"Narcos: Mexico", "Isi & Ossi": Die Streaming-Kritiken der Woche
"Narcos: Mexico" – Die weiße Linie ist überschritten
Die Drogen-Kartelle Lateinamerikas sind mit der Hydra aus der antiken Mythologie vergleichbar: Wo immer ein Kopf abgeschlagen wird, wachsen zwei neue nach.
Für die Netflix-Serie „Narcos“, die versucht, die Geschichte der Kartelle und den Kampf der USA gegen ihre Bosse in epischer Breite zu erzählen, ergibt sich daraus das Problem, dass es irgendwann unübersichtlich wird. Kreisten die ersten drei Staffeln der Ursprungsserie noch ganz um den kolumbianischen Super-Capo Pablo Escobar und zwei tapfere Agenten der US-Drogenbehörde DEA, so werden die Fronten in der zweiten, seit Donnerstag verfügbaren Staffel des Nachfolgers „Narcos Mexico“ zunehmend pulverisiert.
In der ersten Staffel hielt das Schema noch dank der zentralen Figur Miguel Ángel Félix Gallardo (Diego Luna). Er war es, der Ende der 1970er-Jahre diverse Bosse unter ein Dach brachte und in industriellem Maßstab zunächst Cannabis, dann kolumbianisches Kokain (Hallo, Escobar!) über die US-Grenze brachte. Der DEA-Agent Enrique „Kiki“ Camarena (Michael Peña) war als ehrlicher Cop der zentrale Gegenspieler der ersten Staffel: Dass er diese nicht überleben würde, stand von Anfang an fest.
Nun also: Verhaftungen, Verdächtigungen, Verschwörungen. Gallardo verliert zunehmend die Kontrolle über sein Guadalajara-Kartell, bemüht sich um neue Allianzen, doch seine Sub-Bosse werden ungeduldig und beginnen, sich nach neuen Geschäftsmöglichkeiten umzusehen. Auch eine Frau – Isabella Bautista (Teresa Ruiz) mischt im Männerklub mit. Es geht nicht mehr allein um Kokain, das sich in der kunstvoll gemachten Eingangs-Sequenz als immer weiter wandernde weiße Linie den Weg durch die Orte der Handlung auf der Landkarte bahnt: Crack ist das „neue Ding“ am US-Markt, das den Verbrechern fette Gewinne verspricht.
In der Serie selbst wechseln die Schauplätze zunehmend rasch – Texas, Kalifornien, Guadalajara, Chihuahua, es gilt aufzupassen. Nach wie vor hilft aber die Faktennähe, die atmosphärische Stimmigkeit und die gelungene Besetzung, den Faden nicht zu verlieren. Die Charaktere entwickeln sich, haben Licht- und Schattenseiten, Abgründe tun sich dort auf, wo man Anstand vermuten würde – und umgekehrt.
Anders als in den Vorgängerstaffeln, wo die US-Agenten doch immer als die Guten ausstiegen, erstreckt sich die Ambivalenz nun auch verstärkt auf die Ermittler: Sie greifen zu drastischen Methoden, und es bleibt offen, ob sie böse oder vom Drogensumpf schlicht überfordert sind. Der Krieg gegen die Kartelle, so werden wir erinnert, ist ja bis heute nicht zu Ende. (Michael Huber)
Aktuell bei Netflix
"Isi & Ossi" – Eine Teenie-Romanze zwischen Arm und Reich
Isi & Ossi. Sie wächst im beschaulichen Heidelberg auf, soll demnächst auf einer Privatuni zu studieren beginnen und wird eines Tages mehrere Milliarden Euro von ihren Eltern erben.
Er lebt in der weniger wohlhabenden Nachbarstadt Mannheim, jobbt in einer Tankstelle und versucht vergeblich, den Schuldenberg seiner Familie zu verkleinern.
Unter normalen Umständen hätten Isi (Lisa Vicari, „Dark“) und Ossi (Dennis Mojen, „Traumfabrik“) wohl wenig miteinander zu tun, doch in der neuen Netflix-Komödie prallen ihre beiden Lebenswelten aufeinander.
„Isi & Ossi“, ab heute (Freitag) zu sehen, ist der erste deutsche Film des Streamingdienstes. Drehbuch und Regie verantwortete Oliver Kienle, der bereits die preisgekrönte TV-Serie „Bad Banks“ geschrieben hat.
Dass Isi nicht studieren, sondern viel lieber Köchin werden möchte, passt ihren konservativen Eltern gar nicht. Um ihren Willen doch noch durchzusetzen, beschließt Isi, ihre Familie ein wenig zu erschrecken. Da kommt ihr der vorlaute Ossi ganz gelegen, den sie als ihren neuen Freund vorstellt. Ossi wiederum braucht dringend Geld (unter anderem für seine Boxer-Karriere) und sieht in Isi eine Chance, seine Finanzen ein wenig aufzubessern. Die beiden tun sich zusammen – aus der reinen Zweckgemeinschaft zwischen den zwei jungen Erwachsenen entwickelt sich freilich bald mehr.
„Isi & Ossi“ ist eine unterhaltsame Mischung aus Coming-of-Age-Geschichte, Culture-Clash-Komödie und Teenie-Romanze mit teils schrägen Figuren. Selbst Isis unterkühlte Mutter und Ossis verhaltensauffälliger Opa offenbaren im Laufe des Films sympathische Seiten. Große Überraschungen darf man sich von der Handlung jedoch nicht erwarten. (Nina Oberbucher)
Ab Freitag bei Netflix
Was sonst noch läuft – "To All the Boys: P.S. I Still Love You"
Fortsetzung der Teenie-Romanze: Lara Jean (Lana Condor) und Peter sind mittlerweile wirklich ein Paar und tun nicht mehr nur so, als ob. Als sie unerwartet einen Liebesbrief von John bekommt, steht Lara Jean vor einem Dilemma. Zu sehen seit dieser Woche bei Netflix.
"Liebe macht Blind"
Reality-Show: In der neuen Netflix-Serie begeben sich mehrere Singles auf Partnersuche – und heiraten auch gleich. Bevor sie sich entscheiden, dürfen die Kandidaten miteinander sprechen, können sich aber nicht sehen.
"Castle Rock"
Horror-Serie: Die zweite Staffel der Serie von Stephen King und J. J. Abrams erzählt eine neue Geschichte: Lizzy Caplan spielt eine Krankenschwester aus der Hölle, die nach Castle Rock kommt. Die Figur der mörderischen Annie Wilkes tauchte bereits im King-Roman „Sie“ auf. „Castle Rock“ ist seit dieser Woche bei Starzplay (u. a. über Amazon Prime Video) zu sehen.
"Die Telefonistinnen"
Drama-Serie: Im Madrid der 20er Jahre sorgen vier Telefonistinnen für Aufruhr: Der erste Teil der fünften und letzten Staffel ist ab Freitag bei Netflix verfügbar.
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