ORF-Ethikkodex bringt strengere Regeln und dienstrechliche Konsequenzen

Für ORF-Chef Roland Weißmann sind die neuen Anschuldigungen eine "Grenze erreicht"
Schutz von Objektivität und Unabhängigkeit im Vordergrund. Social-Media-Richtlinien verschärft. Cooling-Off-Phase für früher politisch tätige Mitarbeiter.

In der Mühle zwischen FPÖ-Chats und Gagen-Diskussion versucht ORF-Generaldirektor Roland Weißmann auch Schritte zu setzen, die das Unternehmen und seine Mitarbeiter weniger angreifbar machen. Am Dienstag hat der General den neuen Ethikkodex für alle Mitarbeitenden des Öffentlich-Rechtlichen in Kraft gesetzt.

Er bringt erhebliche Einschränkungen u. a. bei Nebenbeschäftigungen, der Nutzung von Social Media sowie Vorgaben bei Tätigkeiten im (halb-)politischen Umfeld. Schon bisher bedurfte es für Nebenjobs der Genehmigung.

Weil mit dem Ethikkodex eine Dienstanweisung verbunden ist, können bei Verstößen auch arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen. Nach Auftritten von „ORF-Gesichtern“ im politiknahen Bereich hatte ORF-Chef Weißmann im Vorjahr eine Ethikkommission zur Ausarbeitung des Kodex eingesetzt.

Schon der Anschein einer Unvereinbarkeit ist zu vermeiden

Der Kernsatz auf den 24 Seiten des Ethikkodex lautet: „Zum Schutz der Objektivität und Unabhängigkeit ist … der Anschein einer Unvereinbarkeit basierend auf der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu vermeiden.“ Vorrangig betroffen sind Personen, „die in journalistischen und programmgestaltenden Bereichen tätig sowie jene, die in der Öffentlichkeit entweder aufgrund ihrer (Führungs-)Funktion oder ihrer öffentlichen Bekanntheit mit dem ORF identifiziert werden.“

So ist zum Beispiel von Nebenbeschäftigungen (Moderationen, Vortragstätigkeiten, Buchveröffentlichungen, etc.) Abstand zu nehmen, „die geeignet sind, die Objektivität, Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des ORF und der betroffenen Mitarbeiter, auch nur dem Anschein nach zu gefährden.“

Besondere Achtsamkeit sei bei Auftraggebern geboten, über die der ORF regelmäßig berichtet - etwa politische Institutionen, parteinahe Organisationen und Institute oder auch Interessenvertretungen. ORF-Mitarbeiter dürfen zudem weder über den Auftraggeber einer Nebenbeschäftigung noch über den Anlass der Nebenbeschäftigung berichten.

Demonstrative Antipathie oder Sympathie unzulässig

Intern viel diskutiert wurden die neuen Social-Media-Guidelines, die von ORFlern viel genutzt werden. Allein ZiB2-Anchor Armin Wolf hat auf X (vormals Twitter) 640.000 Follower. Festgehalten ist nun: Äußerungen in sozialen Medien haben den Werten des ORF (Objektivität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit) zu folgen. Kritische Auseinandersetzungen oder persönliche Wertungen über Dritte müssten „stets sachlich“ und begründet sein. Äußerungen, mit denen demonstrativ Sympathie oder Antipathie gegenüber politischen Institutionen zum Ausdruck gebracht werden, sind für ORF-Mitarbeiter unzulässig.

Und: Stellungnahmen zu betriebsinternen oder unternehmenspolitischen Themen des ORF müssen mit der Unternehmenskommunikation bzw. dem ORF-Chef abgestimmt werden. Ausgenommen sind Belegschaftsvertreter.

Solidarisierung oder Verhaberung schon im Ansatz vermeiden

Gerade auch in einem Wahlkampfjahr steht die politische Berichterstattung des ORF und damit die Mitarbeiter der ORF-Info im Fokus. Über den Umgang heißt es nun: Zu politischen Parteien und deren Vertretern ist „stets professionelle Distanz zu wahren“. Solidarisierung und Verhaberung sind schon im Ansatz zu vermeiden. Für früher politisch tätige Personen wird überdies bei der Anstellung im ORF-Informationsbereich eine „Cooling-off-Periode“ von in der Regel fünf Jahren empfohlen.

Auch bezüglich Korruption wird der neue Ethik-Codex deutlich: „Der ORF duldet keine Verhaltensweisen, die das Unternehmen oder seine Mitarbeitenden mit nicht gesetzeskonformen Vorgängen oder Handlungen in Verbindung bringen.“ Prinzipiell gilt ein allgemeines Geschenkannahmeverbot, das Ausnahmen etwa für ortsübliche Geschenke geringen Werts (bis zu 100 Euro) vorsieht.

Transparenz soll Zweifel zerstreuen

Der neue ORF-Codex hält programmatisch fest: Da das Entstehen von Interessenskonflikten nie gänzlich verhindert werden könne, müsse umso mehr durch Transparenz jeder Zweifel an der Unabhängigkeit vermieden werden. Die ORF-Mitarbeiter sind verpflichtet, etwaige Interessenskonflikte ihren Vorgesetzten zu melden.

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