Maria Furtwängler in Comedy: "Schnell, schmutzig und improvisiert"
In der Frühphase der Pandemie produzierte „Tatort“-Star Maria Furtwängler im Vorjahr mit „Ausgebremst“ eine außergewöhnliche Dramedy-Serie im Kurzformat.
Die Handlung um Fahrschulbesitzerin Beate Harzer, die nach Trennung von Mann, Sohn und Fahrschülern alleine in der Fahrschule sitzt, spielte sich fast kontaktlos ab, nämlich über Videotelefonie. Man konnte dabei zusehen, wie Harzer, selbst depressiv, zur Lebensberaterin wird, weil sie durch einen technischen Fehler plötzlich Video-Anrufe von anderen gestrandeten Existenzen erhält.
Die zweite Staffel lief bereits auf TNT Comedy, ab Sonntag, 30. Mai, sind die sechs 15-Minüter in der ARD (0.50 Uhr) sowie in deren Mediathek zu sehen.
KURIER: „Ausgebremst“ war eine kreative Antwort auf die coronabedingten Drehstopps. Warum eine zweite Staffel?
Maria Furtwängler: Die Figur der Beate kam immer wieder zu mir und hat angeklopft. Der Corona-Wahnsinn ging ja weiter und der Wahnsinn von Beate, so dachte ich, könnte noch etwas weitergedreht werden. Als Produzentin bot sich mir eine weitere Chance, einmal schnell, schmutzig und improvisiert zu drehen.
Wie viel ist Improvisation?
Annette Hess: Für mich ist es das erste Mal, dass ich so emotionale Vorlagen für Impro schreibe. In dem Writer’s Room haben wir Figurenbeschreibungen erarbeitet: Es war auch interessant zu beobachten: Manche Schauspieler und Schauspielerinnen brauchen viel Text und genaue Zitate, die sie einbauen können, andere brauchen nur drei Sätze und legen los. Da arbeitet eben jeder anders.
Furtwängler: Wie ist das für dich als Autorin zu sehen, wenn Sachen entstehen, die weder geplant noch ausgedacht waren?
Hess: Ich mag das total. Hier haben natürlich auch nur Leute zugesagt, die Lust auf diese Herausforderung haben. Ich finde das echt super mutig. Man setzt ein Samenkorn und da blüht dann was auf.
Jasna Fritzi Bauer, Thelma Buabeng, Carolin Kebekus, Detlev Buck, Jan Josef Liefers, Axel Milberg sind dabei. Wie kam es, dass sie ohne Gage aufgesprungen sind?
Furtwängler: Ich glaube, das Konzept hat bei vielen die Spielfreude geweckt. Es hatte auch damit zu tun, dass wir die #Kunstnothilfe unterstützen und auf die Situation der Kulturschaffenden hinweisen wollen. Anders als bei anderen Projekten sagten alle sofort: Bin dabei, find ich cool.
Inwieweit hat es sich ausgewirkt, dass man bei Staffel 2 Pandemie-erfahrener war?
Hess: Bei der ersten Staffel war die Prämisse, dass wir gar nicht über Corona reden. Da war das so hochgekocht, dass wir das Gefühl hatten, das will gerade keiner hören. Jetzt wollten wir nur Corona-Storys erzählen. Wie das auf die Menschen gewirkt hat, wer profitiert hat, und wer daran seelisch erkrankt ist.
Furtwängler: In erster Linie wollten wir unterhalten – mit dieser Figur, die in vollkommen naiver Verleugnung der Tatsachen lebt. Dazu ist sie auch noch politisch unkorrekt bis dort hinaus. Manchmal mag man sie, dann findet man sie wieder unmöglich.
Sie setzen sich stark für Geschlechtergerechtigkeit ein. Was sind Ihre Beobachtungen aus den Lockdowns?
Furtwängler: Es ging auch Freundinnen in Top-Jobs so: Kaum mussten die Kinder zuhause bleiben, wer hat sich zu 90 Prozent gekümmert? Die Frauen. Ganz egal, in welcher sozialen Schicht. Was die Krise so überdeutlich gemacht hat: Frauen sind diejenigen, die mehr in schlecht bezahlten und doch wieder systemrelevanten Jobs sind. Es wurde viel darüber geschrieben aber wenig geändert.
Ihre MaLisa-Stiftung betreibt Medienforschung dazu.
Furtwängler: Wir haben untersucht: Wer erklärt uns die Krise? Man sieht, dass das in Deutschland überwiegend Männer sind. Selbst als wir die Leitungsebene herausgerechnet haben, mussten wir feststellen, dass zu vier Fünftel Männer zu Wort kommen. Nun ist der Bundestag mit weniger als einem Drittel Frauen besetzt, die Topjobs in Unternehmen sind es nur zu 11 Prozent. Das sind aber die Orte, wo Entscheidungen fallen, die unser Leben beeinflussen. Deshalb ist es naiv zu glauben, dass uns das nicht betrifft. Das betrifft uns alle.
Was können Sie da tun, auch als Produzentin?
Furtwängler: Bei „Ausgebremst“ hatten wir hinter der Kamera bewusst ein All-Girls-Team. Bei der Besetzung sind wir auch ethnisch divers aufgestellt. Mit Thelma Buabeng, Rauand Taleb als mein Sohn „Carsti“ und Idil Baydar. Was total interessant war: Ich würde mich als „woke“, also total wach und vorsichtig beschreiben, wenn es um Diskriminierung geht. Es war interessant zu sehen, wo die Empfindlichkeiten liegen. Man kann nicht nur sagen: Ja, wir setzen auf Diversität und bestimmen aber, wie die Geschichten gehen. Man muss auch zuhören.
Hess: Ich finde es faszinierend, wie viel sich da getan hat in den letzten drei Jahren. Damals haben wir angefangen, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (Amazon Prime, Anm.) zu entwickeln. Ich kann sagen: Wir würden heute diverser besetzen. Inzwischen kam zum Beispiel die Serie „Bridgerton“, wo es einen schwarzen Prinzen gibt. Ich finde es großartig, dass eine öffentliche Diskussion wirklich etwas erreichen kann. Ich war sehr lange gegen Quotenfrauen. Inzwischen bin ich dafür, weil ich gesehen habe, es verändert sich nichts, wenn man nicht zuerst einmal rigoros nach Zahlen entscheidet. Irgendwann hat es dann eine Selbstverständlichkeit.
"Ich bekomme Hassnachrichten"
Wie geht es Ihnen bisher mit den Reaktionen auf die "Bahnhof Zoo"-Serie?
Hess: Die Leute aus meiner Generation sind mit Christiane F. aufgewachsen, haben das Buch als Teenager gelesen, haben es - wie ich - als schockierend und prägend empfunden. Und dann kam der Film, dessen Bilder sich ebenso eingebrannt haben. Und von dieser Generation sind jetzt viele persönlich beleidigt, weil sie das Gefühl haben, es wird an einem Kulturdenkmal gekratzt. Ich bekomme jetzt sogar Hassnachrichten. Wir haben eine ganze Generation beleidigt - das haben wir einmal scherzhaft gesagt. Die Fans von damals haben das eingeschaltet, weil sie dachten, sie kriegen jetzt ihren Film noch einmal in siebeneinhalb Stunden. Was ja als Erwartung absurd ist. Wir haben gerade versucht, uns davon abzusetzen und eine heutige Adaption des Buches zu kreieren. Offensichtlich haben wir dabei etwas für die jungen Leute gemacht. Die gehen total mit, finden sich in den Figuren wieder.
Frau Furtwängler, im „Tatort“ bilden Sie mit Florence Kasumba ein weibliches Ermittler-Duo. Ist Ihnen das wichtig?
Furtwängler: In diesem Fall ging das vom Sender aus, sich hier diverser aufzustellen. Es ist eine große Freude, mit Florence zu drehen. Sie ist unglaublich gut vorbereitet, hat eine sehr starke physische Präsenz, weil sie ja auch aus dem Martial-Arts- und Marvel-Universum kommt.
Im nächsten Fall ermitteln Sie allerdings alleine.
Furtwängler: Wir haben in Hamburg gedreht – Charlotte ist also diesmal zu Hause unterwegs. Udo Lindenberg spielt mit und singt natürlich auch. Das wird auf jeden Fall eine spannende Kombination!
Das Bayerische, das Sie in "Ausgebremst" anwenden, praktizieren Sie das im echten Leben auch?
Furtwängler: Hin und wieder schon, ich lebe in Bayern auf dem Land. Mein Vater hat leicht bayerisch gesprochen. Als Kind fand ich das immer ganz schrecklich, wollte damals überhaupt nichts mit dem Bayerischen zu tun haben Früher ging man auch definitiv nicht mit bayerischem Gewand auf die Wiesn, sondern mit einer Jeans. Und heute ist es schick, da sind ja alle in Dirndl und Lederhosen dort. Das hat sich sehr verändert. Und ich spreche auch ganz gerne Bayerisch, aber nicht nicht so gut wie Moni Gruber und Co. Die Gruaberin ist natürlich der Wahnsinn. Was die in „Ausgebremst“ auch an bösem Zeug erzählt hat. Ich erinnere an das Zitat mit den alten Eiern und den Salmonellen … (lacht)
Bei „Ausgebremst“ leben Sie ihr komödiantisches Talent richtig aus. Lust auf mehr?
Furtwängler: Es ist gar nicht so leicht, wenn man mit doch sehr ernsthaften Rollen Bekanntheit erreicht hat. Dann ist es natürlich ein Geschenk, dass Annette da eben nicht eine kluge Therapeutin daraus gemacht hat, sondern gesagt hat: Weißt du was, du bist Fahrlehrerin. Dadurch eröffnete sich eine ganz andere Welt. Und das ist natürlich ein großes Vergnügen, meinen Horizont in diese Richtung zu erweitern. Ich bin jemand, der immer auch auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist und das ist definitiv eine. Schau’n mer mal! (lacht)
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