Karl Markovics zum 60er: Ohne Tricks und ohne Brimborium
Der ORF ehrt den Ausnahmekünstler und sein Schaffen mit Serien und Filmen von „Stockinger“ über „Die Fälscher“ bis hin zum Regie-Erstling „Atmen“
19.08.23, 05:00
Von Gabriele Flossmann
Der ORF widmet dem Ausnahmekünstler Karl Markovics zu seinem 60. Geburtstag Ende August einen heute, Samstag, startenden Programmschwerpunkt. Der Wunsch, mit ihm aus diesem Anlass ein Interview zu führen, wird allerdings zur Fehlanzeige. Auf die Vergangenheit, die nur das Nachzählen seiner bisherigen Lebensjahre betrifft, lässt er sich nicht gerne ansprechen. Der sympathische, bisweilen etwas kauzig wirkende Künstler gilt als akribischer Arbeiter, als „Eigenbrötler", grüblerisch, detail- und sprachverliebt. Und er ist – und bleibt auch seiner Interview-Absage - ein Gentleman. Den Grund dafür kann man nur ahnen: Weil noch kein (Geburtstags-)Interview in die Seele der Kunst - und damit wohl auch nicht in seine Seele - vorgedrungen ist.
Stattdessen soll hier eine Bestandsaufnahme des bisherigen Künstlerlebens vorgenommen werden, das vom ORF u.a. mit Filmen wie „Stockinger“, „Drei Herren“, „Polizeiruf 110“, „Zuckeroma“ „Das Wunder von Wörgl“, „Atmen“ und „Die Fälscher“ gewürdigt wird.
19. 8., in ORFIII:
Stockinger (ab 12.10, 7 Folgen)
22. 8. in ORF2:
Das Wunder von Wörgl (23.20)
Die Geliebte des Teufels (00.50)
25. 8. in ORFIII:
Drei Herren (20.15)
Polizeiruf 110 (21.45)
Atmen (23.20)
26. 8. in ORFIII:
Stockinger (ab 11.20, 7 Folgen)
Zuckeroma (17.10)
29. 8. in ORF2:
Die Fälscher (23.10) 29. 8. in ORF1:
Die Männer ihrer Majestät(00.40)
Derzeit freitags in ORF2:
Babylon Berlin (ab etwa 23.20)
Wurstsemmeln
Die richtige Leiche am richtigen Ort. So könnte – sollte man das (bisherige!) Schaffen von Karl Markovics unter ein Motto stellen (wollen) – zumindest eines davon lauten. Denn seinen hohen Bekanntheitsgrad beim breiten Publikum verdankt er diversen Krimis. So wurde er im Jahr 1994 zum Schnüffler-Gefährten von „Kommissar Rex“. Von jenem deutschen Schäferhund, der jahrzehntelang in deutschen und italienischen Fernsehserien als tierisch gute Ermittlerfigur fungierte. Zwei Jahre lang agierte Markovics darin als Ernst Stockinger, Assistent von Bezirksinspektor und „Herrl“ von Rex, Richard Moser, den in dieser Zeit Tobias Moretti spielte. Dann wurde Markovics eine eigene Krimi-Serie gewidmet. „Jetzt isst Stockinger seine Wurstsemmeln selbst“, titelte damals eine deutsche Zeitung über den ebenfalls erfolgreichen Sidekick der „Kommissar Rex“-Serie. Aber Karl Markovics hatte vor, mehr aus seinem Schauspielerleben zu machen und er ließ deshalb die gesicherte Einkommensquelle als „Stockinger“ hinter sich.
Markovics‘ Einstieg in die darstellende Kunst war zunächst eher holprig angelaufen. Der gebürtige Wiener, Sohn einer Verkäuferin und eines Buschauffeurs, schaffte es nicht ans Reinhardt-Seminar. Was ihn aber nicht davon abhielt, seiner Schauspiel-Leidenschaft zunächst einmal als Autodidakt nachzugehen. Er startete eine erfolgreiche Bühnenkarriere, die ihn vom Serapionstheater (1987) über das Volkstheater bis ins Theater in der Josefstadt führte.
Sein Filmdebüt als Schauspieler hatte Karl Markovics 1991 unter der Regie des langjährigen Salzburger „Jedermann“-Regisseurs Michel Sturminger in dessen Drama „Hund und Katz". Weitere Rollen in österreichischen Spielfilmen wie „Indien", „Muttertag", „Hinterholz 8", „Komm, süßer Tod" und „Zuckeroma“ folgten.
Obwohl Markovics in diesen Kino- und TV-Rollen auf das Komödienfach spezialisiert zu sein schien, schreckte er von schwierigen, dramatischen Rollen nicht zurück. In Elisabeths Scharangs Drama „Mein Mörder“ spielte er beklemmend und überzeugend einen NS-Arzt in einer Kinder-Euthanasie-Anstalt.
Auch in ihrem Film über den Briefbomber Franz Fuchs besetzte die Regisseurin die Titelrolle mit Markovics. Im tschechischen Spielfilm „Die Geliebte des Teufels" verkörperte Markovics Joseph Goebbels – und in „Murer – Anatomie eines Prozesses", den Nazijäger Simon Wiesenthal.
Seinen größten internationalen Erfolg konnte der Schauspieler 2008 als Hauptdarsteller des mit dem Auslands-Oscar prämierten Films „Die Fälscher" in der Regie von Stefan Ruzowitzky feiern.
Sein Debüt als Filmregisseur feierte Markovics 2011 mit „Atmen". In vielschichtigen Bildern und mit echter Anteilnahme erzählt er darin von einem 19-jährigen Strafgefangenen, der in einem Bestattungsunternehmen neuen Lebensmut findet. Dazu verfasste Markovics auch das Drehbuch. Der Film wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem österreichischen Filmpreis 2012.
Regelmäßig stand und steht er - parallel zu seiner Kino- und TV-Karriere – auch weiterhin auf diversen Bühnenbrettern, die für ihn immer noch eine eigene Welt bedeuten. Und er führt auch dort Regie. Bei den Bregenzer Festspielen 2018 inszenierte er die Uraufführung der Oper „Das Jagdgewehr" des Komponisten Thomas Larcher und gab damit sein Debüt als Opernregisseur. Seinen ersten eigenen Film als Regisseur zu drehen habe ihn viel Mut gekostet, meinte Markovics in einem Interview bei der Premiere von „Atmen“. Denn er wolle nicht Mittelmaß sein: „Entweder ich mache einen Film, als hätte ich in meinem Leben nichts anderes gemacht, oder ich lasse es lieber ganz.“
Inzwischen macht Karl Markovics alle seine Filme so, als hätte er in seinem Leben nichts anderes gemacht. Wie etwa seinen neuen Landkrimi „Das Schweigen der Esel“ (ORF/ARTE), der beim renommierten Deutschen FernsehKrimi-Festival 2023 einen Hauptpreis erringen konnte. Der Film wird voraussichtlich 2024 im ORF zu sehen sein. Markovics ist vielfach preisgekrönt, darunter finden sich auch mehrere ROMYs. Und er war auch Mitbegründer der Österreichischen Filmakademie.
Karl Markovics ist das unverwechselbarste Gesicht des österreichischen Films. Und er steht für Menschlichkeit und Toleranz. Davon zeugen seine Kunst wie auch seine Biografie. Er ist 1963 geboren, ist evangelisch getauft, war aber in seiner Kindheit auch aushilfsweise Ministrant in römisch-katholischen Kirchen. In einem seiner seiner Filme, den er 2015 bei der Berlinale unter dem Titel „Superwelt" präsentierte, hört die Protagonistin - eine ganz „normale“ und alles andere als esoterische Supermarktkassiererin – die Stimme von Gott. Die Inspiration, die ihn zu diesem Film veranlasste, steht wohl für sein Gesamtwerk: Ihn habe dazu das „scheinbar Unmögliche" inspiriert, „heute in einem mitteleuropäischen Durchschnittsmilieu mit Durchschnittsmenschen, die ein Durchschnittsleben führen, einen Film über das Absolute zu machen - ohne Tricks, ohne Brimborium und ohne Mission.“
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