"Kitz"-Jungstar: "Kein Geschenk hätte mir so viel Freude machen können“
Bless Amada stammt zwar aus München, war aber nie in Kitzbühel. Das scheint außergewöhnlich zu sein, wenn man die deutsche Young-Adult-Mystery-Serie „Kitz“ sieht. Dort wird das österreichische Ski-Mekka primär in seiner Funktion als Münchner Nobelvorort dargestellt. Amada spielt eines der Schnösel-Kids, die auf die lokale Bevölkerung treffen.
Die Dreharbeiten mitten im Lockdown empfand Amada als Privileg. „Es war wie eine Flucht in eine ganz andere Welt. Ich hatte die Berge direkt vor meiner Nase – das war ein schönes Gefühl“, sagt er.
Dominik, den er in der Serie verkörpert, sieht er als „Misfit“. „Ständig fühlt er sich unter Druck, den hohen Erwartungen, gerecht werden zu müssen. Er bedient sich zwar am Luxus, fühlt sich dabei aber nicht in seiner Mitte. Er erkennt zunehmend den Unterschied zu den Lebensweisen der Locals. Zu ihnen zieht es ihn hin.“ Vor allem zieht es ihn zu Lisi (Sofie Eifertinger) hin, die insgeheim einen Racheplan gegen Model und Influencerin Vanessa (Valerie Huber) schmiedet. Das ist delikat, denn er selbst ist eigentlich mit Vanessa liiert.
Eine gewisse Ironie steckt darin, dass Vanessa in der sechsteiligen Serie eine Burgtheater-Karriere anstrebt. Das hat Amada im echten Leben bereits geschafft. „Ja, diesen Aspekt fand ich natürlich witzig“, sagt der 24-Jährige. Sein Vorsprechen hatte er an seinem Geburtstag. „Ich war beeindruckt, in dem ,hohen Haus‘ diese Gelegenheit zu bekommen. Aber dann bin ich rein und hab gespielt. Sie haben mich noch auf der Bühne gefragt, ob ich in dieses großartige Ensemble kommen mag. Und das an meinem Geburtstag. Kein Geschenk hätte mir so viel Freude machen können.“
An seiner Rolle in „Kitz“ fand er „sehr spannend“, „dass sie nicht schwarz oder weiß gedacht ist. Und natürlich gibt es Momente, wo die Hautfarbe dann auf einmal eine Rolle spielt oder man es auf einmal anders interpretiert.“
Rassismuserfahrungen
Amada nimmt dabei auf eine Szene in einem Luxus-Spa Bezug, bei der Dominik und Kosh einen Disput mit einem Saunagast haben. Er selbst sagt über Rassismuserfahrungen: „Ich möchte mir meine Energien gut einteilen und reagiere daher längst nicht mehr auf alles, was mir bezüglich meiner Herkunft oder meines Aussehens gesagt wird.“
Upper-Class-Rollen wie die des Dominik hält er für wichtig, „weil viele junge Leute dann sehen: ,Ah, okay, es ist möglich, dass ein dunkelhäutiger Mann einen Arzt oder einen Anwalt spielt.‘ Es gab Stereotypen, die lange vermittelt worden sind. Ich finde, dass Netflix das über den Diversitätskodex sehr klug macht. So werden Sehgewohnheiten gebrochen und neue Bilder werden zur Normalität.“
KURIER: In „Kitz“ geht es um das Verhältnis der Münchner Rich Kids zu den Kitzbüheler Einwohnern. Wie haben Sie das selbst erlebt?
Bless Amada: Ich bin hier in München aufgewachsen. Im Rahmen der Serie gibt es diese Gegenüberstellung von Reich und Arm, die lokalen Kitzbüheler und die Münchner Rich Kids. Das war für mich Neuland, weil ich diese Seite von Kitzbühel nicht kannte. Ich war zum ersten Mal dort und dachte mir: Wow, was ist das für ein schöner Ort, so idyllisch, so klein und eine Wohlfühloase. Das hat die Arbeit auf eigene Art und Weise geprägt. Während unseres Drehs war Corona DAS neue Phänomen, mit Lockdowns und vielen Ängsten. Daher empfand ich es als Privileg, zu dieser Zeit durch die Straßen laufen zu können. Es war wie eine Flucht aus der eigenen Realität, in eine ganz andere Welt. Ich hatte die Berge direkt vor meiner Nase - das war ein schönes Gefühl.
Hat es Spaß gemacht, diese Bilder zu liefern? Es ist ja viel Party und Glamour dabei.
Ja, das hat auf eine surreale Weise Spaß gemacht. Draußen absolute Stille - und wir dabei, mit lauter Musik diese Party-Atmosphäre zu basteln. Das fühlte sich manchmal merkwürdig an.
Dominik ist einer dieser Rich Kids, aber er kommt mir ein bisschen mehr down to earth vor.
Dominik ist an sich ein Misfit, der in eine reiche Welt hineingeboren worden ist.. Seine Eltern haben viel Geld und auch viel Einfluss. Er fühlt sich nicht zugehörig. Ständig fühlt er sich unter Druck, den hohen Erwartungen, gerecht werden zu müssen, die dadurch an ihn gestellt werden. Er bedient sich zwar am Luxus, fühlt sich dabei aber nicht in seiner Mitte. Er erkennt zunehmend den Unterschied zu den Lebensweisen der Locals. Zu ihnen zieht es ihn hin.
Er will auch ein bisschen seinem Vater nacheifern, der es mit eigener Arbeit geschafft hat. Das gelingt ihm am Anfang nicht …
Das ist genau das Problem. Sein Vater hat nun mal viel Status und will, dass sein Sohn sich auch gegen alle Widerstände durchbeißt. Allerdings ist Dominik an einem Punkt im Leben, den man von vielen jungen Leuten kennt. Dass man sich nicht wirklich entscheiden kann, dass es schwierig ist, einen Berufsweg einzuschlagen, dass man zuerst mal ein bisschen herumirren muss. Das ist voll aus dem Leben gegriffen, weil es das oft gibt, dass ein Elternteil scheinbar zu viel verlangt, was der andere Teil meint ausgleichen zu müssen. Das ist für "Kinder" schwierig.
Er will ja auch Lisi ein bisschen verwöhnen, hilft ihr zum Beispiel mit einem Sportwagen aus. Das scheint bei ihr nicht so gut anzukommen.
Ja, sie ist überfordert von Dominiks Art sich mit ihr verständigen zu wollen. In Lisis Beisein umgibt Dominik das Gefühl, dass er ganz authentisch er selbst sein kann, dass er sich bei ihr fallen lassen kann. Dafür ist er dankbar, will ihr eigentlich mit dem Sportwagen aushelfen, weil sie gerade kein Auto hat. Dass das über drüber ist, checkt er natürlich erstmal nicht.
Er ist für Lisi ein bisschen wie das Einfallstor in diese Welt, in die sie sich einschleichen möchte.
Dominik ist einer, der schnell Kontakt zu anderen bekommt. Er weiß, wie man mit Menschen umgeht, was sie brauchen. Er ist neugierig und nimmt jeden erstmal wie er ist. Das ist für Lisi und ihren Plan natürlich super.
Es ist eine Coming of Age-Geschichte Es geht also nicht nur um Herzschmerz und Rachegefühle, sondern auch um eine Entwicklung, den Platz im Leben zu finden. Vanessa will zum Beispiel ans Burgtheater. Das haben Sie im echten Leben schon geschafft. Wie war das für Sie, ans Burgtheater zu kommen?
Ja, jetzt als ich mir "Kitz" nochmal angeschaut habe, fand ich diesen Aspekt natürlich witzig. Wie ich ans Burgtheater gekommen bin? Durch ein Vorsprechen an meinem Geburtstag. Ich wurde tatsächlich zwei Mal eingeladen, mich dort zu präsentieren. Beim ersten Mal musste ich absagen, weil ich gedreht habe. Ich war sehr beeindruckt in diesem "hohen Haus" diese Gelegenheit zu bekommen. Aber dann bin ich rein und hab gespielt. Sie haben mich noch auf der Bühne gefragt, ob ich in dieses großartige Ensemble kommen mag. Und das an meinem Geburtstag. Kein Geschenk hätte mir so viel Freude machen können.
Hat Ihnen das Jelinek-Projekt in den Münchner Kammerspielen die Aufmerksamkeit des Burgtheaters gebracht?
Das Jelinek-Projekt war unsere Jahrgangsinszenierung. Einerseits ist dadurch die Anfrage für „Kitz“ gekommen, weil die Casterin mich auf der Bühne hat spielen sehen. Und für die Burg war mein AFO-Absolventenvorsprechen verantwortlich.
Wie war das für Sie, den Wotan zu spielen?
Elfriede Jelinek ist für mich eine der faszinierendsten Autorinnen im deutschsprachigen Raum. Ihre Texte sind für mich eine immer neue Herausforderung. Da hat Wotan meinen gesamten Ehrgeiz geweckt, zumal Deutsch nicht meine Muttersprache ist. Den betrunkenen Göttervater zu spielen, war ein besonderes Highlight.
Wie haben Sie das Burgtheater davor wahrgenommen?
Anders als viele andere, habe ich erst vor vier Jahren begonnen, mich mit der Theaterlandschaft auseinander zu setzen. Mich haben vor meiner Schauspielausbildung eher Filmproduktionen interessiert. An der Falckenberg-Schule war aber schnell klar: Die Burg ist DAS Theater im deutschsprachigen Raum.
Derzeit wird auf den Wiener Bühnen wieder gespielt. Sie spielen demnächst in der Schnitzlerbearbeitung „Die Ärztin“. Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?
Das Stück spielt im Umfeld eines Alzheimer-Instituts. Ich spiele Michael Copley, der unter anderem daran arbeitet Alzheimer zu heilen. Er agiert als ehrgeiziger, sehr loyaler Fürsprecher der Institutsleiterin, Ruth Wolff. Ein spannendes Stück, in dem es ebenfalls im Kern um das Thema Identität geht.
Um zu „Kitz“ zurückzukommen. Wie war es, mit so arrivierten Schauspielern wie Florence Kasumba und Tyron Ricketts zusammenzuarbeiten?
Florence Kasumba ist eine der inspirierendsten Frauen, die ich kenne. Ihre Energiewechsel sind atemberaubend. Sie ist für mich ein starkes Vorbild. Ganz genau so wie Tyron, der sich für People of Colour und für Gleichberechtigung einsetzt. Ich bin sehr stolz darauf, mit beiden gespielt und gedreht zu haben.
Tyron Ricketts leitet ja die Produktionsfirma Panthertainment, wo er die Sichtbarkeit von People of Colour verbessern möchte. Wie sehen Sie das Thema? Nervt es manchmal auch, dass man immer darauf angesprochen wird oder wollen Sie sich aktiv dafür einsetzen?
Es kommt darauf an, wie. Und ich finde es wichtig, dass man darüber spricht, dass man das Gespräch sucht und es nicht abtut. Momentan passiert so eine Art Umbruch, in dem man gewisse Sehgewohnheiten bricht. Sei es, dass man mehr PoCs besetzt, oder auf die Suche nach denen geht und sich mit diesem Thema beschäftigen. Und da ist auf jeden Fall Redebedarf und es sollte auf jeden Fall stattfinden.
Tyron Ricketts sieht bei Streamingangeboten wie Netflix den positiven Aspekt, dass sie quasi Geschichten für die ganze Welt erzählen und dadurch auch diese Sichtbarkeit steigt. Sehen Sie das auch so?
Ich sehe das genauso, weil ich vor allem das Gefühl habe, dass dann viele junge Leute, die natürlich auch unser Publikum sind, sich damit identifizieren. Die sehen: Ah, okay, es ist möglich, dass ein dunkelhäutiger Mann einen Anwalt oder einen Arzt spielt. Es gab bestimmte Stereotypen und Bilder, die lange vermittelt worden sind. Ich finde, dass Netflix das sehr klug macht, über den Diversitätskodex. So werden Sehgewohnheiten gebrochen, und neue Bilder werden zur Normalität.
Ideal wäre, wenn man gar nicht mehr darüber sprechen müsste. Aber Sie spielen auch in „KITZ“ jemanden aus der Upper Class. Hat Ihnen das auch von Anfang an gefallen, dass das keine stereotype Rolle war?
Auf jeden Fall. Was für mich sehr spannend war, ist, dass das die Rolle nicht schwarz oder weiß gedacht ist. Ich habe es gelesen und habe einen Menschen gesehen, der in bestimmte Situationen reingeschmissen worden ist und sich dazu verhalten muss. Und natürlich gibt es Momente, wo die Hautfarbe dann auf einmal eine Rolle spielt oder man es auf einmal anders interpretiert. Und da gibt es ja auch eine spannende Szene dazu in „Kitz“.
Welche Szene meinen Sie konkret?
In der zweiten Folge ist Dominik mit seinem Kumpel Kosh im Spa-Bereich und will dort feiern. Diese Szene wirkt auf die Zuseher, mit mir dunkelhäutigem Schauspieler deutlich überspannter. Mit dieser unbewussten Ebene zu spielen, ist clever.
Kosh und Dominik öffnen mitten im Ruhebereich eine Champagnerflasche. Der Mann daneben reagiert natürlich verärgert, aber ehrlich gesagt hätte es mich auch geärgert, wenn jemand dort Party macht. Egal wie der aussieht oder wie sie aussieht. Der Rassismus kommt also nicht eindeutig rüber.
Ich glaube, das ist eher etwas Unterschwelliges und Menschen hören da verschieden zu und reagieren verschieden sensibel. Und das ist genau der Punkt. Und natürlich wäre da jeder verärgert. Aber der Kommentar daraufhin hört sich je nachdem wo die wurzeln liegen, anders an.
Wie geht es Ihnen damit? Sind Sie im Alltag sehr woke oder gehen Sie da eher locker damit um, weil vielleicht nicht alles gleich böse gemeint sein könnte?
Häufig glaube ich, die Intention hinter Aussagen einschätzen zu können, also ob jemand wirklich offensiv rassistisch ist oder rassistisch motiviert ist. Das ist immer ein schmaler Grat. Ich möchte meine Energien gut einteilen und reagiere daher längst nicht mehr auf alles, was mir bezüglich meiner Herkunft oder meines Aussehens gesagt oder gezeigt wird
Valerie Huber ist ja auch in Afrika aufgewachsen, haben sie sich darüber mit ihr ausgetauscht?
Ja, auf jeden Fall. Sie hat mir auch ihre Ansichten dazu gespiegelt, wie es für sie war, dort aufzuwachsen. Und das Spannende ist, dass Valerie auch dieses Bewusstsein hat, dass es trotzdem für Einheimische einen Unterschied macht, weil wir nun mal optisch anders aussehen. Aber sie fühlt sich zu der afrikanischen Kultur sehr hingezogen.
Ausbildung
Bless Amada wuchs in Lomé, der Hauptstadt von Togo, auf. Mit zehn zog er zum Vater nach München. Seine Schauspielausbildung genoss er an der Otto-Falckenberg-Schule
Bühne
Mit seinem Absolventenvorsprechen fiel er dem Burgtheater auf. Davor war er 2020 in den Münchner Kammerspielen in Elfriede Jelineks „rein GOLD“ als Wotan zu sehen. Dort wurde die Casterin von „Kitz“ auf ihn aufmerksam.
An der Burg spielt er aktuell in Robert Ickes „Die Ärztin“ einen Mediziner
Diversität
Seit der Spielzeit 2019/20 ist die niederländische Schauspielerin Stacyian Jackson fest im Ensemble des Burgtheaters. Bless Amada ist er erste dunkelhäutige Mann, dem diese Ehre zuteil wurde. Davor gab es immer wieder schwarze Gastschauspieler, etwa Ernest Allan Hausmann in "Kampf des Negers und der Hunde" von Bernhard-Marie Koltès (2018), oder David Wurawa in der Inszenierung von Simon Verhoevens "Willkommen bei den Hartmanns" (2017).
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