Aufdecker-Journalismus
Im August 1985 entdeckten die Basta-Journalisten Burkhart List und Otto Grüner GHN-45-Kanonen im jugoslawischen Militärhafen von Ploče (vormals: Kardeljevo). Sie galten in Verbindung mit der Munition von Hirtenberger als Wunderwaffen. Stutzig machten List Beschriftungen in Farsi, wo doch die Waffen nach Jordanien gehen sollten. „Das ist die Ausgangsstation für die Aufdeckung des größten Skandals der Republik“, sagt List.
Ein Monat davor hatte Österreichs Botschafter in Athen (und zuvor in Beirut), Herbert Amry, Wien von illegalen Waffengeschäften der Noricum mit dem Iran informiert. Der, seit der Revolution von 1979, Erzfeind des Westens kämpfte im ersten Golfkrieg mit dem Irak, der ab 1982 illegal mit Kanonen beliefert wurde. Damit verbunden war Kreiskys Wunsch an Saddam Hussein, er solle die Unterstützung für Abu Nidal einstellen, u. a. Drahtzieher des Terror-Anschlags auf den Flughafen Schwechat.
Amry starb kurz nach seiner Meldung an die österreichische Bundesregierung auf einem Botschaftsempfang in Athen – an Herzinfarkt, wie es hieß. Amry sollte eigentlich kurz darauf nach Wien zurückkehren. Der Iran-Deal lief bis 1987. 1987 starb auch eine weitere Schlüsselfigur, VOEST-Generaldirektor Heribert Apfalter, ebenfalls an Herzinfarkt.
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Ein wichtiger Zeitzeuge
Spekuliert wurde über eine Beteiligung des Iran am Tod von Amry. Der war eine große Nummer in der Diplomatie und hatte etwa einen aufsehenerregenden Gefangenenaustausch zwischen Israel und der PLO zustande gebracht.
Ex-Innenminister Karl Blecha lässt nun in der „Menschen & Mächte“-Doku aufhorchen: „Wir hatten den Eindruck, dass es Teile des CIA gibt, die uns feindlich gesinnt sind", sagt der da. Er meint, dass Botschafter Amry von einer CIA-Splittergruppe ermordet worden sein dürfte. „Das haben wir angenommen. Die hat Amry aufs Korn genommen gehabt. Eindeutig." Jahrzehntelang hatte Blecha die offizielle These aus Staatsräson vertreten. „Man hat die Angst gehabt, dass hier Verwerfungen mit den USA entstehen, die ganz besonders negative Auswirkungen haben", so Blecha. Diese Aussage wirft „ein völlig neues Licht auf die Noricum-Affäre“, meint Historiker Thomas Riegler.
„Die Recherchen zu dieser Doku füllen ein halbes Buch“, sagt Tom Matzek, TV-Hauptabteilungsleiter Bildung, Wissenschaft und Zeitgeschehen. „Mein Wunsch wäre, dass wir im ORF auch noch die zweite Hälfte schreiben können.“ Auf der Agenda stünden US-Quellen wie Oliver North, bekannt durch die Iran-Contra-Affäre, der bei der VOEST um Hilfestellung angeklopft hatte. Auch Israel, über das Lieferungen in den Iran gingen, wäre ein Thema.
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Kooperation gefragt
„Wir wollen verstärkt Zeitgeschichte investigativ aufarbeiten“, erklärt Matzek im KURIER-Gespräch. Das sei aber nicht nur eine Frage der Ressourcen, sondern auch eine der Kontakte und Quellen. „Es gibt deshalb Gespräche mit Kollegen der ARD in Richtung einer öffentlich-rechtlichen Recherche-Plattform, um Themen der Gegenwart in der Vergangenheit sichtbar zu machen.“ Ein aktuelles Beispiel: „Der laufende Gas-Deal mit Russland lässt sich auf den ersten der Margarethe Ottillinger 1968 zurückführen. Der war damals ein Embargo-Breaker. Solche Geschichten haben einen Mehrwert und zeigen, dass Zeitgeschichte Relevanz hat für die Gegenwart“, erklärt Matzek.
Die Kanonendeals der Noricum waren übrigens für die Reputation Österreichs und auch wirtschaftlich ein Totalschaden. Am Ende kosteten sie auch wegen Schadenersatzzahlungen an den Iran drei Milliarden Schilling.
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