ORF und Co: Knatsch der Regierungsverhandler
Dienstagabend präsentierte ORFIII im Wiener Palais Schönborn-Batthyány die zweite Staffel der insgesamt 40-teiligen Reihe „Österreich – Die ganze Geschichte“ (ab 27. Dezember). Diese Gelegenheit nutzte der „Ideengeber“ der Produktion, ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, für ein Plädoyer für den Medienstandort Österreich. Tags zuvor waren die Koalitionsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos zum Medienkapitel gestartet.
In einer Zeit, in der Google, Facebook und Co immer stärken dominieren, „haben wir jetzt die Chance, Österreich als einen dualen Medienstandort der Zukunft zu bauen – oder irgendwann medial unterzugehen im zehnmal so großen gleichsprachigen Nachbarmarkt“, so Weißmann.
Qualitätsjournalismus braucht Finanzierung
„Eine Produktion wie diese, in der österreichische Geschichte für ein österreichisches Publikum aufgearbeitet wird, gibt es nur, weil der ORF entsprechende Ressourcen und eine gewisse Größe hat“, sagte Weißmann. Qualitätsjournalismus und Qualitätsmedien, die Österreich abbilden und mit ihren Recherchen aufarbeiten, bräuchten eine nachhaltige Finanzierung.
Doch die Verhandler sind noch mit sich selbst beschäftigt. So kritisierte Neos-Verhandlerin Henrike Brandstötter, dass bei ÖVP (Gregor Schütze) und SPÖ (Heinz Lederer) aktuelle ORF-Stiftungsräte im Team sind. „Das ist ganz alte Politik“, meinte sie auf Social Media und verglich das damit, „als würde der Aufsichtsrat eines Waffenproduzenten über die Ausstattung des Bundesheeres“ mitverhandeln.
Respekt eingefordert
Dass er in die Nähe von Waffenhändlern gerückt werde, erachte er als respektlos, meinte der so angesprochene Lederer nun zur APA. „Ich erwarte mir eine Entschuldigung“, denn die Neos würden sich Respekt wiederholt auf die Fahne schreiben. Diesen Respekt wünsche er sich auch im Miteinander, sagte Lederer, an dessen Seite u. a. auch der Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz für die SPÖ im Team sitzt. Seine Hand sei aber prinzipiell ausgestreckt, um gemeinsam im Sinne des gesamten Medienstandorts zu arbeiten. Er sei kein Lobbyist des ORF, sondern kontrolliere ihn als Stiftungsrat.
Abschiedsvorstellung
Das oberste 35-köpfige ORF-Aufsichtsgremium debattiert am Donnerstag das ORF-Budget 2025. Geplant ist bei einer Milliarde Umsatz die schwarze Null als Ergebnis. Für einige Stiftungsräte wird das wohl die Abschiedsveranstaltung. Nach Nationalrats- und Steiermark-Wahl stehen Umbesetzungen an. Das macht das ORF-Gesetz möglich – das nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aber auch ein Ablaufdatum hat, den 31. März 2025.
Dass vor diesem Datum in der Steiermark eine neue, von der FPÖ geführte Landesregierung steht, darf man annehmen. Sie kann dann ihren ORF-Stiftungsrat austauschen. Derzeit ist das der Verfassungsjurist Klaus Poier, der zum ÖVP-Freundeskreis gezählt wird.
Für alle weiteren Umbesetzungen braucht es eine neue Regierung. Schafft diese entsprechende Beschlüsse vor Ende März 2025, kann sie neun Stiftungsräte austauschen. Wegen des Skandalisierungspotenzials wird man sich diesmal vor Sideletters dazu hüten.
Mehr Blaue im neuen Stiftungsrat
Zudem wandert ein Stiftungsratssitz von der ÖVP zur nun stärksten Partei im Nationalrat, den Blauen. Diese Person wird formal aber ebenfalls von der neuen Regierung entsandt.
Fix wäre nach den Rochaden, dass die ÖVP-nahen Stiftungsräte nicht mehr die alleinige Mehrheit haben.
Steht eine neue Regierung erst nach dem 31. März, braucht sie ein neues Gesetz, das die Bestellung von Stiftungsräten (und Publikumsräten) regelt. Bis das passiert, bleiben die bisherigen im Amt.
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