wir hatten eine große Diskussion über den Transparenzbericht, die ganze Republik hat aufgeschrien. Das blieb aber bisher völlig ohne Konsequenzen“, kritisiert der blaue Stiftungsrat.
Weniger Befreiungen vom ORF-Beitrag
Auch wegen der Haushaltsabgabe will Westenthaler nicht dem ORF-Finanzplan nicht zustimmen. „Menschen werden belästigt und mit der Geldeintreibung bedroht. Der Ton der OBS ist so, dass man glaubt, der Staatsanwalt kommt gleich um die Ecke.“ Er ortet zudem einen „Raubzug auf Kosten der Ärmsten“, weil es nun um acht Prozent weniger Beitragsbefreiungen gebe. Sogar blinde Menschen würden Vorschreibungen bekommen. „Hier kommt aus meiner Sicht der ORF seinem sozialen Auftrag nicht nach. Das ist unverständlich und wird erst enden, wenn dieses gescheiterte System der Haushaltsabgabe durch die Umstellung auf eine Budgetfinanzierung beendet wird.“
Davor warnt wiederum SPÖ-Vertreter Heinz Lederer: „In der derzeitigen Situation des Bundesbudgets würde kein verantwortungsvoller Finanzminister 750 Millionen für den ORF freimachen wollen oder können.“ Würde der ORF heute bereits aus dem Budget finanziert, wäre die Gefahr massiver Kürzungen groß, die man trotz der absolut negativen Folgen für den Medien- und Werbestandort auch noch als „Notwendigkeit“ verkaufen könnte. „Das orte ich als eigentliche Absicht hinter dem Beharren der FPÖ auf eine Budget-Finanzierung“, sagt Lederer.
Eine Gefährdung des ORF will auch dessen ÖVP-Pendant Zach nicht: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, gerade im Licht der letzten fünf, sechs Jahre, dass der ORF definitiv als Teil der kritischen Infrastruktur zu sehen ist. Er muss funktionieren, egal was passiert.“
Rasche Gesetzes-Reparatur zu den ORF-Gremien gefordert
Was möglicherweise noch vor der Bildung einer neuen Regierung stattfinden sollte, weil die entsprechende Frist abläuft, ist die Gesetzes-Reparatur bei den ORF-Gremien und deren Beschickung. Lederer: „Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sollte so rasch wie möglich umgesetzt und die ORF-Gremienstruktur demokratischer gestaltet werden. Der Stiftungsrat sollte verkleinert, die Basis für den Publikumsrat verbreitert werden.“ Das bedeute für ihn aber nicht, etwa die Bundesländer aus dem Stiftungsrat zu drängen.
Macht man das ORF-Gesetz auf, gehört für Lederer „zur Demokratisierung des ORF auch, dass der ORF-Generaldirektor mit einer Zweidrittelmehrheit nach geheimer Abstimmung gekürt wird.“
Wenn dann ein neuer Aufsichtsrat bestellt ist, sollte die ORF-Führung, aus Lederers Sicht, ihren Rücktritt anbieten: „Dann wird man sehen, wie die bisherige Arbeit bewertet wird, und ob man Generaldirektor Weißmann zutraut, dass er in den nächsten zwei Jahren noch einen gewissen Zug zum Tor entwickelt. Derzeit orte ich, im Gegenteil, eine gewisse Verwaltungshaltung, daher auch meine wiederholte Kritik an der Information, der Kultur- und besonders auch an der Sport-Redaktion.“ Eine Carte Blanche für Weißmann gebe es nicht.
Der Leiter der ÖVP-nahen Stiftungsräte Zach meint hingegen: „Was wir als Unternehmen jetzt brauchen, ist Kontinuität, um das, was an neuen Rahmenbedingungen geschaffen wurde, auch positiv für das Publikum umsetzen zu können.“
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