Pläne für Ö1: Offener Brief gegen "Kahlschlag mit nie dagewesenem Schaden"

ORF-Zentrum
Prominente heimische Kulturinstitutionen wenden sich gegen zuletzt bekannt gewordene Pläne für den ORF-Radiosender.

Die aktuelle Diskussion um die Zukunft der ORF-Radiosender zieht nun einen weiteren offenen Brief nach sich - unterzeichnet von einer umfangreichen Liste an heimischen Kulturinstitutionen wie Salzburger Festspiele, Festival Grafenegg und den Bundestheatern.

In dem an ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und weitere Mitglieder der Direktion gerichteten Brief sprechen die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen am Montag von einem drohenden "Kahlschlag mit einem nie dagewesenen Schaden für die heimische Musikszene und der damit verbundenen wirtschaftlichen Wertschöpfungskette". 

Weniger Musikangebot

Der Protest, der auch über eine Petition ausgedrückt werden soll, richtet sich gegen die Pläne des ORF für die Radiosender Ö1 und FM4die Hörfunkdirektorin Ingrid Thurnher im Standard geäußert hat. Der Brief, der zur Kenntnisnahme auch an Mitglieder der Bundesregierung gesendet wurde, richtet sich vor allem gegen die Pläne betreffend den Kultursender Ö1 und eine mögliche Reduktion des Musikangebots. Es wird befürchtet, dass ganze Sendereihen aus dem Programm von Ö1 gestrichen oder "bis zur Unkenntlichkeit" gekürzt werden könnten. Das betreffe "Zeit-Ton", die "Ö1 Jazz Nacht", die "Lange Nacht der Neuen Musik", "Kunstradio" und weitere Formate.

"Insgesamt geht es um mindestens 575 Stunden zeitgenössischen, größtenteils österreichischen Musikschaffens, die aus dem öffentlichen Raum verschwinden sollen", heißt es. Darüber werde das vom ORF produzierte Musikprotokoll im Steirischen Herbst als Festivalplattform neuer und experimenteller Musik in Frage gestellt.

"Fatale Beschädigung"

"Die Pläne des ORF würden damit einer fatalen Beschädigung des hohen Ansehens und des internationalen Ranges des Musiklandes Österreich gleichkommen – ganz zu schweigen von der eigenen Schwächung in der Europäischen Radiounion (EBU) mangels anzubietender Inhalte", heißt es in dem Protestbrief.

"Fundamentale Inhalte künstlerischen Schaffens" "bis zu deren Unauffindbarkeit aus dem öffentlichen Medienraum zu streichen" stehe als "eklatante Verletzung des im ORF Gesetz formulierten öffentlich-rechtlichen Kernauftrages" im Raum.

Daher fordern die Unterzeichner, dass der ORF "Abstand von der massiven Infragestellung Neuer Musik und Jazz nimmt und weiterhin einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt des österreichischen Musiklebens leistet". Diese Forderung sei als "Einladung zum Dialog" zu verstehen.

Prominente Liste

Als Erstunterzeichner werden unter anderem die Salzburger Festspiele, die österreichischen Bundestheater, Orchester wie die Wiener Philharmoniker, die Wiener Symphoniker und Klangforum Wien, die Festivals Steirischer Herbst, Wien Modern und Grafenegg (NÖ), das Wiener Konzerthaus, der Wiener Musikverein und zahlreiche Kunstuniversitäten angeführt. 

LINK: Der offene Brief in voller Länge

 

Klangforum Wien – Peter Paul Kainrath, Intendant
Österreichischer Kunstsenat – Josef Winkler, Präsident; Nali Gruber und Erwin Wurm, Vizepräsidenten
Salzburger Festspiele – Markus Hinterhäuser, Intendant; Lukas Crepaz, Kaufmännischer Direktor; Florian Wiegand, Konzertchef; Kristina Hammer, Präsidentin
Österreichische Bundestheater – Mag. Christian Kircher, Geschäftsführer
Wiener Konzerthaus – Matthias Naske, Intendant
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien – Dr. Stephan Pauly, Intendant
Wien Modern – Bernhard Günther, Künstlerischer Leiter
Steirischer Herbst – Ekaterina Degot, Intendantin und Chefkuratorin
Wiener Philharmoniker – Michael Bladerer, Geschäftsführer
Wiener Symphoniker – Jan Nast, Intendant
Kunstuniversität Graz – Ao.Univ.Prof. Mag. Mag. Dr. Georg Schulz MSc, Rektor
mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien – Mag.a Ulrike Sych, Rektorin
Universität Mozarteum Salzburg – Prof.in Elisabeth Gutjahr, Rektorin
MUK – Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien – Dr. Andreas Mailath-Pokorny, Rektor
Anton Bruckner Privatuniversität – Martin Rummel, Rektor
Gustav Mahler Privatuniversität für Musik – Roland Streiner, Rektor
Jam Music Lab – Private University for Jazz and Popular Music Vienna – Marcus Ratka, Rektor
Porgy & Bess Jazz & Music Club – Christoph Huber, Künstlerische Leitung
Music Austria – Mag. Sabine Reiter MBA, Geschäftsführende Direktorin
Österreichischer Musikrat – Dr. Harald Huber, Präsident
Austrian Composers Association – Prof. Harald Hanisch, Präsident; Mag. Mia Zabelka, Vize-Präsidentin E-Musik
IGNM – Internationale Gesellschaft für Neue Musik – Sonja Leipold, Präsidentin
Osterfestival Tirol – Hannah Crepaz, Geschäftsführerin
Bruckner Orchester Linz – Mag. art. Norbert Trawöger, Künstlerischer Direktor
Symphonieorchester Vorarlberg – Sebastian Hazod, Geschäftsführer
Tonkünstler-Orchester – Frank Druschel, Geschäftsführer
BSA – Bund Sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen – Dieter Boyer, Vorsitzender KünstlerInnen
Grafenegg Kulturbetriebsgesellschaft m.b.H. – Dr. Philipp Stein, Operativer Geschäftsführer
VTMÖ – Dachverband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten Österreichs – Alexander Hirschenhauser, Sprecher des Leitungsteams
KAIROS, Label für zeitgenössische Musik – Alexander Götzinger, CEO & Martin Rummel, künstlerischer Leiter

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