Neuer Streamingdienst Canal+: "In Österreich gibt es Luft nach oben"
Seit rund einem Monat ist Österreich um einen Streamingdienst reicher: Canal+. Hinter dem Angebot stehen A1 und die Canal+-Gruppe. Wie viel investiert wird und welche Abo-Zahlen angepeilt sind, will man nicht verraten. Ziel sei es, unter die Top 3 in Österreich zu kommen. Jacques du Puy, CEO Canal+ International & Group Senior Executive Vice President, und Marcus Grausam, CEO A1 Telekom Austria, über die Kooperation.
KURIER: Wir haben Netflix, Amazon Prime Video, Sky, Disney+, AppleTV+ – braucht Österreich wirklich noch einen Streamingdienst?
Jacques du Puy: Es stimmt, es gibt bereits viele Streamingdienste. Wir sind nicht nur Streaminganbieter, sondern produzieren auch eigenen Content. Dadurch unterstützen wir die Filmbranche und verfügen auch über einen großen Katalog an Inhalten. Deshalb glauben wir, dass wir Österreich einen Mehrwert bieten können – einem Land, das ein bisschen unterversorgt mit heimischem Content ist. Man braucht auch eine gewisse Skalierung. Deshalb haben wir die Gespräche mit A1 begonnen. Wir glauben, wenn wir unsere Kräfte vereinen, haben wir eine bessere Chance, etwas zu produzieren, das auch Relevanz hat.
Marcus Grausam: Es gibt einen starken Konkurrenzkampf, wenn man sich den US-Markt ansieht. Ich glaube, dort hat man bereits 7,5 Streamingdienste pro Haushalt. Wenn man das mit Österreich vergleicht, wo es 2,5 sind, haben wir Luft nach oben. Was wir wollen, ist mehr lokaler Content: aus Europa, aber auch aus Österreich, um uns vom US-dominierten Angebot abzuheben, wo man hauptsächlich Hollywood-Serien zu sehen bekommt.
Warum ist so ein kleines Land wie Österreich interessant für Canal+ und nicht etwa Deutschland?
Du Puy: Erstens, weil wir hier den richtigen Partner gefunden haben. Und zweitens, weil es in Deutschland schon einige starke Plattformen gibt. Die Konkurrenz ist groß. Man muss viel investieren und alle versuchen, mit denselben Kunden zu wachsen. Daher muss man sich die richtige Strategie überlegen. Canal+ fokussiert sich auf drei Kontinente: Europa, weil wir ursprünglich aus Frankreich kommen, Afrika und seit neuestem auch Asien. In Europa bekommen Länder wie Tschechien, Rumänien, Ungarn und auch die Niederlande nicht die volle Aufmerksamkeit von anderen Streaming-Unternehmen. Das bedeutet, dass es dort ganz andere Möglichkeiten gibt.
Wie kam die Kooperation zustande?
Grausam: Vor drei oder vier Jahren haben wir begonnen, mit unserem eigenen Kanal A1now zu experimentieren. Da haben wir gelernt, wie diese Dinge funktionieren. Wir haben einen großen Kundenstamm und das Netz. Wir haben aber schnell gemerkt, dass es sehr teuer ist, Content zu produzieren. Also haben wir uns einen Partner gesucht und mit dem größten Medienhaus Europas definitiv die richtige Wahl getroffen.
Von "Vernon Subutex" bis "Komm, süßer Tod"
Wie wichtig lokale Inhalte sind, wird bei Canal+ immer wieder betont. Daher sei man auch in Gesprächen mit der heimischen Branche, etwa auch im Zuge der Diagonale in Graz. Eigenproduktionen in den Bereichen Doku, Film und Serie, auch Ko-Produktionen, seien angedacht. Aktuell finden sich unter den heimischen Eigenproduktionen von Canal+ das Doku-Format „But what about ...“, das News-Magazin „Was geht?“ und die Musiksendung „Aux“. Es sind Formate, die sich eher an ein junges Publikum richten, was noch aus der Vergangenheit mit dem Sender A1now rührt. Mit Canal+ wolle man erwachsener werden.
Auf der Plattform zu finden sind europäische Serien wie „Vernon Subutex“ und „Meine geniale Freundin“. Dazu kommt das Angebot von Starzplay mit „Killing Eve“, „The Great“ und „Normal People“. Am 13. April startet die britische Serie „The Responder“ mit Martin Freeman („The Hobbit“). Auch zahlreiche österreichische Filme sind bei Canal+ vertreten, von „Muttertag“ über „Love Machine“ bis „Komm, süßer Tod“.
Das Abo kostet 8,99 Euro monatlich. Neben dem Streamingdienst gibt es mit Canal+ First auch einen dazugehörenden Pay-TV-Sender.
Und wieso hat A1 Interesse am Streaming?
Grausam: Weil es perfekt zu unserem Kerngeschäft passt. Wir haben das größte Glasfasernetz und das größte Mobilfunknetz Österreichs. Wenn man sich unseren Datenverkehr ansieht, entfallen 70 bis 80 Prozent der Nutzung unserer Netze auf Video. Wir wollen nicht nur eine Nebenrolle beim Übertragen von Videos spielen, sondern den Kunden auch selbst Content bieten.
A1, Drei und Magenta haben kürzlich einen Beitrag von Netflix & Co gefordert.
Grausam: Das ist etwas, das wir nach wie vor diskutieren. Das geht aber nicht nur von Österreich aus, sondern auch von vielen anderen europäischen Telekommunikationskonzernen. Es geht darum, dass Player wie Netflix, Amazon Prime & Co einen Beitrag leisten. Wir investieren stark in unsere Netze, in Frequenzen, 5G und Glasfaser. A1 steckt allein heuer ungefähr 600 Millionen Euro in den Ausbau. Wir entwickeln die digitale Infrastruktur weiter – die jemand anderer massiv benützt. Deshalb wünschen wir uns in diesem Bereich eine andere Regulierung.
Und Canal+ müsste dann auch an A1 zahlen?
Grausam: Sollte es zu einer anderen Regulierung kommen, wäre das die Konsequenz, denn es würde für alle Streamingservices gelten.
Welche Streaming-Trends werden auf uns zukommen?
Du Puy: Es wird immer mehr Plattformen geben, viele davon aus den USA. Und es wird sich die Frage stellen: Werden die Leute acht oder zehn Plattformen nutzen? Vermutlich nicht. Es wird Gewinner und Verlierer geben. Wir werden eine Inflation bei Produktionskosten sehen und Technologie wird eine große Rolle spielen. Es geht nicht nur um Content allein, sondern auch darum, dass man eine robuste Plattform hat, die nutzerfreundlich ist. Wer gewinnt, wird dann der Markt entscheiden.
Und in Sachen Inhalte? Werden etwa Serien aus Korea stärker?
Du Puy: Manchmal werden koreanische Produktionen auf der ganzen Welt ein Erfolg, aber meist ist der Erfolg dieser Produktionen auf Asien beschränkt. Und auch dort gibt es Unterschiede: Koreanischer Content ist in Südostasien sehr gefragt, aber in Indien sieht es schon wieder ganz anders aus. Wenn man dieselbe Qualität hat, werden Menschen lokalen Content gegenüber internationalem Content bevorzugen. Manche sehen gerne internationale Inhalte. Man braucht eine Mischung und das ist gut. Denn sonst hätten wir nur eine einzige Kultur auf der Welt und das wäre ziemlich langweilig.
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