Ö3-Chef Pauser nach Kratky-Ausstieg: "Wir machen unter Volldampf weiter“

Ö3-CHEF MICHAEL PAUSER im Interview
Michael Pauser, seit 2 Jahren Ö3-Chef, über den "Wecker" nach Robert Kratky, seine Nachfolger und österreichische Musik

Der sofortige Ausstieg Robert Kratkys beim "Ö3 Wecker" aus gesundheitlichen Gründen kam auch für Ö3 überraschend. Wie es bei Sendung und Sender weitergeht, erklärt Ö3-Senderchef Michael Pauser.

Der Vertrag zwischen Robert Kratky und dem ORF wird aufgelöst. Schließt das eine künftige Zusammenarbeit aus?

Die ist überhaupt nicht ausgeschlossen. Er ist seit 30 Jahren beim ORF und wenn der Zeitpunkt kommt, an dem es Robert wieder besser geht, stehen ihm die Türen offen und man wird dann über neue Ideen reden - aber man wird nicht mehr über den "Ö3 Wecker" reden. 

Extreme Tiraden bei Kratky

Robert Kratky hat polarisiert. Werden nun die Debatten um den Sender weniger?

Feedback und Debatten zeigen, dass man relevant ist und wir leben auch davon. Ein Beispiel: Nach jedem "Wecker" sitzt nach einer kurzen Pause das ganze Team und meldet zurück, was an der Sendung gut oder nicht gut gelaufen ist und welche Ideen es für den nächsten Tag gibt. Da gab und gibt es viel Feedback von Hörerinnen und Hörern, das einfließt. Das ist aber etwas anderes, als wenn man mitten in der Nacht achtmal hintereinander im Abstand von drei Minuten extreme Tiraden gesendet  bekommt. Das war in Roberts Fall sehr massiv.

Was passiert mit der Sendung nach Robert Kratky?

Der "Wecker" ist Österreichs größte Morgensendung mit 1,6 Millionen Hörerinnen und Hörern – das wird sich nicht ändern. Wir werden weiterhin mit guter Laune gemeinsam aufstehen und einordnen, was Österreich gerade bewegt. Wir werden aber künftig noch mehr mit positiven Nachrichten arbeiten, weil es – auch ein Feedback des Publikums – ein großes Bedürfnis danach gibt. Also, wir machen unter Volldampf weiter. Wir respektieren Roberts Entschluss, der ihm wirklich nicht leichtgefallen ist, wie ich weiß. Dass nun Gabi Hiller und Philipp Hansa den "Wecker" übernehmen, liegt auf der Hand und es wird noch ein zweites Team dazubekommen.

Geteilter "Wecker" für den Song-Contest

 Was bringt der Volldampf an Neuem?

Wir starten in den September rein mit dem "Ticket-Wahnsinn" für die besten, größten, schönsten Konzerte mit österreichischen Künstlern. Wir werden "Wer gegen wen" spielen, eine neue Art von "Wecker-Quiz“ und wir sind mit Influencern in Gespräch über Aktionen. Außerdem wird der "Wecker" und Ö3 insgesamt künftig mehr unterwegs sein. Ein Beispiel: An dem Tag, an dem der ORF den Song-Contest-Veranstaltungsort bekannt gibt, wird es einen geteilten "Wecker" geben. Gabi wird vor Ort in Innsbruck und Philipp in Wien vor der Stadthalle sein und wir werden gespannt auf die Entscheidung warten.

Sie sind seit 2 Jahren Ö3-Chef. Der jüngste Radiotest ist da so etwas wie die Zeugnisvergabe und gut ausgefallen.

Da freue ich mich fürs Team. Als Marktführer, egal in welchem Bereich, muss man in der Regel Marktanteile abgeben, wenn Konkurrenz dazukommt. Vor einem Jahr sind 28 neue Sender gestartet und trotzdem haben wir 30.000 Hörerinnen und Hörer gewonnen. Das macht mich schon ein bisschen stolz auf das Team. Die Menschen haben ja mittlerweile ein fast unendliches Medien-Angebot. 

Radio extrem wichtig in Österreich

Podcast und Streaming sind allerdings etwas hipper als das Radio.

Der erfolgreichste Podcast in Österreich hatte 2,5 Millionen Downloads im gesamten Monat Juli. Der "Wecker" hat an einem Tag 1,6 Millionen. Da fehlen in der Berichterstattung und damit in der öffentlichen Wahrnehmung schon etwas die Relationen – ähnlich auch beim Thema Streaming.  Radio spielt eine sehr wichtige Rolle in Österreich und insofern schauen wir lustvoll in die Zukunft. Natürlich verfolgen wir, wie sich die Mediennutzung entwickelt und probieren aus, was gesetzlich möglich ist.

Woran denken Sie da?

Ein Beispiel ist "Brunch bei dir" auf TikTok, die junge Form von "Frühstück bei mir". Sehr erfolgreich ist "Sag mal", unsere Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk. Die junge Ö3-Redakteurin Mirjam Haider liefert dafür Videos und Rubriken, die in Deutschland besser funktionieren als dort Produziertes. 

Wo uns als ORF Tolles gelungen ist, ist z.B. der Podcast "Inside Washington": Zwei Ex-Ö3ler, Christopher Kohl, nun Korrespondent und Inka Pieh, früher Korrespondentin und jetzt  Ö3-Nachrichtenchefin  und stv. Chefredakteurin, liefern da wirklich sehr tolle Einblicke durch eine junge Brille. Man sagt immer, jede Generation versammelt sich um die besten Geschichtenerzähler - wir wissen, dass wir ein paar ganz gute Geschichtenerzähler für die nächste Generation haben. 

INTERVIEW MIT NEUEM Ö3-CHEF MICHAEL PAUSER

Ö3-Chef Pauser: Auch Privatsender machen einen tollen Job, haben aber eine andere Funktion

Was immer Ö3 tut, verfolgen Privatmedien sehr genau. Da gab es ja immer wieder die Kritik an Ö3 als den Privatesten unter den Privatsendern in Österreich …

Das habe ich schon so lange nicht mehr gehört. Ich glaube, dass es da ein Missverständnis gibt, da wird privat mit erfolgreich verwechselt. Ö3 ist wahnsinnig erfolgreich, aber unser ganzer Anspruch, unsere Herangehensweise ans Programm - nicht nur die Finanzierung – ist öffentlich-rechtlich. Da lassen wir uns auch nicht auf die Nachrichten und den Verkehr einschränken. Und selbst bei den Nachrichten geben wir nochmals Gas und werden ab Herbst Faktenchecks auch in den "Wecker" bringen, weil wir das für wichtig halten. Ö3 macht wahnsinnig viel: von Lehrlingsaktionen für Behinderte bis zum Verkehrsaward, alles Dinge, die das Miteinander stärken soll. Deshalb gibt es auch diesen Purpose "Ö3 verbindet". Im Übrigen: Auch Privatsender machen tolle Arbeit, sie haben aber eine andere Aufgabe.

Letztlich geht es auch da um den Werbekuchen, der immer kleiner wird, weil das Werbegeld in die USA und China abfließt. Ö3 ist eine wichtige ORF-Cashcow. 48 Millionen an Werbeeinnahmen wären heuer geplant, in der jetzigen wirtschaftlichen Situation nicht leicht erreichbar.

Das trifft alle am Markt und das gleichermaßen. Deshalb ist das gemeinsame Vorgehen von ORF und privaten Medien gegen den Abfluss der österreichischen Werbebudgets ins Ausland so wichtig. Es führt vor Augen, was dadurch an Kreativkapital, an Arbeitsplätzen, Wertschöpfung etc. im Land zerstört wird. Und ja, die Privaten brauchen Geld, aber auch der ORF ist dual finanziert. Ich freue mich, dass Ö3 von der Wirtschaft weiterhin als so starker Partner gesehen wird.

Musik als Trägerrakete für Ö3-Inhalte

Ein Kritikpunkt bei Ö3 ist immer wieder der Umgang mit österreichischer Musik.

Musik ist die Trägerrakete für alles, was wir tun. Wir sind da in intensivem Austausch mit den Hörerinnen und Hörern und werden deshalb im September wieder an der Musik drehen. Ich finde, wir haben ein sehr gutes Verhältnis mit der Musikindustrie und wir tun sehr viel dafür, auch Off-air, was mancherorts aber unterschätzt wird. Und wir spielen intensiv österreichische Musik. Die Kritik daran halte ich nicht immer für gerechtfertigt, weil wir weit mehr als andere spielen. Und wir werden im Zuge einer Programmoffensive noch mehr tun – dazu mehr im September.

Sie haben nach ihrem Antritt vor zwei Jahren sehr schnell Änderungen vorgenommen wie den "Frühstart“ beim "Ö3-Wecker" und Sie setzen mehr auf Diskussion und mehr auf "Frag das ganzen Land" – irgendjemand meint ständig etwas auf Ö3. Das nervt.

Statistisch gibt es dafür keinen Beleg. Wir haben diesen Aspekt herausgearbeitet unter dem Blickwinkel, was uns u.a. von anderen Sendern unterscheidet. Klar ist, in den letzten Jahren hat es eine gesellschaftliche Spaltung gegeben, die auch damit zu tun hat, dass man den anderen nicht mehr so zuhört. Da empfinden wir es schon als unsere Aufgabe bei Ö3, unterhaltend und gleichzeitig informativ darauf aufmerksam zu machen. Und das machen wir, beginnend bei "Frag das ganze Land on Tour" wirklich zum Programm. Wir werden nun auch nicht mehr als Erklärbär oder Oberlehrer empfunden. Der ORF, Ö3, ist nicht das distanzierte Unternehmen da oben am Küniglberg und das nimmt auch das Publikum an.

INTERVIEW MIT NEUEM Ö3-CHEF MICHAEL PAUSER

Auch Ö3 unter Michael Pauser setzt KI ein für Datenanalyse insbesondere von den Musikstreams

KI kann keine Gemeinschaft stiften

Ein Blick in die Zukunft, die zum Teil schon Gegenwart ist: Wie ist KI bei Ö3 im Einsatz und wird Ö3 auch künftig noch von Menschen gemacht werden?

Ich habe mir den Spaß gemacht und Gemini danach befragt. Die Antwort: ja, Ö3 wird auch in Zukunft von Menschen gemacht. Obwohl der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Radio zunimmt, bleibt die menschliche Moderation ein zentraler, identitätsstiftender Teil des Senders.

Haben sie etwas entgegenzusetzen?

Nein, weil mich das sehr an meine Antwort in einem Interview erinnert. Es ist das auch meine Meinung. Vielleicht wird das einmal anders. Aber heute? Wir wollen doch ein gemeinsames Lagerfeuer, gemeinsame Erlebnisse, Live-Momente, weil wir uns selbst als Mensch fühlen wollen. Das stiftet Gemeinschaft, was KI nicht ersetzen. 

Wir probieren bei Ö3 sehr viel aus. Vor allem in Richtung Datenanalyse ist KI eine große Hilfe. Zum Beispiel analysieren wir so die Musiknutzung bei den Streams. Es ist wirklich faszinierend, wie genau man erfahren kann, was die Hörerinnen und Hörer wollen und wann sie aussteigen. Als nächstes wollen wir ein paar Feedback-Tools aufsetzen mit entsprechender Auswertung. Aber ganz prinzipiell finde ich, nicht alles, was Maschinen machen können, sollen sie machen, sondern alles, was administrativ, repetitiv ist. Kreativ ist der Mensch.

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