ORF-Legende gestorben: Die 4 spektakulärsten Fälle aus Aktenzeichen XY

ORF-Legende gestorben: Die 4 spektakulärsten Fälle aus Aktenzeichen XY
Zum Gedenken an Peter Nidetzky hat der KURIER die spektakulärsten Fälle aus Aktenzeichen XY zusammengefasst.

34 Jahre lang war Peter Nidetzky das österreichische Gesicht der Lieblingssendung aller True-Crime-Fans (auch wenn man dieses Wort während seiner Laufbahn noch nicht kannte). Einige Fälle aus Aktenzeichen XY sind den Sehern auch Jahrzehnte später noch im Gedächtnis geblieben. Ein Überblick:

  • Der YOGTZE-Fall
  • Der Fall Kern
  • Die "auferstandene Tote", Petra P.
  • Lolita B. - der Mörder, der in Freiheit blieb

Der YOGTZE-Fall

Am 25. Oktober 1984 ereignet sich in Anzhausen (Nordrhein-Westfalen) der wohl mysteriöseste Kriminalfall Deutschlands rund um das Opfer Günther Stoll. Der 34-jährige Lebensmitteltechniker, der seit längerer Zeit arbeitslos ist, äußert bei einem Abendessen Angst vor einer Verschwörung und sagt zu seiner Frau, er fürchte, ermordet zu werden. Kurz darauf kritzelt er das Wort "YOGTZE" auf einen Zettel, streicht es aber wieder durch.

Später, in einer Kneipe und bei der Nachbarin seiner Eltern, warnt Stoll vor einem bevorstehenden Unglück. Zwei Stunden später kommt es zu einem Unfall auf der A45. Lkw-Fahrer finden seinen schwerbeschädigten Golf, am Rücksitz hören sie Stoll wimmern – er ist schwer verletzt und nackt. Mit letzten Worten erklärt er, dass es "nicht seine Freunde" waren und "vier" Personen beteiligt waren. Er stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus.

Was genau passiert ist und was "YOGTZE" bedeutet, bleibt bis heute ein Rätsel. 

Details zum Fall lesen Sie hier: 

  • Der 34 Jahre alte Günther Stoll sitzt mit seiner Ehefrau am Tisch und isst zu Abend. Der Lebensmitteltechniker ist seit längerer Zeit arbeitslos. Die gemeinsame Tochter schläft schon. Das Paar unterhält sich, als Stoll plötzlich panisch wird. Er sieht seine Frau an und sagt: "Ich halt das nicht mehr aus, alle sind sie gegen mich. Ich hab' einfach Angst, dass die mir was antun". Stolls Frau sieht ihn verwundert an. Auf die Frage, wer “die” sind, antwortet er nicht. Die Frau weiß, dass ihrem Mann seine Arbeitslosigkeit zusetzt. Stoll ist nicht gut drauf, er spricht seit einiger Zeit immer wieder von “denen”, die sich gegen ihn verschworen hätten. Deshalb versucht sie ihren Mann zu beruhigen und fragt nicht weiter nach. 
     
  • Als das Paar gegen 23 Uhr ins Schlafzimmer geht, um zu Bett zu gehen, springt Stoll aus dem Sessel auf und schreit: "Jetzt geht mir ein Licht auf". Stoll greift zu einem Zettel und kritzelt das Buchstaben Y O G T Z E darauf. Daher hat der Fall seinen Namen. Stoll streicht das Wort danach wieder durch. Schlafen gehen will Günther Stoll nun nicht mehr. "Ich muss noch einmal weg, ich kann hier nicht ruhig sitzen bleiben. Ich hab' Angst, unheimliche Angst, dass ich umgebracht werde." Was er genau damit meint, kann er seiner Frau nicht beantworten. 
     
  • Stoll fährt in seine Lieblingskneipe Papillion, wo er vom Tresen kippt. Er versichert den anderen Gästen, dass es nicht der Alkohol sei, der ihn umgehauen hat, er hätte einfach einen Aussetzer gehabt. 
     
  • Danach fährt er zur Nachbarin seiner Eltern und klingelt die Pensionistin aus dem Bett: "Guten Abend, ich bin's, der Günther. Ich muss mit jemandem reden, diese Nacht passiert noch etwas, etwas ganz Fürchterliches", schreit er der Frau zu, die am Schlafzimmerfenster steht. Sie rät ihm, nach Hause zu fahren, zu seiner Frau. Dort würde ihm bestimmt nichts passieren. Stoll sieht das ein. Er setzt sich in sein Auto und fährt davon. Nun vergehen zwei Stunden - die entscheidenden zwei Stunden. 
     
  • Um 3 Uhr früh ist ein Lkw-Fahrer auf der A45 Richtung Hagen-Süd unterwegs. Am Straßenrand bemerkt er plötzlich ein Auto im Graben. Es scheint einen Unfall gegeben zu haben. Der Lkw-Fahrer sieht einen Mann rund um das Auto gehen, er fürchtet, dass er verletzt ist und hält an. Er rennt zu einem Notruf-Telefon und meldet den Unfall. Handys gab es 1984 noch keine. Während der Lkw-Fahrer den Notruf absetzt, hält auch ein zweiter Mann mit seinem Sattelschlepper, der den Unfall ebenfalls bemerkt hat und helfen möchte. Gemeinsam gehen die Lkw-Fahrer zum Unfallauto. Der Wagen ist schwerbeschädigt. Von der Person, die vorher noch rund um das Auto gelaufen ist, fehlt jede Spur. Von der Rückbank hören die Männer ein schmerzverzerrtes Wimmern. Es kommt von Günther Stoll. Er sitzt schwer verletzt hinten im Auto, vollkommen nackt. Ein Arm ist beinahe abgetrennt, doch Stoll ist noch am Leben. Er spricht mit den Männern: "Nicht meine Freunde. Sie sind abgehauen, weg. Es waren vier. Ich will auch weg." Der Notarzt kommt, Günther Stoll stirbt aber noch am Weg ins Krankenhaus. Seine Verletzungen waren zu schwer.

Der Fall Kern

Der Tod von Tanzschulbesitzer Heinz Kern ist seit einem halben Jahrhundert ungeklärt und damit der älteste Cold Case in der österreichischen Kriminalgeschichte. Heinz Kern war vergiftet worden. Dass der Fall nicht aufgeklärt werden kann, hat möglicherweise auch mit Aktenzeihen XY zu tun - denn das wohl wichtigste Beweisstücke wurde damals ohne Rücksichtnahme auf Spuren oder DNA-Hinweise in der Sendung gezeigt, ging dabei durch Dutzende Hände. 

  • Es ist der 14. September 1972, als es an der Tür eines Altbaus in Graz läutet. Helga Kern öffnet und der Postbote drückt ihr ein Paket in die Hand. Darin befindet sich eine Art Geschenkkorb, der an ihren Mann, den Turniertänzer und Tanzlehrer, Heinz Kern adressiert ist. In dem Schuhkarton liegen verschiedene Lebensmittel und ein Dankesbrief, in dem der Absender einen „guten Appetit“ wünscht. Unterschrieben war der Brief mit „Josef Mautner“ – ein erfundener Name, wie sich später herausstellen soll.
     
  • Heinz Kern macht sich gleich über das Paket her, das Verhackerte schmeckt ihm besonders gut. Doch es soll sein Todesurteil sein, der Aufstrich ist vergiftet. Einen Tag später stirbt Heinz Kern unter qualvollen Schmerzen. Kurz darauf stellt der Gerichtsmediziner fest, dass der Aufstrich mit Arsen versetzt war. Die Tat war also von langer Hand geplant gewesen.
     
  • Aber konnte sich der Mörder oder die Mörderin überhaupt sicher sein, dass ausschließlich Heinz Kern davon essen würde? Und in welchem Verhältnis standen Opfer und Täter zueinander? Sofort brodelte die Gerüchteküche in Graz auf der Suche nach einem Motiv.
     
  • Der 33-jährige Kern war erfolgreich, führte seine eigene Tanzschule und war gemeinsam mit seiner Frau ein außergewöhnlich guter Tänzer. Die beiden waren mehrere Male österreichische Staatsmeister und gewannen einen Weltcup. Gab es Neider? Trotz akribischer Ermittlungen ist der Fall bis heute ungeklärt.

Die "auferstandene Tote", Petra P.

1984 verschwindet Studentin Petra P. spurlos auf dem Weg zu ihren Eltern. Ermittler vermuten ein Gewaltverbrechen. 1985 wird sie für tot erklärt.

2015 taucht Petra P. in Düsseldorf wieder auf – sie lebte 31 Jahre anonym und hatte ihr Verschwinden geplant. Sie gibt an, möglicherweise eine psychische Krise nach einem Missbrauchserlebnis in ihrer Jugend erlebt zu haben.

  • Am 26. Juli 1984 verschwindet die Informatik-Studentin Petra P. spurlos. Sie ist gerade auf dem Weg zu ihren Eltern nach Braunschweig, um dort in Ruhe ihre Diplomarbeit fertig zu stellen. Nachdem sie in Wolfsburg noch ein Geburtstagsgeschenk für ihren kleinen Bruder gekauft hat, verschwindet sie. Ob sie in den Bus in Richtung Braunschweig gestiegen ist, weiß niemand und es melden sich auch keine Zeugen. 
     
  • Weil im Jahr zuvor die Leiche einer 14-Jährigen gefunden wurde - und zwar genau an jener Bushaltestelle, von wo aus Petra P. zu ihren Eltern gefahren wäre, gehen die Ermittler von einem Gewaltverbrechen aus. 
     
  • Der Mörder der 14-Jährigen wird schließlich verurteilt und gesteht auch den Mord an Petra. P. widerruft seine Aussage später jedoch. Nach fünf Jahren verzweifelter Suche lassen ihre Eltern Petra 1985 für tot erklären, obwohl nie eine Leiche gefunden wurde. 
     
  • 2015 wird eine Frau Schneider in Düsseldorf wegen eines Wohnungseinbruchs in ihrer Nachbarschaft von der Polizei befragt. Sie kann sich nicht ausweisen und gesteht schließlich, Petra P. zu sein. Ohne Papiere lebte sie 31 Jahre ohne Bankkonto oder Versicherung. Sie hatte ihr Untertauchen akribisch geplant. Das Warum bleibt lange ein Geheimnis, bis sich Petra P. in einem Interview mit RTL äußert. Sie sagt selbst, wohl eine schizophrene Episode erlebt zu haben, nachdem sie in ihrer Jugend missbraucht worden wäre.

Lolita B. - der Mörder, der in Freiheit blieb

Einer der meistdiskutierten Fälle aus der Aktenzeichen-XY-Geschichte ist jener von Lola B. Der Fall, der sich um eine vermisste, schwangere 18-Jährige dreht, wird 29 Jahre später dank des Hinweises eines Zusehers geklärt. Der Mann, der an Lolas Tod Schuld hat, muss aber nicht hinter Gitter, denn die Tat ist verjährt. 

  • Die 18 Jahre alte Frau wird im Herbst 1982 in der Eifel als vermisst gemeldet. Zunächst wird ein Suizid vermutet, da Lola B. schon einen Selbstmordversuch verübt hat. Der Hintergrund ist, dass der Vater ihres Freundes immer wieder versucht, die Beziehung des Paares zu torpedieren, weil Lola dem reichen Bauern als Schwiegertochter nicht gut genug ist. Das Paar kommt aber immer wieder zusammen - auch wegen der Schwangerschaft. 
     
  • Am Tag ihres Verschwindens ist die 18-Jährige auf dem Weg zum Haus ihres Freundes. Eine Freundin nimmt sie dorthin mit dem Auto mit, lässt sie aber etwas vorher aussteigen, Lola will den Rest des Wegs zu Fuß gehen. Das ist das letzte Lebenszeichen von Lola B. Einige Monate später findet ein Junge den Hausschlüssel der Vermissten, nur wenige Meter von dem Haus ihres Freundes entfernt, der junge Mann rückt in den Fokus der Ermittler, es kann ihm aber nichts nachgewiesen werden. 
     
  • 2011 wird der Fall in Aktenzeichen XY erneut aufgerollt und es kommt zum Durchbruch: Es meldet sich ein Mann, der angibt, Lolas Freund 1982 beim Entsorgen der Leiche auf einer Müllhalde geholfen zu haben. Tatsächlich werden die sterblichen Überreste der jungen Frau dort gefunden. Der Freund kommt für mehrere Monate in Untersuchungshaft, wird nach dem Prozess aber entlassen. Die Tat wird als Totschlag gewertet, der anders als Mord verjährt. 

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