Ingrid Thurnher: "Ich glaube, ich habe genug Zeit vor Kameras verbracht"

Ingrid Thurnher: "Ich glaube, ich habe genug Zeit vor Kameras verbracht"
ROMY-Preisträgerin Ingrid Thurnher wechselt das Metier. Gefordert ist sie schon vor dem Dienstantritt.

„Ich glaube, ich habe genug Zeit vor Kameras verbracht, ich möchte mich jetzt mit voller Wucht und Leidenschaft ins Radio stürzen“, sagt Ingrid Thurnher. Die 59-Jährige, die in den vergangenen Jahren ORFIII auch als Info-Sender zum Schwergewicht gemacht hat, ist das wohl bekannteste Gesicht in der neuen ORF-Geschäftsführung unter Roland Weißmann – ungewöhnlich ist allerdings ihr künftiges Betätigungsfeld: Radio-Direktorin.

„Ich bin keine Radiomacherin, aber ich bin, glaube ich, eine Managerin, was ich in den letzten Jahren bei ORFIII auch beweisen durfte; eine, die gerne weiterdenken möchte, die Leute bestärken, die Dinge möglich machen und die junge Leute holen möchte, um eine neue Audio-Welt auf die Beine zu stellen“, sagt die vielfache ROMY-Preisträgerin.

Management

Diese Managementfähigkeiten wird die gebürtige Vorarlbergerin, die in ihrer Funktion der amtierenden Direktorin und FM4-Senderchefin Monika Eigensperger nachfolgt, auch brauchen: „Es gibt im ersten halben Jahr ein großes Projekt zu bewältigen, die Übersiedlung der Sender auf den Küniglberg und die Integration der ORF-Information im multimedialen Newsroom. Das wird uns allen unglaublich viel an Energie abverlangen, da einen sanften ordentlichen Übergang zu schaffen. Das wird das Projekt Nummer 1 sein. Darum wird es auch schon sehr viel vor dem 1. Jänner gehen“, wenn die neue ORF-Führung antritt.

Im ORF, aber auch von politischen Akteuren außerhalb wird mit Argus-Augen verfolgt, was da mit der ORF-Information, also dann auch mit der Radio-Information, passiert, die seit Alexander Wrabetz beim Generaldirektor angedockt ist. Es stünden Kulturveränderungen für alle Bereiche an, meint Thurnher. „Wir werden viel Hirnschmalz investieren. Den multimedialen Newsroom, von dem bisher nur ein fast fertiges Gebäude existiert, mit Leben zu erfüllen, erachte ich für den Hörfunk aber als spannendste Aufgabe. Der Infodirektor und ich werden uns einig werden.“

Die Karriere von Ingrid Thurnher im ORF ist voller Wendungen gewesen: Zum ORF kam sie 1985 als TV-Ansagerin, arbeitete von 1986 bis 1991 für den Aktuellen Dienst im Landesstudio Niederösterreich. Dann folgten Jahre als Innenpolitikredakteurin im Hörfunk, ehe der Sprung zur „ZiB 2“ kam. Als weitere Stationen folgten – nach einem kurzen, nicht ganz freiwilligen Intermezzo in der „ZiB 1“ – von 2008 bis 2016 die Hauptmoderation der ORF-Diskussionssendungen „Im Zentrum“ und „Runder Tisch“, die „Sommergespräche“ und einiges mehr. 2017 wechselte sie zu ORFIII, das sie als Chefredakteurin prägte und unerwarteterweise zum Sprungbrett in die Radio-Direktion wurde.

Herausforderung

Da hat sie auch für das Stammpublikum Weichen zu stellen. Etwa bei FM4, dem einstigen Jugendradio.

„FM4 ist vor 25 Jahren als Produkt für die jungen Hörerinnen und Hörer gegründet worden und hat sich wirklich hervorragend etabliert. Es hat einen Hörer-Kreis, den man möglicherweise ein wenig erweitern könnte in Richtung Jugend. Wenn uns das gelingt, dann hat FM4 seinen Platz, wo er jetzt ist.“ Dann könnte es als Radiosender bestehen bleiben, und es wäre künftig nicht nur – solche Überlegungen gab es auch schon – ein Internet-Kanal. „Das zu überlegen, anzuschauen und weiterzuentwickeln, dafür werde ich mir etwas mehr Zeit nehmen als die vier Stunden, seit wir vor den Stiftungsrat getreten sind“, sagte Thurnher bei der Pressekonferenz.

Für ihren neuen Job gab es auch einen prominenten Gegenkandidaten aus dem eigenen Haus: Ö3-Senderchef Georg Spatt. Dem streut sie am Wahltag Rosen. „Er ist der beste Radio-Macher, den wir bei Ö3 haben und wahrscheinlich je hatten. Ich wäre sehr froh, wenn er das weiterhin machen würde.“

Das klingt nach friedlicher Co-Existenz. Damit kennt sich Thurnher aus, darüber hat sie sogar eine Master-Arbeit geschrieben. Vor 20 Jahren, als das noch kein populäres Thema war, ging es da allerdings um die friedliche Co-Existenz von Fernsehen und Internet. Für den ORF das Zukunftsthema schlechthin. Auch im Audio-Bereich. Deshalb trage ihr Bewerbungskonzept den Titel „Beyond Radio“: „Weil ich ganz einfach glaube, dass es hier so viel Potenzial gibt, mit einem künftigen Player und Audio-Inhalten zu punkten, und die geballte Kompetenz der Radio-Mitarbeiter auch in der digitalen Welt noch stärker hörbar zu machen.“

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