Selbstzerfleischung im ORF

Der Autor Heinz Lederer ist ORF-Stiftungsrat der SPÖ
In Österreich hat der ORF durch „72 Stunden“ desaströser Krisenkommunikation, viel an seiner internationalen und nationalen Reputation verloren. Abgesehen von Generaldirektor Roland Weissmann, der sich hinter den Kulissen wirklich um eine rasche Lösung bemüht hat, waren wesentliche Probleme und die öffentliche Demütigung des ORF nicht nur den unpassenden Chats von Chefredakteur Schrom geschuldet, sondern auch den starken internen Selbstzweifeln an den öffentlich-rechtlichen Sicherheitsnetzen im ORF.
Wenn sich ORF.at selbst durch „fahndungsähnliche“ Fotos eines langjährigen und inhaltlich tadellosen Chefredakteurs vorführt, dann stellt man sich nicht nur hier die Frage, wo hier die Leadership liegt. Nächstes Beispiel liegt bei Ö1 bzw. FM4, die man ohne vorherige Ankündigung und mit teuren Beratern einfach „einköcheln“ will.
ORF trägt Mitschuld am eigenen Reputationsverlust
Wenn der neue „multimediale Newsroom“ ein architektonisch gut gestalteter „place to work“ sein soll, aber inhaltlich und personell die Zusammenführung der Mitarbeiter:innen nicht stattfindet, dann ist deren Unmut verständlich. Dieses Multi-Organversagen rührt aber vor allem aus der Ära Kurz / Strache. Message-Kontrolle, der Umgang mit Journalisten, sowie das permanente Bedrohen der ökonomischen Sicherheit von Print- und elektronischen Medien waren „part of the game“.

Der neue, multimediale Newsroom des ORF.
Wenn sich aber Spitzenjournalisten und führende Mitarbeiter des Unternehmens 72 Stunden lang öffentlich selbst geißeln (niemand redet mehr über die Probleme der Styria und ev. gekaufte Meinungsumfragen), dann ist der ORF Mitschuld am eigenen Reputationsverlust.
Nachrichtensendungen zwischen Klimakonferenz und Teuerung lassen den Redakteurssprecher des ORF auftreten, dieser mokiert sich live über die rechtliche Struktur des ORF-Gesetzes, die Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, die eine Klage gegen den ORF und seine Gremien führt, kommt in allen Formaten vor und eine neoliberale Politikerin, die die blauen Seiten „abdrehen“ will, wird prominentest im ORF platziert – hier fehlt klar Crisis-Communication. Ein Fressen und schlechtes Schauspiel für alle Medienmitbewerber.
Was sich ändern muss
Deshalb wird der Stiftungsrat rasch mit einer gründlichen Analyse starten und Konsequenzen fordern müssen. Wichtige Punkte dafür sind ein Round Table, Interessen des Publikums mehr in den Vordergrund stellen, eine internationale Evaluierung der internen Abläufe, von Personalentscheidungen und Bestellvorgängen.
Sollte der ORF das nicht rasch umsetzen, dann werden sowohl die Finanzierung (Haushaltsabgabe/Streaminglücke) als auch die organisatorischen und personellen Strukturen des ORF in Frage gestellt werden. Wenn das Management diese Selbstzerfleischung nicht stoppt, dann werden Kurz und Strache die Zerschlagung und finanzielle Zerstörung des ORF noch miterleben.
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