Stiftungsratschef Lockl: „Es gibt ohne Zweifel Reformbedarf“
Kein Ende in den Diskussionen nach den öffentlich gewordenen Chats zwischen Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und dem blauen Ex-Stiftungsratschef Norbert Steger zu einem personellen Umbau im ORF sowie jenen mit dem jüngst zurückgetretenen ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom. „Das Bild, das sich durch diese Vorfälle ergeben hat, ist negativ“, sagt der amtierende Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl im KURIER-Gespräch. „Es war wichtig, dass die ORF-Führung rasch Konsequenzen gezogen hat.“
Frage der Unabhängigkeit
Ins Schussfeld geraten ist durch Steger auch das oberste ORF-Aufsichtsgremium und in der Folge dessen wieder einmal der Modus der Beschickung. Die liegt in großen Teilen in der Hand des Kanzleramts. Das sorgt regelmäßig für eine zumindest vorübergehende Regierungsmehrheit im ORF-Stiftungsrat. Mit Vehemenz forderten deshalb nun die ORF-Redakteure eine Neuregelung als Grundlage für einen „glaubwürdigen Neustart“ des ORF. „Es gibt ohne Zweifel Reformbedarf. Diese Debatte gibt es seit Jahren und Jahrzehnten und sie ist auch notwendig - je unabhängiger, desto besser“, unterstreicht Lockl, dessen Funktion bereits in einem Sideletter während der Regierungsbildung von ÖVP und Grünen festgehalten wurde.
Die Kritik am Umgang mit der Causa „Chats“ in ORF-Sendungen – SPÖ-Stiftungsrat Heinz Leder sprach von „Selbstzerfleischung“ – teilt Lockl nicht: „Als Gegenstand des öffentlich-rechtlichen Auftrags sehe ich schon, dass sich der ORF auch immer wieder selbst hinterfragt, auch kritische Berichterstattung über Medien und den ORF als Teil dessen gehört hier dazu. Das steht auch für die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des ORF und seiner Berichterstattung.“
Haftung
Für den aktuellen Stiftungsrat, in dessen Amtszeit übrigens keine (!) Generaldirektorenwahl fällt, nimmt Lockl „bei aller Reformnotwendigkeit in Anspruch, dass die Mitglieder verantwortungsbewusst ihre Funktion wahrnehmen und sehr qualifiziert sind. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen, was wichtig ist, denn es geht um Kontrollaufgaben für ein sehr großes Unternehmen.“ Nicht zu vergessen sei, dass es ein Ehrenamt sei und man für grobe Fehlleistungen hafte. Und der Grüne weiter: „Wenn man die Einwände gegen den Stiftungsrat konsequent weiterdenkt, dürfte sich keine Persönlichkeit als Mitglied zur Verfügung stellen, weil es derzeit keinen Idealzustand bei der Beschickung gibt. Das kann ja auch nicht die Antwort sein.“ Und dass Bestellungen für Funktionen in privaten Unternehmen stets zu einem besseren Ergebnis kommen, glaube er auch nicht.
Lockls Credo: „Bitte messen Sie den jetzigen Stiftungsrat an seinen Ergebnissen.“ In diesem Zusammenhang hebt er die Stärkung der Redakteursrechte und damit der journalistischen Unabhängigkeit hervor sowie das neue ORF-Direktorium, das „ausschließlich nach Qualifikation und aufgrund der Kompetenz mit großer Mehrheit gewählt worden ist.“
Strahlkraft
Zur Frage von Gesetzesnovellierungen meint Lockl, der Stiftungsrat sei nicht der Gesetzgeber. „Das ist Sache der Mehrheit im Nationalrat. Weil das eine Frage von großer Bedeutung ist, halte ich es für sinnvoll, wenn eine möglichst breite Mehrheit entsprechende Änderungen beschließt.“ Dass dem auch noch die Bundesländer, die derzeit neun Sitze im großen, 35-köpfigen Stiftungsrat besetzen, im Bundesrat zustimmen müssten, macht die Sache nochmals komplexer.
Der ORF habe aber noch ganz andere Zukunftsherausforderungen zu managen, erklärt Lockl, der deshalb fordert sich auch wieder der ORF-Zukunft zuzuwenden: „Die Themen liegen auf dem Tisch: Absicherung der Finanzierung, mehr ORF-Möglichkeiten im Bereich der Digitalisierung. Und letztlich geht es bei all dem darum, das beste öffentlich-rechtliche Programm für das Publikum zu bieten und die Strahlkraft des ORF zu erhöhen.“
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